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2022-08-25 20:29:11 +02:00

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<TITLE>Leo Trotzki: Wer tr&auml;gt die Schuld am Beginn des 2. Weltkrieges? [5.9.1939]</TITLE>
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<HR size="1">
<H2>Leo Trotzki</H2>
<H1>Wer tr&auml;gt die Schuld am Beginn des 2. Weltkrieges?</H1>
<P>5.9.1939</P>
<HR SIZE=1>
<P>Dieser Artikel erschien zuerst in &raquo;Socialist Appeal&laquo; vom 11. September 1939
<HR SIZE=1>
<P>Gestern sprach ich &uuml;ber die unmittelbare Verantwortung am
Krieg<A NAME="ZAnm1" HREF="390905a.htm#Anm1"><SUP>Anm1</SUP></A>. Hitler <EM>begann</EM> blutige, milit&auml;rische Operationen, Stalin
<EM>half</EM> Hitler sie zu beginnen. Diesmal nimmt die un<brk>mittelbare,
sozusagen &raquo;juristische&laquo; Verantwortung f&uuml;r den <EM>Beginn</EM> milit&auml;rischer
Aktivit&auml;ten eine klarere Form als im letzten Krieg an, Es ist
bekannt, da&szlig; die Frage der Verant<brk>wortung eine gro&szlig;e
Rolle in der Propaganda der beiden kriegf&uuml;hrendem Lager spielt.
Jeder der an dem Krieg beteiligten Staaten versucht, die
Verantwortung auf den Feind zu schieben.
</P>
<P>Vom historischen und
politischen Standpunkt aus ist dieses juristische (oder
diplomatische) Kriterium jedoch von v&ouml;llig zweitrangiger
Bedeutung.
Es gibt progressive, gerechte Kriege und reaktion&auml;re,
ungerechte Kriege, unabh&auml;ngig von der Frage, wer zuerst
&raquo;angefangen&laquo; hat. Vom wissenschaftlichen, histori<brk>schen Standpunkt
aus sind progressive, gerechte Kriege solche, die der Befreiung
unterdr&uuml;ckter Klassen oder unterdr&uuml;ckter Nationen dienen
und so die menschliche Kultur vorw&auml;rtstreiben. Andererseits sind
jene Kriege reaktion&auml;r, die der Erhaltung einer antiquierten
sozialen Ordnung dienen, die der Versklavung der Arbeiterklasse und
der zur&uuml;ckgebliebenen oder schwachen Nationen dienen.
Konsequenterweise ist nicht die Frage, wer zuerst &raquo;angefangen&laquo; hat, wer
als &raquo;Aggressor&laquo; erscheint, von entscheidender Bedeutung, sondern
die, welche Klasse den Krieg f&uuml;hrt und zugunsten welcher
historischer Ziele. Wenn die unterdr&uuml;ckte Klasse oder eine
unterdr&uuml;ckte Na<brk>tion mit dem Ziel ihrer Befreiung als
&raquo;Aggressor&laquo; erscheint, so werden wir eine solche Aggression immer
bef&uuml;rworten.</P>
<P>Die Versuche, den n&auml;chsten Krieg als einen Krieg zwischen
De<brk>mokratien und Faschismus darzustellen, zerbrachen am realen
Gang der Ereignisse. Der gegenw&auml;rtige Krieg, den die
Beteilig<brk>ten begannen, bevor sie den Versailler Vertrag
unterzeichneten, erwuchs aus den imperialistischen Widerspr&uuml;chen.
Er war unver<brk>meidlich wie der Zusammensto&szlig; von Z&uuml;gen,
die auf demselben Gleis gegeneinander losgelassen werden.
