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<TITLE>Josef W. Stalin: Gegen die Vulgarisierung der Losung der Selbstkritik</TITLE>
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<BODY BGCOLOR="#ff8080">
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<big>Josef W. Stalin</big>
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<big>Gegen die Vulgarisierung der Losung der
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Selbstkritik</big>
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</H2>
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26. Juni 1928
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aus: Zu den Fragen des Leninismus, Fischer, 1970, Frankfurt am Main
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<I>[alle Hervorhebungen sind vom Autor]</I>
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Die Losung der Selbstkritik darf nicht als etwas Vorübergehendes und
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Schnellvergängliches betrachtet werden. Die Selbstkritik ist eine besondere
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Methode, eine bolschewistische Methode zur Erziehung der Parteikader sowie
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der Arbeiterklasse überhaupt im Geiste der revolutionären Entwicklung.
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Schon Marx sprach von der Selbstkritik als von einer Methode zur Stärkung
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der proletarischen Revolution. Was die Selbstkritik in unserer Partei betrifft,
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so geht der Beginn der Selbstkritik bis auf das Aufkommen des Bolschewismus
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in unserem Lande, bis auf die ersten Tage seines Entstehens als einer besonderen
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revolutionären Strömung in der Arbeiterbewegung zurück.
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Bekanntlich hat Lenin bereits im Frühjahr 1904, als die Bolschewiki
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noch keine selbständige politische Partei bildeten, sondern gemeinsam
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mit den Menschewiki innerhalb EINER sozialdemokratischen Partei wirkten -
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bekanntlich hat Lenin damals schon die Partei zur "Selbstkritik und
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rücksichtslosen Enthüllung der eigenen Mängel" aufgerufen.
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Folgendes schrieb Lenin damals in seiner Broschüre "Ein Schritt
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vorwärts, zwei Schritte zurück":
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"Sie (das heißt die Gegner der Marxisten. J. St.) feixen und sind
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schadenfroh über unsere Streitigkeiten; sie werden sich natürlich
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bemühen, einzelne Stellen aus meiner Broschüre, die den Mängeln
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und Unzulänglichkeiten unserer Partei gewidmet ist, für ihre Zwecke
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aus dem Zusammenhang zu reißen. Die russischen Sozialdemokraten haben
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bereits genügend im Kugelregen der Schlachten gestanden, um sich durch
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diese Nadelstiche nicht beirren zu lassen, um dessenungeachtet ihre Arbeit
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- SELBSTKRITIK UND RÜCKSICHTSLOSE ENTHÜLLUNG DER EIGENEN MÄNGEL
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- fortzusetzen, die durch das Wachstum der Arbeiterbewegung unbedingt und
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unvermeidlich ihre Überwindung finden werden. Die Herren Gegner aber
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mögen versuchen, uns ein Bild der WAHREN Sachlage in ihren `Parteien'
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zu zeigen, das auch nur im entferntesten an das Bild heranreicht, das die
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Protokolle unseres II. Parteitags wiedergeben!" (Bd. VI, S. 161.)
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Deshalb sind die Genossen ganz und gar im Unrecht, die da glauben, die
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Selbstkritik sei eine vorübergehende Erscheinung, eine Mode, von der
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man in kurzer Zeit ebenso abkommen wird, wie man gewöhnlich von jeder
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Mode abkommt. In Wirklichkeit ist die Selbstkritik eine nicht wegzudenkende
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und ständig wirkende Waffe in der Rüstkammer des Bolschewismus,
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ist sie mit der ganzen Natur des Bolschewismus, mit seinem revolutionären
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Geist untrennbar verbunden.
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Manchmal wird behauptet, die Selbstkritik sei eine gute Sache für die
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Partei, die noch nicht zur Macht gelangt ist und die "nichts zu verlieren"
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habe, die Selbstkritik sei jedoch gefährlich und schädlich für
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eine Partei, die bereits zur Macht gelangt ist, die von feindlichen Kräften
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umgeben ist und gegen die die Enthüllungen ihrer Schwächen von
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Feinden ausgenutzt werden können.
