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<title>"Neue Rheinische Zeitung" - Der Waffenstillstand mit Daenemark</title>
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<p align="center"><a href="me05_253.htm"><font size="2">Das "Fädreland" über den
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Waffenstillstand mit Dänemark</font></a> <font size="2">|</font> <a href=
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"../me_nrz48.htm"><font size="2">Inhalt</font></a> <font size="2">|</font> <a href=
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"me05_260.htm"><font size="2">Die Turiner "Concordia"</font></a></p>
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<small>Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx - Friedrich Engels - Werke, Band 5, S. 256-259<br>
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Dietz Verlag, Berlin/DDR 1971</small> <br>
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<h1>Der Waffenstillstand mit Dänemark</font></p>
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<p><font size="2">["Neue Rheinische Zeitung" Nr. 52 vom 22. Juli 1848]</font></p>
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<p><b><a name="S256"><256></a></b> **<i>Köln</i>, 21 Juli. Unsere Leser wissen es,
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wir haben den dänischen Krieg immer mit großer Kaltblütigkeit betrachtet. Wir
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haben ebensowenig eingestimmt in die tobenden Renommistereien der Nationalen, wie in die ewige
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Leier des schleswig-holstein-meerumschlungenen Strohenthusiasmus. Wir kannten unser Vaterland
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zu gut, wir wußten was es heißt, sich auf Deutschland verlassen.</p>
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<p>Die Ereignisse haben unsere Anschauungsweise vollständig gerechtfertigt. Die
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unverhinderte Eroberung Schleswigs durch die Dänen, die Wiedereroberung des Landes und der
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Zug nach Jütland, der Rückzug nach der Schlei, die abermalige Eroberung des
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Herzogtums bis zur Königsau - diese ganze unbegreifliche Führung des Kriegs von
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Anfang bis zu Ende hat es den Schleswigern bewiesen, welchen Schutz sie von dem
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revolutionierten, großen, starken, einigen usw. Deutschland, von dem angeblich
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souveränen Volk von 45 Millionen zu erwarten haben. Damit sie aber alle Lust verlieren,
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deutsch zu werden, damit ihnen die "dänische Unterdrückung" unendlich lieber werde
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als die "deutsche Freiheit", zu diesem Zweck hat Preußen im Namen des Deutschen Bundes
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den Waffenstillstand unterhandelt, den wir heute in buchstäblicher Übersetzung
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mitteilen.</p>
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<p>Wenn man einen Waffenstillstand schließt, so war es bisher üblich, daß
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beide Armeen ihre Stellung behaupteten und höchstens ein schmaler neutraler Strich
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zwischen sie gelegt wurde. In diesem Waffenstillstand, dem ersten Erfolg des "preußischen
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Waffenruhms", ziehen sich die siegreichen Preußen über 20 Meilen zurück, von
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Kolding bis diesseits Lauenburg, während die geschlagenen Dänen ihre Stellung bei
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Kolding behaupten und nur Alsen verlassen. Noch mehr: Wird der Waffenstillstand gekündigt,
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so rücken die Dänen wieder vor in die Stellungen, die sie am 24. Juni einnahmen, d.h.
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sie besetzen einen 6-7 Meilen breiten Streifen von Nordschleswig ohne Schwert- <a name=
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"S257"><b><257></b></a> streich wieder, einen Streifen, aus dem sie <i>zweimal</i>
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herausgeschlagen sind, während die Deutschen nur bis Apenrade und Umgegend wieder
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vorrücken dürfen. So wird "die Ehre der deutschen Waffen gewahrt" und dem durch
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viermalige Truppenüberschwemmung ausgesogenen Nordschleswig eine fünfte und sechste
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Überziehung in Aussicht gestellt!</p>
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<p>Damit noch nicht genug, wird ein Teil von Schleswig selbst während des
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Waffenstillstandes von dänischen Truppen besetzt werden. Schleswig wird nach Art. 8 von
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den Cadres der im Herzogtum ausgehobnen Regimenter okkupiert, d.h. teils von den schleswigschen
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Soldaten, die an der Bewegung sich beteiligt haben, teils von denen, die zu jener Zeit in
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Dänemark garnisonierten, gegen die provisorische Regierung in den Reihen der
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dänischen Armee gekämpft haben, von dänischen Offizieren kommandiert werden und
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in jeder Hinsicht <i>dänische</i> Truppen sind. Die dänischen Blätter sehen die
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Sache auch unter diesem Gesichtspunkt an:</p>
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<blockquote><p>"Unzweifelhaft", sagt "Fädrelandet" vom 13. Juli, "wird die Anwesenheit
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der <i>treuen</i> schleswigschen Truppen im Herzogtum bedeutend die Volksstimmung stärken,
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welche jetzt, nachdem das Land die Unglücksfälle des Krieges erfahren hat, sich mit
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Kraft gegen die Urheber dieser Unglücksfälle erheben wird."</p></blockquote>
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<p>Und nun gar die schleswig-holsteinische Bewegung! Sie wird von den Dänen ein
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<i>Aufruhr</i> genannt und von Preußen <i>als Aufruhr behandelt</i>. Die provisorische
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Regierung; die Preußen und der Deutsche Bund anerkannt haben, wird ohne Gnade geopfert;
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alle Gesetze, Verordnungen etc., die seit der Unabhängigkeit Schleswigs erlassen, treten
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außer Kraft; die aufgehobenen dänischen Gesetze treten dagegen wieder in
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Wirksamkeit. Kurz, die Antwort wegen der berühmten Note <i>Wildenbruchs</i>, die Herr
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Auerswald zu geben sich weigerte <siehe <a href="me05_178.htm#S180">"Berliner
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Vereinbarungdebatten" S. 180</a>> - diese Antwort befindet sich hier in Art. 7 des
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Waffenstillstandsprojekts. Alles was revolutionär an der Bewegung war, ist