<P>Die
Hauptgegner auf dem europ&auml;ischen Kontinent sind Deutsch<brk>land
und Frankreich. Im Kampf um die Hegemonie in Europa und seine
kolonialen Besitzungen versuchte Frankreich, Deutschland (nicht das
faschistische, sondern das demokratische) in einem Zustand der
Zersplitterung und Schw&auml;che zu halten. In diesem Sinne war der
franz&ouml;sische Imperialismus der Geburtshelfer des deutschen
Nationalsozialismus. England hingegen, das daran interessiert
war, die europ&auml;ische Hegemonie von Frank-reich und seine
internationalen Anspr&uuml;che zu brechen, begann bald nach
Versailles, Berlin gegen Paris zu unterst&uuml;tzen. <EM>Die
Wiederbewaffnung von Nazi-Deutschland w&auml;re ohne die direkte
Hilfe Englands unm&ouml;glich gewesen.</EM> Auf diese Art waren die
ver<brk>steckten, aber tiefen Antagonismen zwischen den Demokratien
das Sprungbrett f&uuml;r Hitler.</P>
<P>England unterst&uuml;tzte Hitler in M&uuml;nchen mit der Hoffnung,
da&szlig; er sich mit Mitteleuropa zufriedengeben w&uuml;rde. Aber
einige Wochen sp&auml;ter hatte England &raquo;endlich entdeckt&laquo; da&szlig;
der deutsche Imperialismus die Weltherrschaft anstrebte. In seiner
Rolle als Weltkolonialmacht konnte Gro&szlig;britannien nicht umhin,
die schrankenlosen Anspr&uuml;che Hitlers mit Krieg zu beantworten.</P>
<P> Diplomatische Machenschaften, die mit der Formel &raquo;Demokratie gegen
Faschismus&laquo; jonglieren, sind Sophismen zum Thema Verantwortung
und k&ouml;nnen uns nicht vergessen lassen, da&szlig; der <EM>Kampf
zwischen den imperialistischen Sklavenhaltern der ver<brk>schiedenen
Lager um eine Neuaufteilung der Welt</EM> gef&uuml;hrt wird. Seinen Zielen
und Methoden nach ist der gegenw&auml;rtige Krieg eine direkte
Fortsetzung des vorangegangenen gro&szlig;en Krieges, nur mit viel
gr&ouml;&szlig;erer F&auml;ulnis der kapitalistischen Wirtschaft und
mit viel schrecklicheren Methoden der Zerst&ouml;rung und
Aus<brk>rottung.</P>
<P>Konsequenterweise sehe ich daher nicht den geringsten Grund, jene
Prinzipien inbezug auf den Krieg zu &auml;ndern, die zwischen
1914 und 1917 von den besten Vertretern der
Arbeiterbewegung unter der F&uuml;hrung von Lenin ausgearbeitet
wurden. Der gegen<brk>w&auml;rtige Krieg hat auf beiden Seiten einen
reaktion&auml;ren Charak<brk>ter. Welches Lager auch immer siegen
wird, die Menschheit wird weit zur&uuml;ckgeworfen werden.</P>
<P>Die Aufgabe der wahren Vertreter der Arbeiterklasse und der
unterdr&uuml;ckten Nationen besteht nicht darin, einem
imperialistischen Lager gegen ein anderes zu helfen, sondern darin,
die arbeitenden Massen aller L&auml;nder zu lehren, die reaktion&auml;re
Bedeutung des gegenw&auml;rtigen Krieges zu verstehen, ihr eigenes
Programm aufzustellen &#151; <EM>die Vereinigten Sozialistischen Staaten
der Welt</EM> &#151; und sich darauf vorzubereiten, das Ausbeuterregime
durch die Herrschaftsform der allgemeinen Koope<brk>ration zu
ersetzen.</P>
<P>Das ist das Programm der IV. Internationale. Es erscheint den
sogenannten Realisten, die die Logik der historischen Entwicklung
nicht verstehen, utopisch. Die IV. Internationale umfa&szlig;t jetzt
nur eine kleine Minderheit. Aber auch die Partei Lenins
repr&auml;sentierte zu Beginn des letzten Krieges eine unbedeutende
Minderheit und erntete nichts als Boshaftigkeiten von den billigen
Maulhelden.</P>
<P>Der Krieg ist eine harte Schule. In seinem Feuer werden die alten
Vorurteile und Sklavengewohnheiten ausgel&ouml;scht werden. Die
Nationen werden aus diesem Krieg anders herauskommen als sie
hineingegangen sind und werden unseren Planeten nach den Gesetzen der
Vernunft wiederaufbauen.</P>
<HR size="1">
Anmerkungen
<P><A NAME="Anm1" HREF="390905a.htm#ZAnm1"><SUP>Anm1</SUP></A>Trotzki bezieht sich hier auf seinen Artikel &raquo;Das deutsch-sowjetische B&uuml;ndnis&laquo; vom 4. September 1939. Siehe Trotzki <I>Writings 1939-40</I>, S. 81ff
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<SMALL>Verwendung zur Herstellung von Druckwerken oder f&uuml;r andere elektronische Publikationen auf Datentr&auml;gern oder im Netz nur nach R&uuml;cksprache. <A HREF="../../ies/kontakt.htm">Kontakt</A>
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