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Das ist falsch. Das ist absolut falsch! Im Gegenteil, gerade weil der
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Bolschewismus zur Macht gelangt ist, gerade weil die Bolschewiki durch die
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Erfolge unseres Aufbaus überheblich werden könnten, gerade weil
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die Bolschewiki ihre Schwächen übersehen und dadurch die Sache
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ihrer Feinde erleichtern könnten - gerade darum ist die Selbstkritik
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besonders jetzt, besonders nach der Eroberung der Macht vonnöten.
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Das Ziel der Selbstkritik ist die Aufdeckung und Ausmerzung unserer Fehler,
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unserer Schwächen - ist es etwa nicht klar, daß die Selbstkritik
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unter den Verhältnissen der Diktatur des Proletariats den Kampf des
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Bolschewismus gegen die Feinde der Arbeiterklasse nur erleichtern kann? Lenin
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zog diese Besonderheiten der Lage nach der Eroberung der Macht durch die
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Bolschewiki in Betracht, als er in seiner Schrift "Der `linke Radikalismus',
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die Kinderkrankheit im Kommunismus" im April / Mai 1920 schrieb:
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"Das Verhalten einer politischen Partei zu ihren Fehlern ist eines der
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wichtigsten und sichersten Kriterien für den Ernst einer Partei und
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für die TATSÄCHLICHE Erfüllung ihrer Pflichten gegenüber
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ihrer Klasse und den werktätigen Massen. EINEN FEHLER OFFEN ZUGEBEN,
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seine Ursachen aufdecken, die Umstände, die ihn hervorgerufen haben,
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analysieren, die Mittel zur Behebung des Fehlers sorgfältig prüfen
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- das ist das Merkmal einer ernsten Partei, das heißt Erfüllung
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ihrer Pflichten, das heißt Erziehung und Schulung der KLASSE und dann
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auch der MASSE." (4. Ausgabe, Bd. 31, S. 39 [deutsch in `Ausgewählte
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Werke' in zwei Bänden, Bd. II, S. 703])
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Lenin hatte tausendmal recht, als er auf dem XI. Parteitag im März 1922
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sagte:
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"Das Proletariat fürchtet nicht zuzugeben, daß ihm in der Revolution
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dies und jenes großartig gelungen, dies und jenes aber mißlungen
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ist. Alle revolutionären Parteien, die bisher zugrunde gegangen sind,
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gingen daran zugrunde, daß sie ÜBERHEBLICH WURDEN und nicht zu
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sehen vermochten, worin ihre Kraft bestand, daß sie FÜRCHTETEN,
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VON IHREN SCHWÄCHEN ZU SPRECHEN. Wir aber werden nicht zugrunde gehen,
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weil wir nicht fürchten, von unseren Schwächen zu sprechen, und
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es lernen werden, die Schwächen zu überwinden." (4. Ausgabe, Bd.
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33, S. 278, russ.)
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Daraus ergibt sich nur EINE Schlußfolgerung: Ohne Selbstkritik - keine
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richtige Erziehung der Partei, der Klasse, der Massen - kein Bolschewismus.
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Warum hat die Losung der Selbstkritik gerade jetzt, gerade im gegebenen
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historischen Augenblick, gerade im Jahre 1928 eine besonders aktuelle Bedeutung
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gewonnen?
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Weil die Verschärfung der Klassenbeziehungen sowohl auf der inneren
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als auch auf der äußeren Linie jetzt krasser als vor ein oder
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zwei Jahren zutage getreten ist.
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Weil die Wühlarbeit der Klassenfeinde der Sowjetmacht, die unsere
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Schwächen und unsere Fehler gegen die Arbeiterklasse unseres Landes
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ausnutzen, jetzt krasser als vor ein oder zwei Jahren in Erscheinung getreten
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ist.
