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2022-08-25 20:29:11 +02:00

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Raw Blame History

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<TITLE>Friedrich Engels - Die Bauernfrage in Frankreich und Deutschland</TITLE>
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<META name="description" content="Die Bauernfrage in Frankreich und Deutschland">
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<TD ALIGN="center" width="299" height=20 valign=middle bgcolor="#99CC99"><A HREF="http://www.mlwerke.de/index.shtml"><FONT size="2" color="#006600">MLWerke</FONT></A></TD>
<TD ALIGN="center" width="299" height=20 valign=middle bgcolor="#99CC99"><A href="../default.htm"><FONT size=2 color="#006600">Marx/Engels - Werke</FONT></A></TD>
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<TD valign="top"><SMALL>Seitenzahlen verweisen auf: </SMALL></TD>
<TD><SMALL>&nbsp;&nbsp;</SMALL></TD>
<TD><SMALL>Karl Marx/Friedrich Engels - Werke. (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Band 22, 3. Auflage 1972, unver&auml;nderter Nachdruck der 1. Auflage 1963, Berlin/DDR. S. 483-505.</SMALL></TD>
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<TD><SMALL>Korrektur:</SMALL></TD>
<TD><SMALL>&nbsp;&nbsp;</SMALL></TD>
<TD><SMALL>1</SMALL></TD>
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<TD><SMALL>Erstellt:</SMALL></TD>
<TD><SMALL>&nbsp;&nbsp;</SMALL></TD>
<TD><SMALL>06.04.1999</SMALL></TD>
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</TABLE>
<H2>Friedrich Engels</H2>
<H1>Die Bauernfrage in Frankreich und Deutschland</H1>
<FONT SIZE=2><P>Geschrieben zwischen dem 15. und 22. November 1894.</P>
<P>Nach: "Die Neue Zeit", Nr. 10, 13. Jahrgang, I. Band, 1894-1895.</P>
</FONT><P><HR size="1"></P>
<B><P><A NAME="S485">|485|</A></B> Die b&uuml;rgerlichen und reaktion&auml;ren Parteien wundern sich ungemein, da&szlig; jetzt pl&ouml;tzlich und &uuml;berall bei den Sozialisten die Bauernfrage auf die Tagesordnung kommt. Sie sollten sich, von Rechts wegen, wundern, da&szlig; dies nicht l&auml;ngst geschehn. Von Irland bis Sizilien, von Andalusien bis Ru&szlig;land und Bulgarien ist der Bauer ein sehr wesentlicher Faktor der Bev&ouml;lkerung, der Produktion und der politischen Macht. Nur zwei westeurop&auml;ische Gebiete bilden eine Ausnahme. Im eigentlichen Gro&szlig;britannien hat Gro&szlig;grundbesitz und gro&szlig;e Agrikultur den selbstwirtschaftenden Bauer total verdr&auml;ngt; im ostelbischen Preu&szlig;en ist derselbe Proze&szlig; seit Jahrhunderten im Gang, und auch hier wird der Bauer mehr und mehr entweder "gelegt" oder doch &ouml;konomisch und politisch in den Hintergrund gedr&auml;ngt.</P>
<P>Als politischer Machtfaktor bew&auml;hrt sich der Bauer bisher meist nur durch seine in der Isolierung des Landlebens begr&uuml;ndete Apathie. Diese Apathie der gro&szlig;en Masse der Bev&ouml;lkerung ist die st&auml;rkste St&uuml;tze nicht nur der parlamentarischen Korruption in Paris und Rom, sondern auch des russischen Despotismus. Aber sie ist durchaus nicht un&uuml;berwindlich. Seit dem Entstehen der Arbeiterbewegung ist es in Westeuropa, besonders da, wo das b&auml;uerliche Parzelleneigentum vorherrscht, den Bourgeois nicht eben schwer geworden, der Bauernphantasie die sozialistischen Arbeiter als partageux, als "Teiler" verd&auml;chtig und verha&szlig;t zu machen, als faule, gierige St&auml;dter, die auf das Bauerneigentum spekulieren. Die unklaren sozialistischen Aspirationen der Februarrevolution 1848 wurden durch die reaktion&auml;ren Stimmzettel der franz&ouml;sischen Bauern rasch aus dem Weg geschafft; der Bauer, der seine Ruh' haben wollte, holte nun noch aus dem Schatz seiner Erinnerungen die Legende vom Bauernkaiser Napoleon hervor und schuf das Zweite Kaiserreich. Wir alle wissen, was diese eine <A NAME="S486"><B>|486|</A></B> Bauerntat dem franz&ouml;sischen Volk gekostet hat; an ihren Folgen laboriert es noch heut.</P>
<P>Seit jener Zeit aber hat sich manches ge&auml;ndert. Die Entwicklung der kapitalistischen Produktionsform hat dem Kleinbetrieb in der Landwirtschaft den Lebensnerv abgeschnitten; er verf&auml;llt und verkommt unrettbar. Die Konkurrenz Nord- und S&uuml;damerikas und Indiens hat den europ&auml;ischen Markt mit wohlfeilem Getreide &uuml;berschwemmt, so wohlfeil, da&szlig; kein einheimischer Produzent damit konkurrieren kann. Gro&szlig;grundbesitzer und Kleinbauer sehn beide gleichm&auml;&szlig;ig den Untergang vor Augen. Und da sie beide Grundbesitzer und Landleute sind, wirft sich der Gro&szlig;grundbesitzer zum Vork&auml;mpfer der Interessen des Kleinbauern auf, und der Kleinbauer - im ganzen und gro&szlig;en - akzeptiert diesen Vork&auml;mpfer.</P>