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rücksichtslos vernichtet, und an die Stelle der aus der Revolution hervorgegangenen
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Regierung tritt eine legitime, durch drei legitime Fürsten ernannte Verwaltung. Die
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holsteinischen und schleswigschen Truppen werden wieder <i>dänisch kommandiert und
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dänisch gefuchtelt</i> werden, die holsteinischen und schleswigschen Schiffe bleiben nach
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wie vor "Dansk-Eiendom" <"dänisches Eigentum">, trotz der neuesten Verfügung
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der provisorischen Regierung.</p>
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<p>Und die beabsichtigte neue Regierung setzt dem allen erst die Krone auf. Man höre das
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"Fädrelandet":</p>
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<blockquote><p>"Wenn wir auch in dem beschränkten Wahlkreis für die
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dänisch-gewählten Mitglieder der neuen Regierung wahrscheinlich nicht die Vereinigung
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von Energie und <a name="S258"><b><258></b></a> Talent, Intelligenz und Erfahrung
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finden, die Preußen bei seiner Auswahl zu Gebote stehen werden" - so ist damit noch
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nichts verloren. "Die Mitglieder der Regierung müssen allerdings aus der Bevölkerung
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der Herzogtümer gewählt werden; aber niemand verbietet uns, ihnen Sekretäre und
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Helfer beizugeben, welche <i>anderswo geboren</i> und <i>ansässig</i> sind. In der Wahl
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dieser Sekretäre und Regierungsräte kann man ohne lokale Rücksicht nach
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Tüchtigkeit und Talent verfahren, und es ist nicht unwahrscheinlich, daß diese
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Männer bedeutenden Einfluß auf den ganzen Geist und Gang der Verwaltung haben
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werden. Ja, es werden hoffentlich selbst <i>hochstehende dänische Beamte</i> einen solchen
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in Rücksicht auf den Amtsrang untergeordneten Posten übernehmen; jeder gute Däne
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wird sich unter den gegenwärtigen Verhältnissen eine Ehre aus einer solchen Stellung
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machen."</p></blockquote>
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<p>Das ministerielle Blatt stellt also den Herzogtümern eine Überschwemmung nicht nur
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durch dänische Truppen, sondern auch durch dänische Beamte in Aussicht. Eine
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halbdänische Regierung wird in Rendsburg auf anerkanntem deutschem Bundesgebiete ihren
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Sitz aufschlagen.</p>
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<p>Das sind die Vorteile des Waffenstillstandes für Schleswig. Die Vorteile für
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Deutschland sind ebenso groß. Von der Aufnahme Schleswigs in den Bund wird kein Wort
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erwähnt, im Gegenteil der Bundesbeschluß durch die Zusammensetzung der neuen
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Regierung <i>förmlich desavouiert</i>. Der Deutsche Bund wählt für Holstein, der
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König von Dänemark von <i>Schleswig wegen</i>. Schleswig steht also unter
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dänischer, nicht unter deutscher Oberhoheit.</p>
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<p>Deutschland konnte sich in diesem dänischen Kriege wirklich ein Verdienst erwerben,
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indem es die Aufhebung des Sundzolls, dieser altfeudalen Räuberei, erzwang. Die deutschen
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Seestädte, durch die Blockade und durch die Aufbringung ihrer Schiffe gedrückt,
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würden diesen Druck gern noch länger ertragen haben, wenn die Aufhebung des Sundzolls
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erreicht worden wäre. Die Regierungen hatten auch überall verbreiten lassen, die
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Aufhebung des Sundzolls solle in jedem Fall erzwungen werden. Und was ist aus dieser Prahlerei
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geworden? England und Rußland wollen die Beibehaltung des Sundzolls, und das gehorsame
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Deutschland bescheidet sich natürlich.</p>
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<p>Daß gegen die Rückgabe der Schiffe die Erstattung der jütischen
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Requisitionen erfolgt, versteht sich von selbst nach dem Grundsatz, daß Deutschland reich
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genug ist, seinen Ruhm zu bezahlen.</p>
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<p>Das sind die Vorteile, welche das Ministerium Hansemann dem deutschen Volk in diesem
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Waffenstillstandsprojekt darbietet! Das sind die Früchte eines dreimonatlichen Kampfes
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gegen ein kleines Völkchen von 1<font size="-1"><sup>1</sup></font>/<font size=
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"-2">2</font> Millionen! Das ist das Resultat aller Großprahlereien unserer nationalen
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Blätter, unserer gewaltigen Dänenfresser!</p>
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<p>Wie man hört, wird der Waffenstillstand nicht abgeschlossen werden. Der General
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Wrangel, durch Beseler aufgemuntert, hat sich definitiv geweigert, <a name=
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"S259"><b><259></b></a> ihn zu unterzeichnen, trotz aller Bitten des Grafen
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Pourtalès, der ihm Auerswalds Befehl dazu brachte, trotz aller Erinnerungen an seine
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Pflicht als preußischer General. Wrangel erklärte, er stehe vor allem unter den
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Befehlen der deutschen Zentralgewalt, und diese werde nicht einwilligen, wenn nicht die jetzige
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Stellung der Armeen beibehalten und die provisorische Regierung bis zum Frieden bleiben
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werde.</p>
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<p>So wird das preußische Projekt wohl nicht zur Ausführung kommen, aber interessant
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bleibt es trotzdem als Beweis, wie Preußen, wenn es sich an die Spitze stellt, die Ehre
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und die Interessen Deutschlands zu wahren versteht.</p>
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<p><font size="2">Geschrieben von Friedrich Engels.</font></p>
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