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Weil die Lehren der Schachty-Affäre und der
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"Getreidebeschaffungsmanöver" der kapitalistischen Elemente des Dorfes
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plus unsere Fehler in der Planung an uns nicht spurlos vorübergehen
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können und nicht vorübergehen dürfen.
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Wollen wir die Revolution festigen und uneren Feinden gewappnet entgegentreten,
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so müssen wir uns SCHNELLSTENS von unseren Fehlern und Schwächen
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BEFREIEN, die durch die Schachty-Affäre und die Schwierigkeiten bei
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der Getreidebeschaffung aufgedeckt worden sind.
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Wollen wir nicht den Feinden der Arbeiterklasse zur Freude von allerhand
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"Überraschungen" und "Zufälligkeiten" überrumpelt werden,
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so müssen wir SCHNELLSTENS unsere NOCH NICHT AUFGEDECKTEN, jedoch zweifellos
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vorhandenen Schwächen und Fehler AUFDECKEN.
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Hier zaudern hieße die Arbeit unserer Feinde erleichtern, unsere
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Schwächen und Fehler vertiefen. Es ist jedoch unmöglich, all dies
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zu schaffen, ohne die Selbstkritik zu entfalten, ohne die Selbstkritik zu
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verstärken, ohne die Millionenmassen der Arbeiterklasse und der Bauernschaft
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zur Aufdeckung und Beseitigung unserer Schwächen und Fehler heranzuziehen.
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Das Aprilplenum des ZK und der ZKK war deshalb vollkommen im Recht, als es
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in seiner Resolution zur Schachty-Affäre erklärte: "Die Hauptbedingung
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zur Gewährleistung einer erfolgreichen Durchführung aller vorgesehenen
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Maßnahmen muß die TATSÄCHLICHE VERWIRKLICHUNG der Losung
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des XV. Parteitags über die Selbstkritik sein."
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Um jedoch die Selbstkritik entfalten zu können, muß vor allem
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eine ganze Reihe von Hindernissen, die der Partei im Wege stehen,
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überwunden werden. Hierzu gehören die kulturelle
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Rückständigkeit der Massen, der Mangel an kulturellen Kräften
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der proletarischen Vorhut, unsere Trägheit, unsere "kommunistische Hoffart"
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usw. Doch eins der ärgsten Hindernisse, wenn nicht das ärgste Hindernis
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überhaupt, ist der BÜROKRATISMUS unserer Apparate. Es handelt sich
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darum, daß innerhalb unserer Partei-, Staats-, Gewerkschafts-,
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Genossenschafts- und aller Art anderer Organisationen bürokratische
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Elemente vorhanden sind. Es handelt sich um die bürokratischen Elemente,
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die von unseren Schwächen und Fehlern leben, die die Kritik der Massen,
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die Kontrolle der Massen wie das Feuer fürchten und die uns hindern,
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die Selbstkritik zu entfalten, uns hindern, uns von unseren Schwächen,
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von unseren Fehlern zu befreien. Der Bürokratismus in unseren Organisationen
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ist nicht einfach als Amtsschimmel und Kanzleiwirtschaft zu betrachten. Der
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Bürokratismus ist eine Äußerung des bürgerlichen Einflusses
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auf unsere Organisation. Lenin hatte recht, als er sagte:
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<P>
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"... es ist notwendig, daß wir begreifen, daß der Kampf gegen
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den Bürokratismus ein ABSOLUT NOTWENDIGER Kampf und daß er ebenso
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kompliziert ist wie der Kampf gegen das kleinbürgerliche Element. Der
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Bürokratismus ist in unserer Staatsordnung so sehr zum wunden Punkt
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geworden, daß in unserem Parteiprogramm von ihm die Rede ist, und zwar
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deshalb, WEIL ER MIT DIESEM KLEINBÜRGERLICHEN ELEMENT UND SEINER
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ZERSPLITTERUNG IN ZUSAMMENHANG STEHT." (4. Ausgabe, Bd. 32, S. 167, russ.)