<P>Inzwischen aber ist im Westen eine m&auml;chtige sozialistische Arbeiterpartei herangewachsen. Die dunklen Ahnungen und Gef&uuml;hle aus der Zeit der Februarrevolution haben sich gekl&auml;rt, ausgeweitet, vertieft zu einem allen wissenschaftlichen Anspr&uuml;chen gen&uuml;genden Programm mit bestimmten handgreiflichen Forderungen; diese Forderungen werden vertreten im deutschen, im franz&ouml;sischen, im belgischen Parlament von einer stets wachsenden Zahl sozialistischer Abgeordneten. Die Eroberung der politischen Macht durch die sozialistische Partei ist in absehbare N&auml;he ger&uuml;ckt. Um aber die politische Macht zu erobern, mu&szlig; diese Partei vorher von der Stadt aufs Land gehn, mu&szlig; eine Macht werden auf dem Land. Sie, die vor allen andern Parteien voraus hat die klare Einsicht in den Zusammenhang der &ouml;konomischen Ursachen mit den politischen Folgen, die also auch die Wolfsgestalt unter dem Schafspelz des gro&szlig;grundherrlichen zudringlichen Bauernfreunds l&auml;ngst ersp&auml;ht hat - darf sie den dem Untergang geweihten Bauern ruhig in den H&auml;nden seiner falschen Besch&uuml;tzer lassen, bis er aus einem passiven in einen aktiven Gegner der industriellen Arbeiter verwandelt wird? Und damit sind wir inmitten der Bauernfrage.</P>
<H3 ALIGN="CENTER"><A NAME="Kap_I">I</A></H3>
<B><P><A NAME="S487">|487|</A></B> Die Landbev&ouml;lkerung, an die wir uns wenden k&ouml;nnen, besteht aus sehr verschiednen Bestandteilen, die je nach den einzelnen Gegenden wieder sehr verschiedner Art sind.</P>
<P>Im Westen Deutschlands, wie in Frankreich und Belgien, herrscht die kleine Kultur von Parzellenbauern vor, die in der Mehrzahl Eigent&uuml;mer, in der Minderzahl P&auml;chter ihrer Landst&uuml;cke sind.</P>
<P>Im Nordwesten - Niedersachsen und Schleswig-Holstein - gibt es vorwiegend gro&szlig;e und Mittelbauern, die ohne Knechte und M&auml;gde und selbst Tagl&ouml;hner nicht fertig werden. Ebenso in einem Teil von Bayern.</P>
<P>Im ostelbischen Preu&szlig;en und Mecklenburg haben wir das Gebiet des gro&szlig;en Grundbesitzes und der gro&szlig;en Kultur mit Hofgesinde, Instleuten und Tagl&ouml;hnern, dazwischen Klein- und Mittelbauern in relativ schwacher und stets abnehmender Proportion.</P>
<P>In Mitteldeutschland finden sich alle diese Betriebs- und Besitzformen je nach der Lokalit&auml;t in verschiedenen Verh&auml;ltnissen gemischt, ohne bestimmtes Vorherrschen der einen oder &auml;ndern auf einer gr&ouml;&szlig;eren Fl&auml;che.</P>
<P>Au&szlig;erdem gibt es Gegenden von verschiedner Ausdehnung, wo das eigne oder gepachtete Ackerland zur Ern&auml;hrung der Familie nicht ausreicht, sondern nur als Grundlage dient f&uuml;r den Betrieb einer Hausindustrie und dieser letzteren die sonst unbegreiflichen, niedrigen L&ouml;hne sicherstellt, welche den Produkten, gegen&uuml;ber aller fremden Konkurrenz, stetigen Absatz verschaffen.</P>
<P>Welche von diesen Unterabteilungen der Landbev&ouml;lkerung k&ouml;nnen f&uuml;r die sozialdemokratische Partei gewonnen werden? Wir untersuchen diese Frage selbstredend nur in ihren gro&szlig;en Z&uuml;gen; wir nehmen nur die scharf ausgepr&auml;gten Formen heraus; zur Ber&uuml;cksichtigung der Mittelstufen und gemischten Landbev&ouml;lkerungen fehlt uns der Raum.</P>
<P>Fangen wir an mit dem Kleinbauer. Er ist nicht nur f&uuml;r Westeuropa im <A NAME="S488"><B>|488|</A></B> allgemeinen von allen Bauern der wichtigste, sondern er liefert uns auch den f&uuml;r die ganze Frage kritischen Fall. Sind wir uns &uuml;ber unsre Stellung zum Kleinbauern klar, so haben wir alle Anhaltspunkte zur Bestimmung unsrer Haltung gegen&uuml;ber den andern Bestandteilen des Landvolks.</P>