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<P>
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Mit um so größerer Beharrlichkeit muß der Kampf gegen den
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Bürokratismus unserer Organisation geführt werden, wenn wir die
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Selbstkritik wirklich entfalten und uns von den Gebrechen unseres Aufbaus
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befreien wollen.
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<P>
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Mit um so größerer Beharrlichkeit müssen wir die Millionenmassen
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der Arbeiter und Bauern zur Kritik VON UNTEN, zur Kontrolle VON UNTEN
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mobilisieren, die das wichtigste Gegengift gegen den Bürokratismus sind.
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<P>
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Lenin hatte recht, als er sagte: "Wenn wir den Kampf gegen den
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Bürokratismus führen wollen, so müssen wir die breiten Massen
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heranziehen, ... denn kann man den Bürokratismus etwa auf andere Weise
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beseitigen als durch Heranziehung der Arbeiter und Bauern?" (4. Ausgabe,
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Bd. 31, S. 398, russ.)
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<P>
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Um jedoch die Millionenmassen "heranzuziehen", gilt es, in allen
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Massenorganisationen der Arbeiterklasse und vor allem in der Partei selbst
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die proletarische Demokratie zu entfalten. Ohne diese Bedingung ist die
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Selbstkritik eine Null, ein Nichts, eine Phrase.
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<P>
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Wir brauchen nicht JEDWEDE Selbstkritik. Wir brauchen eine Selbstkritik,
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die das Kulturniveau der Arbeiterklasse hebt, ihren Kampfgeist entwickelt,
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ihren Siegesglauben festigt, ihre Kräfte vermehrt und ihr hilft, der
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wirkliche Herr des Landes zu werden.
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<P>
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Die einen meinen, wenn einmal Selbstkritik vorhanden ist, dann brauche man
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keine ARBEITSDISZIPLIN, dann könne man die Arbeit im Stich lassen und
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sich mit Geschwätz über alle möglichen Dinge befassen. Das
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wäre keine Selbstkritik, sondern eine Verhöhnung der Arbeiterklasse.
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Selbstkritik ist notwendig, nicht um die Arbeitsdisziplin zu zerstören,
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sondern um sie zu FESTIGEN, um sie zu einer BEWUSSTEN Arbeitsdisziplin zu
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machen, die der kleinbürgerlichen Schlamperei zu widerstehen vermag.
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<P>
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Andere meinen, wenn einmal Selbstkritik vorhanden ist, dann sei keine
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FÜHRUNG mehr erforderlich, dann könne man das Steuer verlassen
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und alles "dem natürlichen Lauf der Dinge" überlassen. Das wäre
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keine Selbstkritik, sondern eine Schmach. Selbstkritik ist notwendig, nicht
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um die Führung zu schwächen, sondern um sie ZU STÄRKEN, um
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sie aus einer papiernen und wenig autoritativen Führung in eine
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LEBENSVERBUNDENE und wirklich AUTORITATIVE Führung zu verwandeln.
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<P>
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Es gibt jedoch auch "Selbstkritik" anderer Art, eine "Selbstkritik", die
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zur ZERSTÖRUNG des Parteigeistes, zur DISKREDITIERUNG der Sowjetmacht,
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zur SCHWÄCHUNG unseres Aufbaus, zur ZERSETZUNG der Wirtschaftskader,
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zur ENTWAFFNUNG der Arbeiterklasse, zu einem Geschwätz über ENTARTUNG
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führt. Gerade zu einer solchen "Selbstkritik" hat uns gestern die
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trotzkistische Opposition aufgerufen. Es erübrigt sich zu sagen, daß
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die Partei mit dieser "Selbstkritik" nichts gemein hat. Es erübrigt
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sich zu sagen, daß die Partei mit allen Kräften, mit allen Mitteln
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gegen eine solche "Selbstkritik" kämpfen wird.
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<P>
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Man muß streng unterscheiden zwischen dieser uns FREMDEN, zersetzenden,
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antibolschewistischen "Selbstkritik" und UNSERER, der bolschewistischen
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Selbstkritik, deren Ziel es ist, den Parteigeist ZU PFLEGEN, die Sowjetmacht
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ZU FESTIGEN, unseren Aufbau ZU VERBESSERN, unsere Wirtschaftskader ZU
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STÄRKEN, die Arbeiterklasse ZU WAPPNEN.
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<P>
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Die Kampagne zur Verstärkung der Selbstkritik hat bei uns erst vor einigen
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Monaten begonnen. Uns fehlen noch die nötigen Unterlagen, um die erste
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Bilanz der Kampagne ziehen zu können. Doch schon jetzt kann man sagen,
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daß die Kampagne erfreuliche Ergebnisse zu zeitigen beginnt.
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<P>
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Es ist nicht zu leugnen, daß die Welle der Selbstkritik zu wachsen
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und sich zu verbreitern beginnt, daß sie immer breitere Schichten der
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Arbeiterklasse erfaßt und sie in den sozialistischen Aufbau einbezieht.
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Davon sprechen allein schon solche Tatsachen wie die Belebung der
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Produktionsberatungen und der zeitweiligen Kontrollkommissionen.
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<P>
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Zwar gibt es immer noch Versuche, begründete und überprüfte
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Hinweise der Produktionsberatungen und der zeitweiligen Kontrollkommissionen
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zu den Akten zu legen, wogegen der entschiedenste Kampf geführt werden
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muß, da solche Versuche das Ziel haben, den Arbeitern jede Lust zur
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Selbstkritik zu nehmen. Es besteht jedoch kaum ein Grund, daran zu zweifeln,
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daß künftig derartige bürokratische Versuche durch die
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anwachsende Welle der Selbstkritik restlos hinweggespült werden.
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<P>
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Man kann auch nicht abstreiten, daß unsere Wirtschaftskader im Ergebnis
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der Selbstkritik sich zusammennehmen, wachsamer werden, ernsthafter an die
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Fragen der Wirtschaftsführung heranzugehen beginnen und daß unsere
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Partei-, Sowjet-, Gewerkschafts- und alle möglichen anderen Kader
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hellhöriger werden, feinfühliger auf die Bedürfnisse der Massen
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reagieren.
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<P>
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Zwar darf man nicht annehmen, daß die innerparteiliche und überhaupt
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die Arbeiterdemokratie in den Massenorganisationen der Arbeiterklasse bereits
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voll verwirklicht ist. Es besteht jedoch kein Grund, daran zu zweifeln, daß
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diese Sache mit der weiteren Entfaltung der Kampagne vorangetrieben wird.
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<P>
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Man kann auch nicht abstreiten, daß unsere Presse im Ergebnis der
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Selbstkritik lebendiger und lebensverbundener geworden ist und daß
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solche Trupps unserer Zeitungsmitarbeiter wie die Organisationen der Arbeiter-
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und Bauernkorrespondenten sich bereits in eine ernste politische Kraft zu
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verwandeln beginnen.
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<P>
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Zwar gleitet unsere Presse immer noch hie und da an der Oberfläche,
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sie hat noch nicht gelernt, von einzelnen kritischen Bemerkungen zu einer
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tieferschürfenden Kritik überzugehen und von einer
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tiefschürfenden Kritik zur Verallgemeinerung der Ergebnisse der Kritik,
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zur Aufzeigung der ERRUNGENSCHAFTEN, die dank der Kritik in unserem Aufbau
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erzielt worden sind. Es ist jedoch kaum daran zu zweifeln, daß diese
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Arbeit im weiteren Verlauf der Kampagne vorangetrieben wird.
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<P>
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Es ist jedoch notwendig, neben den positiven die negativen Seiten unserer
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Kampagne hervorzuheben. Ich meine die Entstellungen der Losung der Selbstkritik,
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die jetzt schon, zu Beginn der Kampagne, zu verzeichnen sind und die, wenn
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nicht sofort dagegen angekämpft wird, die Gefahr einer Vulgarisierung
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der Selbstkritik heraufbeschwören.