<P>Unter Kleinbauer verstehen wir hier den Eigent&uuml;mer oder P&auml;chter - namentlich den ersteren - eines St&uuml;ckchens Land, nicht gr&ouml;&szlig;er, als er mit seiner eignen Familie in der Regel bebauen kann, und nicht kleiner, als was die Familie ern&auml;hrt. Dieser Kleinbauer, wie der kleine Handwerker, ist also ein Arbeiter, der sich vom modernen Proletarier dadurch unterscheidet, da&szlig; er noch im Besitz seiner Arbeitsmittel ist; also ein &Uuml;berbleibsel einer vergangnen Produktionsweise. Von seinem Vorfahren, dem leibeignen, h&ouml;rigen oder sehr ausnahmsweise auch freien zins- und fronpflichtigen Bauern, unterscheidet er sich dreifach. Erstens dadurch, da&szlig; die franz&ouml;sische Revolution ihn von den feudalen Lasten und Diensten, die er dem Grundherrn schuldete, befreit und in der Mehrzahl der F&auml;lle, wenigstens auf dem linken Rheinufer, ihm sein Bauerngut als freies Eigen &uuml;berantwortet hat. - Zweitens dadurch, da&szlig; er den Schutz und die Beteiligung an der selbstverwaltenden Markgenossenschaft und damit seinen Anteil an den Nutzungen der fr&uuml;heren gemeinen Mark verloren hat. Die gemeine Mark ist teils vom ehemaligen Feudalherrn, teils durch aufgekl&auml;rt-r&ouml;mischrechtlich-b&uuml;rokratische Gesetzgebung wegeskamotiert und dem modernen Kleinbauern damit die M&ouml;glichkeit entzogen, sein Arbeitsvieh ohne gekauftes Futter zu ern&auml;hren. &Ouml;konomisch wiegt aber der Verlust der Marknutzungen den Wegfall der Feudallasten &uuml;berreichlich auf; die Zahl der Bauern, die kein eignes Arbeitsvieh halten k&ouml;nnen, w&auml;chst fortw&auml;hrend. - Drittens unterscheidet der heutige Bauer sich durch den Verlust der H&auml;lfte seiner fr&uuml;heren produktiven T&auml;tigkeit. Fr&uuml;her erzeugte er mit seiner Familie aus selbsterzeugtem Rohstoff den gr&ouml;&szlig;ten Teil der Industrieprodukte, deren er bedurfte; was sonst noch n&ouml;tig, besorgten Dorfnachbarn, die Handwerk neben dem Landbau betrieben und meist in Tauschartikeln oder Gegendiensten bezahlt wurden. Die Familie und noch mehr das Dorf gen&uuml;gte sich selbst, produzierte fast alles, was es brauchte. Es war fast reine Naturalwirtschaft, Geld wurde fast gar nicht ben&ouml;tigt. Die kapitalistische Produktion hat dem ein Ende gemacht vermittelst der Geldwirtschaft und der gro&szlig;en Industrie. War aber die Marknutzung die eine Grundbedingung seiner Existenz, so war der industrielle Nebenbetrieb die andere. Und so sinkt der Bauer immer tiefer. Steuern, Mi&szlig;wachs, Erbteilungen, Prozesse treiben einen Bauer nach dem andern zum Wucherer, die Verschuldung wird immer allgemeiner und f&uuml;r jeden einzelnen immer <A NAME="S489"><B>|489|</A></B> tiefer - kurz, unser Kleinbauer ist wie jeder &Uuml;berrest einer vergangnen Produktionsweise unrettbar dem Untergang verfallen. Er ist ein zuk&uuml;nftiger Proletarier.</P>
<P>Als solcher sollte er der sozialistischen Propaganda offne Ohren leihen. Daran aber verhindert ihn einstweilen noch sein eingefleischter Eigentumssinn. Je schwerer ihm der Kampf wird um sein gef&auml;hrdetes Fetzchen Land, mit desto gewaltsamerer Verzweiflung klammert er sich daran fest, um so mehr sieht er im Sozialdemokraten, der von &Uuml;berweisung des Grundeigentums an die Gesamtheit spricht, einen ebenso gef&auml;hrlichen Feind wie im Wucherer und Advokaten. Wie soll die Sozialdemokratie dies Vorurteil &uuml;berwinden? Was kann sie dem untergehenden Kiembauer bieten, ohne sich selbst untreu zu werden?</P>
<P>Hier finden wir einen praktischen Anhaltspunkt im Agrarprogramm der franz&ouml;sischen Sozialisten marxistischer Richtung, das um so beachtenswerter ist, weil es aus dem klassischen Land der Kleinbauernwirtschaft kommt.</P>
<P>Auf dem Marseiller Kongre&szlig; 1892 wurde das erste Agrarprogramm der Partei angenommen. Es verlangt f&uuml;r die besitzlosen l&auml;ndlichen <I>Arbeiter</I> (also Tagl&ouml;hner und Hofgesinde): Minimallohn, durch Fachvereine und Gemeinder&auml;te festgesetzt; l&auml;ndliche Gewerbegerichte, zur H&auml;lfte aus Arbeitern bestehend; Verbot des Verkaufs von Gemeindeland und Verpachtung der Staatsdom&auml;nen an die Gemeinden, die dies s&auml;mtliche eigne und gepachtete Land an Assoziationen besitzloser Landarbeiterfamilien zur gemeinsamen Bebauung, unter Verbot der Anwendung von Lohnarbeitern und unter Kontrolle der Gemeinde, vermieten sollen; Alters- und Invalidit&auml;tspensionen, bestritten durch eine besondre Steuer auf das Gro&szlig;grundeigentum.</P>
<P>F&uuml;r die <I>Kleinbauern</I>, worunter hier noch die P&auml;chter speziell ber&uuml;cksichtigt werden, wird gefordert: Anschaffung von landwirtschaftlichen Maschinen durch die Gemeinde, zur Vermietung zum Kostpreis an die Bauern; Bildung b&auml;uerlicher Genossenschaften zum Ankauf von D&uuml;nger, Drainr&ouml;hren, Aussaat etc. und zum Verkauf der Produkte; Aufhebung der Steuer auf den Eigentumswechsel von Grundbesitz, wenn der Wert nicht &uuml;ber 5.000 frs. betr&auml;gt; schiedsrichterliche Kommissionen nach irischem Muster zur Herabsetzung &uuml;berm&auml;&szlig;iger Pachtpreise und zur Entsch&auml;digung der abtretenden P&auml;chter und Teilp&auml;chter (metayers) f&uuml;r durch sie erwirkte Wertsteigerung des Grundst&uuml;cks; Abschaffung des Art. 2102 des Code civil, der dem Grundeigent&uuml;mer ein Pfandrecht auf die Ernte gibt, und Abschaffung des Rechts der Gl&auml;ubiger, die wachsende Ernte zu pf&auml;nden; <A NAME="S490"><B>|490|</A></B> Feststellung eines unpf&auml;ndbaren Bestands von Ackerger&auml;t, Ernte, Aussaat, D&uuml;nger, Arbeitsvieh, kurz von allem, was dem Bauern zum Betrieb seines Gesch&auml;fts unumg&auml;nglich ist; Revision des l&auml;ngst veralteten allgemeinen Landeskatasters und bis dahin lokale Revision in jeder Gemeinde; endlich unentgeltlichen landwirtschaftlichen Fortbildungsunterricht und landwirtschaftliche Versuchsstationen.</P>
<P>Man sieht, die Forderungen im Interesse der Bauern - die zugunsten der Arbeiter gehn uns hier einstweilen nichts an - sind nicht sehr weitgehend. Ein Teil davon ist anderw&auml;rts schon durchgef&uuml;hrt. Die P&auml;chter-Schiedsgerichte berufen sich ausdr&uuml;cklich auf irisches Vorbild. Die b&auml;uerlichen Genossenschaften bestehn schon in den Rheinlanden. Die Katasterrevision ist in ganz Westeuropa ein stehender frommer Wunsch aller Liberalen und selbst B&uuml;rokraten. Auch die &uuml;brigen Punkte k&ouml;nnten durchgef&uuml;hrt werden, ohne der bestehenden kapitalistischen Ordnung wesentlichen Schaden zu tun. Dies einfach zur Charakterisierung des Programms;</P>
<P>ein Vorwurf liegt nicht dann, im Gegenteil.</P>
<P>Mit diesem Programm machte die Partei bei den Bauern der verschiedensten Gegenden Frankreichs so gute Gesch&auml;fte, da&szlig; - der Appetit kommt ja mit dem Essen - man sich gedrungen f&uuml;hlte, es noch weiter dem Geschmack der Bauern anzupassen. Man f&uuml;hlte allerdings, da&szlig; man sich da auf gef&auml;hrlichen Boden begab. Wie sollte man dem Bauer helfen k&ouml;nnen, dem Bauer nicht als zuk&uuml;nftigem Proletarier, sondern als gegenw&auml;rtigem besitzenden Bauer, ohne die Grundprinzipien des allgemeinen sozialistischen Programms zu verletzen? Um diesem Einwand zu begegnen, leitete man die neuen praktischen Vorschl&auml;ge ein mit einer theoretischen Motivierung, welche nachzuweisen sucht, da&szlig; es im Prinzip des Sozialismus liegt, das kleinb&auml;uerliche Eigentum gegen den Untergang durch die kapitalistische Produktionsweise zu sch&uuml;tzen, obwohl man selbst vollkommen einsieht, da&szlig; dieser Untergang unvermeidlich ist. Diese Motivierung wie die Forderungen selbst, die im September d.J. auf dem Kongre&szlig; von Nantes angenommen wurden, wollen wir uns jetzt n&auml;her ansehn.</P>
<P>Die Motivierung beginnt:</P>
<FONT SIZE=2><P>"In Erw&auml;gung, da&szlig; nach dem Wortlaut des allgemeinen Programms der Partei die Produzenten frei sein k&ouml;nnen nur soweit sie sich im Besitz der Produktionsmittel befinden;</P>
<P>in Erw&auml;gung, da&szlig; zwar auf dem Gebiet der Industrie diese Produktionsmittel bereits bis zu dem Grad kapitalistisch zentralisiert sind, da&szlig; sie den Produzenten nur in gemeinschaftlicher oder gesellschaftlicher Form zur&uuml;ckgegeben werden k&ouml;nnen; da&szlig; dies aber - wenigstens im heutigen Frankreich - auf dem Gebiet des Landbaus keines- <A NAME="S491"><B>|491|</A></B> wegs der Fall ist, das Produktionsmittel, n&auml;mlich der Boden, vielmehr noch in sehr vielen Orten sich als Einzelbesitz in den H&auml;nden der einzelnen Produzenten befindet;</P>
<P>in Erw&auml;gung, da&szlig;, wenn dieser durch das Parzelleneigentum charakterisierte Zustand unrettbar dem Untergang geweiht ist (est fatalement appel&eacute; &agrave; dispara&icirc;tre), dennoch der Sozialismus diesen Untergang nicht zu beschleunigen hat, da ja seine Aufgabe nicht darin besteht, das Eigentum von der Arbeit zu scheiden, sondern im Gegenteil in denselben H&auml;nden diese beiden Faktoren aller Produktion zu vereinigen, Faktoren, deren Trennung die Knechtschaft und das Elend der zu Proletariern herabgedr&uuml;ckten Arbeiter zur Folge hat;</P>