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<P>
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</big>1. </big>Es ist vor allem notwendig, hervorzuheben, daß
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sich in einer Reihe von Presseorganen die Tendenz bemerkbar gemacht hat,
|
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die Kampagne von dem Boden einer sachlichen Kritik an den Mängeln unseres
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SOZIALISTISCHEN AUFBAUS auf den Boden eines Reklamegeschreis gegen
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Auswüchse IM PERSÖNLICHEN LEBEN überzuleiten. Das mag unglaublich
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erscheinen. Doch leider ist es Tatsache. Nehmen wir zum Beispiel die Zeitung
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"Wlastj Truda" [Macht der Arbeit], das Organ des Bezirkskomitees und
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Bezirksexekutivkomitees von Irkutsk (Nr. 128). Man findet dort eine ganze
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Seite, die von Reklame"losungen" strotzt wie: "Hemmungslosigkeit im
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Geschlechtsleben ist bürgerlich", "Ein Schnäpschen zieht das andere
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nach", "Das eigene Häuschen äugt nach der eigenen Kuh", "Banditen
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des Doppelbetts", "Ein Schuß, der nicht losging" usw. usf. Es fragt
|
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sich, was kann dieses "kritische", der "Birshowka" würdige Geschrei
|
|
mit der bolschewistischen Selbstkritik gemein haben, deren Ziel es ist, unseren
|
|
SOZIALISTISCHEN AUFBAU zu verbessern? Es ist wohl möglich, daß
|
|
der Verfasser dieser Reklamenotizen Kommunist ist. Es ist möglich, daß
|
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er von glühender Feindschaft gegen die "Klassenfeinde" der Sowjetmacht
|
|
erfüllt ist. Doch daß er hier vom richtigen Wege abirrt, die Losung
|
|
der Selbstkritik vulgarisiert und die Sprache NICHT UNSERER KLASSE spricht,
|
|
daran kann es keinen Zweifel geben.
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<P>
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|
</big>2.</BIG> </BIG>Es ist ferner notwendig, hervorzuheben, daß
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|
selbst die Presseorgane, denen, allgemein gesprochen, die Fähigkeit,
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|
richtig zu kritisieren, nicht abgeht - daß selbst sie sich mitunter
|
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zu einer Kritik UM DER KRITIK WILLEN verleiten lassen, die Kritik in einen
|
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SPORT, in SENSATIONSMACHEREI verwandeln. Nehmen wir zum Beispiel die
|
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"Komsomolskaja Prawda". Allbekannt sind die Verdienste der "Komsomolskaja
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|
Prawda" um die Entfaltung der Selbstkritik. Doch nehmen wir die letzten Nummern
|
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dieser Zeitung und sehen wir uns die "Kritik" an den Führern des Zentralrats
|
|
der Gewerkschaften der Sowjetunion an, die aus einer ganzen Reihe
|
|
unzulässiger Karikaturen über dieses Thema besteht. Es fragt sich,
|
|
wer braucht eine derartige "Kritik", und welche Ergebnisse kann sie zeitigen
|
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außer einer Kompromittierung der Losung der Selbstkritik? Wozu war
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eine derartige "Kritik" nötig, wenn man natürlich die Interessen
|
|
unseres sozialistischen Aufbaus im Auge hat und keine billige Sensation,
|
|
darauf berechnet, dem Spießer etwas zum Kichern zu bieten? Natürlich
|
|
erfordert die Selbstkritik den Einsatz aller Waffengattungen, darunter auch
|
|
der "leichten Kavallerie". Doch folgt etwa daraus, daß die leichte
|
|
Kavallerie eine LEICHTSINNIGE Kavallerie sein soll?