<P>in Erw&auml;gung, da&szlig;, wenn es einerseits die Pflicht des Sozialismus ist, die Ackerbauproletarier wieder in den Besitz - in gemeinschaftlicher oder gesellschaftlicher Form - der gro&szlig;en Dom&auml;nen zu setzen, nach Enteignung der jetzigen m&uuml;&szlig;igen Eigent&uuml;mer derselben, es andrerseits seine nicht weniger gebieterische Pflicht ist, die selbstarbeitenden Bauern im Besitz ihrer Landst&uuml;ckchen zu erhalten gegen&uuml;ber dem Fiskus, dem Wucher und den Eingriffen der neuerstandnen gro&szlig;en Grundherren;</P>
<P>in Erw&auml;gung, da&szlig; es angemessen ist, diesen Schutz auszudehnen auf die Produzenten, die unter dem Namen P&auml;chter oder Teilp&auml;chter (metayers) fremdes Land bebauen und die, wenn sie Tagl&ouml;hner ausbeuten, dazu gewisserma&szlig;en gezwungen sind durch die an ihnen selbst ver&uuml;bte Ausbeutung -</P>
<P>hat die Arbeiterpartei - die, im Gegensatz zu den Anarchisten, f&uuml;r die Umgestaltung der gesellschaftlichen Ordnung nicht auf die Steigerung und Ausbreitung des Elends rechnet, sondern die Befreiung der Arbeit und der Gesellschaft &uuml;berhaupt nur erwartet von der Organisation und den gemeinsamen Anstrengungen der Arbeiter sowohl des Landes wie der St&auml;dte, von ihrer Besitzergreifung der Regierung und der Gesetzgebung - das folgende Agrarprogramm angenommen, um dadurch alle Elemente der l&auml;ndlichen Produktion, alle T&auml;tigkeiten, die unter verschiedenen Rechtstiteln den nationalen Grund und Boden verwerten, zusammenzubringen in demselben Kampf gegen den gemeinsamen Feind: die Feudalit&auml;t des Grundbesitzes."</P>
</FONT><P>Sehen wir uns nun diese "Erw&auml;gungen" etwas n&auml;her an. Zun&auml;chst mu&szlig; der Satz des franz&ouml;sischen Programms, da&szlig; die Freiheit der Produzenten den Besitz der Produktionsmittel voraussetzt, erg&auml;nzt werden durch die gleich darauf folgenden: da&szlig; der Besitz der Produktionsmittel nur in zwei Formen m&ouml;glich ist: entweder als Einzelbesitz, welche Form nie und nirgends allgemein f&uuml;r die Produzenten bestanden hat und t&auml;glich mehr durch den industriellen Fortschritt unm&ouml;glich gemacht wird; oder aber als Gemeinbesitz, eine Form, deren materielle und intellektuelle Voraussetzungen schon durch die Entwicklung der kapitalistischen Gesellschaft selbst hergestellt worden sind; da&szlig; also die <I>gemeinschaftliche</I> Besitzergreifung der Produktionsmittel zu erk&auml;mpfen ist mit allen dem Proletariat zur Verf&uuml;gung stehenden Mitteln.</P>
<B><P><A NAME="S492">|492|</A></B> Der Gemeinbesitz der Produktionsmittel wird also hier als einziges zu erstrebendes Hauptziel aufgestellt. Nicht nur f&uuml;r die Industrie, wo der Boden schon vorbereitet ist, sondern allgemein, also auch f&uuml;r die Agrikultur. Der Einzelbesitz hat nach dem Programm nie und nirgends allgemein f&uuml;r alle Produzenten gegolten; ebendeshalb, und weil der industrielle Fortschritt ihn ohnehin beseitigt, hat der Sozialismus kein Interesse an seiner Aufrechterhaltung, wohl aber an seiner Beseitigung; denn da, wo und soweit er besteht, macht er den Gemeinbesitz unm&ouml;glich. Wenn wir uns einmal auf das Programm berufen, dann auch auf das ganze Programm, das den in Nantes zitierten Satz sehr bedeutend modifiziert, indem es die darin ausgesprochene allgemein-geschichtliche Wahrheit erst in die Bedingungen fa&szlig;t, unter denen allein sie heute in Westeuropa und Nordamerika eine Wahrheit bleiben kann.</P>
<P>Der Besitz der Produktionsmittel durch die einzelnen Produzenten verleiht heutzutage diesen Produzenten keine wirkliche Freiheit mehr. Das Handwerk in den St&auml;dten ist schon ruiniert, in Gro&szlig;st&auml;dten wie London ist es sogar schon total verschwunden, ersetzt durch Gro&szlig;industrie, <A HREF="../me23/me23_574.htm#S576">Schwitzsystem</A> und elende Pfuscher, die vom Bankerott leben. Der selbstwirtschaftende Kleinbauer ist weder im sichern Besitz seines St&uuml;ckchens Land, noch ist er frei. Er wie sein Haus, sein Hof, seine paar Felder geh&ouml;ren dem Wucherer; seine Existenz ist unsicherer als die des Proletariers, der wenigstens dann und wann ruhige Tage erlebt, was dem gepeinigten Schuldsklaven nie vorkommt. Streicht den Artikel 2102 des B&uuml;rgerlichen Gesetzbuchs, sichert dem Bauern durchs Gesetz einen unpf&auml;ndbaren Bestand an Ackerger&auml;t, Vieh etc.; gegen eine Zwangslage, worin er sein Vieh "freiwillig" selbst verkaufen, wo er sich mit Leib und Seele dem Wucherer verschreiben mu&szlig; und froh ist, sich eine Galgenfrist zu erkaufen, k&ouml;nnt ihr ihn nicht sichern. Euer Versuch, den Kleinbauern in seinem Eigentum zu sch&uuml;tzen, sch&uuml;tzt nicht seine Freiheit, sondern nur die besondere Form seiner Knechtschaft; sie verl&auml;ngert eine Lage, worin er weder leben noch sterben kann; die Berufung auf den ersten Absatz eures Programms ist also hier keineswegs am Platz.</P>
<P>Die Motivierung sagt, im heutigen Frankreich befinde sich das Produktionsmittel, n&auml;mlich der Boden, noch an sehr vielen Orten als Einzelbesitz in den H&auml;nden der einzelnen Produzenten; die Aufgabe des Sozialismus aber sei nicht, das Eigentum von der Arbeit zu scheiden, sondern im <A NAME="S493"><B>|493|</A></B> Gegenteil, diese beiden Faktoren aller Produktion in denselben H&auml;nden zu vereinigen. - Wie bereits angedeutet, ist letzteres in dieser Allgemeinheit keineswegs die Aufgabe des Sozialismus; seine Aufgabe ist vielmehr nur die &Uuml;bertragung der Produktionsmittel an die Produzenten als <I>Gemeinbesitz</I>. Sobald wir dies aus den Augen lassen, f&uuml;hrt uns obiger Satz direkt in die Irre, n&auml;mlich dahin, da&szlig; der Sozialismus berufen sei, das jetzige Scheineigentum des kleinen Bauern an seinen Feldern in wirkliches zu verwandeln, also den kleinen P&auml;chter in einen Eigent&uuml;mer und den verschuldeten in einen schuldenfreien Eigent&uuml;mer. Der Sozialismus hat allerdings ein Interesse daran, da&szlig; dieser falsche Schein des b&auml;uerlichen Eigentums verschwinde; aber nicht auf diese Art.</P>
<P>Jedenfalls sind wir nun so weit, da&szlig; die Motivierung es schlankweg f&uuml;r die Pflicht des Sozialismus erkl&auml;ren kann, und zwar f&uuml;r seine gebieterische Pflicht, </P>
<FONT SIZE=2><P>"die selbstarbeitenden Bauern im Besitz ihrer Landst&uuml;ckchen zu erhalten gegen&uuml;ber dem Fiskus, dem Wucher und den Eingriffen der neuerstandenen gro&szlig;en Grundherren".</P>
</FONT><P>Die Motivierung &uuml;bertr&auml;gt hiermit dem Sozialismus die gebieterische Pflicht, etwas durchzuf&uuml;hren, was sie im vorigen Absatz f&uuml;r unm&ouml;glich erkl&auml;rt hat. Sie gibt ihm auf, das Parzelleneigentum der Bauern zu "erhalten", trotzdem sie selbst sagt, dies Eigentum sei "unrettbar dem Untergang geweiht". Der Fiskus, der Wucher und die neuerstandnen gro&szlig;en Grundherren, was sind sie anders als nur die Instrumente, durch welche die kapitalistische Produktion diesen unvermeidlichen Untergang vollzieht? Mit welchen Mitteln "der Sozialismus" den Bauer gegen diese Dreieinigkeit sch&uuml;tzen soll, werden wir weiter unten sehn.</P>
<P>Aber nicht nur der Kleinbauer soll in seinem Eigentum gesch&uuml;tzt werden. Es ist ebenfalls</P>
<FONT SIZE=2><P>"angemessen, diesen Schutz auszudehnen auf die Produzenten, die unter dem Namen P&auml;chter oder Teilp&auml;chter (metayers) fremdes Land bebauen und die, wenn sie Tagl&ouml;hner ausbeuten, dazu gewisserma&szlig;en gezwungen sind durch die an ihnen selbst ver&uuml;bte Ausbeutung".</P>
</FONT><P>Hier kommen wir schon auf ein ganz absonderliches Gebiet. Der Sozialismus richtet sich ganz speziell gegen die Ausbeutung der Lohnarbeit. Und hier wird es f&uuml;r die gebieterische Pflicht des Sozialismus erkl&auml;rt, die franz&ouml;sischen P&auml;chter dabei zu sch&uuml;tzen, wenn sie "Tagl&ouml;hner <I>ausbeuten</I>" - so hei&szlig;t es w&ouml;rtlich! Und zwar, weil sie gewisserma&szlig;en dazu gezwungen werden "durch die an ihnen selbst ver&uuml;bte Ausbeutung"!</P>
<B><P><A NAME="S494">|494|</A></B> Wie leicht und angenehm es sich doch abw&auml;rtsrutscht, ist man erst einmal auf der schiefen Ebene! Wenn nun der Gro&szlig;- und Mittelbauer Deutschlands kommt und bittet die franz&ouml;sischen Sozialisten, sich beim deutschen Parteivorstand zu verwenden, da&szlig; die deutsche sozialdemokratische Partei ihn sch&uuml;tze in der Ausbeutung seiner Knechte und M&auml;gde, und sich dabei beruft auf die durch Wucherer, Steuereinnehmer, Getreidespekulanten und Viehh&auml;ndler "an ihm selbst ver&uuml;bte Ausbeutung" - was werden sie antworten? Und wer steht ihnen daf&uuml;r, da&szlig; nicht auch unsre agrarischen Gro&szlig;grundbesitzer ihnen den Grafen Kanitz schicken (der ja auch einen dem ihrigen &auml;hnlichen Antrag auf Verstaatlichung der Getreideeinfuhr gestellt) und ebenfalls um sozialistischen Schutz bitten f&uuml;r ihre Ausbeutung der Landarbeiter, unter Berufung auf die "an ihnen selbst ver&uuml;bte Ausbeutung" durch B&ouml;rse, Zins- und Getreidewucherer?</P>