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<P>
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</big>3. </big>Es ist schließlich notwendig, hervorzuheben,
|
|
daß bei einer ganzen Reihe unserer Organisationen eine bestimmte Neigung
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|
besteht, die Selbstkritik IN EINE HETZE gegen unsere Wirtschaftler zu verwandeln,
|
|
sie zur DISKREDITIERUNG der Wirtschaftler in den Augen der Arbeiterklasse
|
|
auszunutzen. Es ist eine Tatsache, daß manche Organisationen in der
|
|
Ukraine und in Zentralrußland eine direkte HETZE gegen unsere BESTEN
|
|
Wirtschaftler begonnen haben, deren ganze Schuld darin besteht, daß
|
|
sie nicht hundertprozentig gegen Fehler gefeit sind. Wie wären sonst
|
|
die von den Organisationen gefaßten Beschlüsse über die Absetzung
|
|
dieser Wirtschaftler zu verstehen, Beschlüsse ohne jede bindende Kraft,
|
|
die jedoch offensichtlich darauf berechnet sind, die Wirtschaftler zu
|
|
diskreditieren? Wie wäre es sonst zu verstehen, daß man die
|
|
Wirtschaftler wohl kritisiert, aber ihnen nicht die Möglichkeit gibt,
|
|
auf die Kritik zu antworten? Seit wann wird bei uns ein "Schemjaka-Gericht"
|
|
für Selbstkritik ausgegeben?
|
|
<P>
|
|
Natürlich können wir nicht fordern, daß die Kritik
|
|
hundertprozentig richtig ist. Wenn die Kritik von unten kommt, dürfen
|
|
wir sogar eine Kritik, die nur zu 5-10 Prozent richtig ist, nicht unbeachtet
|
|
lassen. All dies ist richtig. Doch folgt etwa daraus, daß wir von den
|
|
Wirtschaftlern fordern sollen, daß sie hundertprozentig gegen Fehler
|
|
gefeit sind? Gibt es denn überhaupt Menschen, die hundertprozentig gegen
|
|
Fehler gefeit sind? Ist es denn schwer, zu verstehen, daß zur Heranbildung
|
|
von Wirtschaftskadern Jahre und nochmals Jahre erforderlich sind, daß
|
|
wir mit den Wirtschaftlern äußerst behutsam und sorgsam umgehen
|
|
müssen? Ist es denn schwer, zu verstehen, daß wir die Selbstkritik
|
|
nicht zu einer Hetze gegen die Wirtschaftskader, sondern zu ihrer Verbesserung
|
|
und Stärkung brauchen?
|
|
<P>
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|
Kritisiert die Mängel unseres Aufbaus, aber vulgarisiert nicht die Losung
|
|
der Selbstkritik und verwandelt sie nicht in ein Werkzeug für
|
|
Reklameübungen über Themen wie "Banditen des Doppelbetts", "Ein
|
|
Schuß, der nicht losging" und andere mehr.
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<P>
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|
Kritisiert die Mängel unseres Aufbaus, aber diskreditiert nicht die
|
|
Losung der Selbstkritik und verwandelt sie nicht in eine Garküche zur
|
|
Zubereitung billiger Sensationen.
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|
<P>
|
|
Kritisiert die Mängel unseres Aufbaus, aber entstellt nicht die Losung
|
|
der Selbstkritik und verwandelt sie nicht in ein Werkzeug der Hetze gegen
|
|
unsere Wirtschaftler und andere Funktionäre.
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<P>
|
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Und die Hauptsache: Ersetzt die Massenkritik VON UNTEN nicht durch "kritisches"
|
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Wortgeprassel VON OBEN, gebt den Massen der Arbeiterklasse die Möglichkeit,
|
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ihre Aktivität zu entfalten und zur Behebung unserer Mängel, zur
|
|
Verbesserung unseres Aufbaus ihre schöpferische Initiative zu offenbaren.
|
|
<P>
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|
<HR>
|
|
<P>
|
|
26. Juni 1928
|
|
<P>
|
|
<HR>
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|
</BODY></HTML>
|
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