<P>Sagen wir hier gleich, da&szlig; unsre franz&ouml;sischen Freunde es lange nicht so b&ouml;se meinen, wie es den Anschein hat. Der obige Absatz soll n&auml;mlich nur einen ganz speziellen Fall treffen, n&auml;mlich diesen: Im Norden Frankreichs, wie in unsern Zuckerr&uuml;bengebieten, wird den Bauern Land mit der Verpflichtung zum R&uuml;benbau unter &auml;u&szlig;erst l&auml;stigen Bedingungen vermietet; sie m&uuml;ssen die R&uuml;ben an die bestimmte Fabrik zu dem von dieser festgesetzten Preis verkaufen, m&uuml;ssen bestimmten Samen kaufen, ein festgesetztes Quantum vorgeschriebner D&uuml;ngung verwenden und werden obendrein noch bei der Ablieferung schm&auml;hlich geprellt. Das alles kennen wir in Deutschland ja auch. Wollte man aber einmal diese Sorte Bauern unter seinen Schutz nehmen, so mu&szlig;te man dies direkt und ausdr&uuml;cklich sagen. Wie der Satz dasteht, in seiner unbegrenzten Allgemeinheit, ist er eine direkte Verletzung nicht nur des franz&ouml;sischen Programms, sondern des Grundprinzips des Sozialismus &uuml;berhaupt, und seine Verfasser werden sich nicht beklagen k&ouml;nnen, wenn diese nachl&auml;ssige Redaktion von den verschiedensten Seiten gegen ihre Absicht ausgebeutet wird.</P>
<P>Derselben Mi&szlig;deutung f&auml;hig sind die Schlu&szlig;worte der Motivierung, wonach die sozialistische Arbeiterpartei die Aufgabe hat,</P>
<FONT SIZE=2><P>"alle Elemente der l&auml;ndlichen Produktion, alle T&auml;tigkeiten, die unter verschiednen Rechtstiteln den nationalen Grund und Boden verwerten, zusammenzubringen in demselben Kampf gegen den gemeinsamen Feind: die Feudalit&auml;t des Grundbesitzes".</P>
</FONT><P>Ich leugne gradezu, da&szlig; die sozialistische Arbeiterpartei irgendeines Landes die Aufgabe hat, au&szlig;er den Landproletariern und Kleinbauern auch die Mittel- und Gro&szlig;bauern, oder gar die P&auml;chter gro&szlig;er G&uuml;ter, die kapitalistischen Viehz&uuml;chter und die andern kapitalistischen Verwerter des <A NAME="S495"><B>|495|</A></B> nationalen Grund und Bodens in ihren Scho&szlig; aufzunehmen. Ihnen allen mag die Feudalit&auml;t des Grundbesitzes als gemeinsamer Feind erscheinen. Wir m&ouml;gen in gewissen Fragen mit ihnen zusammengehn, f&uuml;r bestimmte Zwecke eine Zeitlang an ihrer Seite k&auml;mpfen k&ouml;nnen. Aber in unsrer Partei k&ouml;nnen wir zwar Individuen aus jeder Gesellschaftsklasse, aber durchaus keine kapitalistischen, keine mittelb&uuml;rgerlichen oder mittelb&auml;uerlichen Interessengruppen gebrauchen. Auch hier ist es nicht so schlimm gemeint, wie es aussieht; an alles das haben die Verfasser offenbar gar nicht gedacht; leider aber ist der Generalisationsdrang mit ihnen durchgegangen, und es darf sie nicht wundern, wenn man sie eben beim Wort nimmt.</P>
<P>Nach der Motivierung kommen nun die neubeschlossenen Zus&auml;tze zum Programm selbst. Sie verraten dieselbe Fl&uuml;chtigkeit der Redaktion wie jene.</P>
<P>Der Artikel, wonach die Gemeinden landwirtschaftliche Maschinen anschaffen und sie zu den Selbstkosten an die Bauern vermieten sollen, wird ge&auml;ndert dahin, .da&szlig; die Gemeinden erstens Staatszusch&uuml;sse f&uuml;r diesen Zweck erhalten und zweitens die Maschinen den Kleinbauern gratis zur Verf&uuml;gung stellen sollen. Diese weitere Konzession wird den Kleinbauern, deren Felder und Betriebsweise nur wenig Maschinengebrauch zulassen, sicher auf keinen besonders gr&uuml;nen Zweig helfen.</P>
<P>Ferner:</P>
<FONT SIZE=2><P>"Ersatz aller bestehenden indirekten und direkten Steuern durch eine einzige progressive Steuer auf alle Einkommen von mehr als 3.000 Franken."</P>
</FONT><P>Eine &auml;hnliche Forderung findet sich seit Jahren in fast jedem sozialdemokratischen Programm. Da&szlig; sie aber speziell im Interesse der Kleinbauern aufgestellt wird, ist neu und beweist nur, wie wenig man ihre Tragweite berechnet hat. Nehmen wir England. Dort betr&auml;gt das Staatsbudget 90 Millionen Pfund Sterling. Davon werden aufgebracht durch die Einkommensteuer 13<SMALL><SUP>1</SMALL></SUP>/<SMALL>2</SMALL> bis 14 Millionen, die &uuml;brigen 76 Millionen zum kleineren Teil durch Besteuerung von Gesch&auml;ften (Post, Telegraphen, Stempel), zum weitaus gr&ouml;&szlig;ten Teil aber durch Auflagen auf die Massenkonsumtion, durch stets wiederholtes Abzwacken, in kleinen, unmerklichen, aber sich zu vielen Millionen aufsummierenden Betr&auml;gen, vom Einkommen aller Einwohner, vornehmlich aber der &auml;rmeren. Und es ist in der heutigen Gesellschaft kaum m&ouml;glich, die Staatsausgaben auf andere Weise zu decken. Gesetzt, man legte in England alle 90 Millionen den Einkommen von 120 Pfd.St. = 3.000 frs. und dar&uuml;ber in progressiver direkter Steuer auf. Die durchschnittliche j&auml;hrliche Akkumulation, die j&auml;hrliche Vermehrung des gesamten nationalen Reichtums, betrug 1865-1875 nach Giffen <A NAME="S496"><B>|496|</A></B> 240 Mill. Pfd. St. Sagen wir, sie sei jetzt gleich 300 Mill. j&auml;hrlich; eine Steuerlast von 90 Mill. w&uuml;rde fast ein Drittel der gesamten Akkumulation verzehren. Mit anderen Worten, keine Regierung kann so etwas unternehmen au&szlig;er einer sozialistischen; wenn die Sozialisten am Ruder sind, werden sie Dinge durchzuf&uuml;hren haben, bei denen jene Steuerreform nur als eine momentane, ganz unbedeutende Abschlagszahlung figuriert und wobei den Kleinbauern ganz andre Perspektiven er&ouml;ffnet werden.</P>
<P>Man scheint auch einzusehn, da&szlig; die Bauern auf diese Steuerreform etwas lange warten m&uuml;&szlig;ten, und stellt ihnen daher "einstweilen" (en attendant) in Aussicht:</P>
<FONT SIZE=2><P>"Abschaffung der Grundsteuer f&uuml;r alle selbstarbeitenden Bauern und Verminderung dieser Steuer f&uuml;r alle mit Hypotheken belasteten Grundst&uuml;cke."</P>
</FONT><P>Die letzte H&auml;lfte dieser Forderung kann sich nur auf gr&ouml;&szlig;ere Bauerng&uuml;ter beziehen, als die die Familie selbst bewirtschaften kann, sie ist also wiederum eine Beg&uuml;nstigung derjenigen Bauern, welche " Tagl&ouml;hner ausbeuten".</P>
<P>Ferner:</P>
<FONT SIZE=2><P>"Freiheit der Jagd und des Fischfangs ohne andre Beschr&auml;nkungen als bedingt sind durch die Schonung des Wild- und Fischstandes und der wachsenden Ernten."</P>
</FONT><P>Dies klingt sehr popul&auml;r, aber der Nachsatz hebt den Vordersatz auf. Wieviel Hasen, Rebh&uuml;hner, Hechte und Karpfen kommen denn schon jetzt in der gesamten Dorfflur auf jede Bauernfamilie? Etwa mehr, als da&szlig; man jedem Bauern einen Jagdtag und Fischtag im Jahr freigeben k&ouml;nnte?</P>
<FONT SIZE=2><P>"Herabsetzung des gesetzlichen und konventionellen Zinsfu&szlig;es" -</P>
</FONT><P>also erneuerte Wuchergesetze, erneuerter Versuch, eine Polizeima&szlig;regel durchzuf&uuml;hren, die seit zweitausend Jahren stets und &uuml;berall gescheitert ist. Kommt der Kleinbauer in die Lage, wo es f&uuml;r ihn das kleinere &Uuml;bel ist, zum Wucherer zu gehn, so findet der Wucherer immer die Mittel, ihn auszusaugen, ohne dem Wuchergesetz zu verfallen. Diese Ma&szlig;regel k&ouml;nnte h&ouml;chstens zur Beschwichtigung des Kleinbauern dienen, Vorteil bringt sie ihm nicht; im Gegenteil, sie erschwert ihm den Kredit grade dann, wenn er ihn am n&ouml;tigsten hat.</P>
<FONT SIZE=2><P>"Kostenfreie &auml;rztliche Behandlung und Lieferung der Arzneien zum Kostenpreis" -</P>
</FONT><P>dies ist jedenfalls keine spezielle Bauernschutzma&szlig;regel; das deutsche Programm geht weiter und verlangt auch kostenfreie Arznei.</P>
<B><FONT SIZE=2><P><A NAME="S497">|497|</A></B> "Entsch&auml;digung der Familien einberufener Reservisten w&auml;hrend der Dienstzeit" -</P>
</FONT><P>besteht bereits, wenn auch in h&ouml;chst unzureichender Gestalt, in Deutschland und &Ouml;sterreich und ist ebenfalls keine spezielle Bauernforderung.</P>
<FONT SIZE=2><P>"Herabsetzung der Transporttarife f&uuml;r D&uuml;nger und landwirtschaftliche Maschinen und Produkte" -</P>
</FONT><P>ist in Deutschland im wesentlichen durchgef&uuml;hrt, und zwar haupts&auml;chlich im Interesse der Gro&szlig;grundbesitzer.</P>
<FONT SIZE=2><P>"Sofortige Vorbereitungsarbeiten zu einem Plan f&uuml;r &ouml;ffentliche Arbeiten zur Verbesserung des Bodens und Hebung der landwirtschaftlichen Produktion" -</P>
</FONT><P>l&auml;&szlig;t alles im weiten Feld der Unbestimmtheit und der sch&ouml;nen Versprechungen und liegt ebenfalls im Interesse vor allem des Gro&szlig;grundbesitzes. Kurz, nach all dem gewaltigen theoretischen Anlauf der Motivierung geben uns die praktischen Vorschl&auml;ge des neuen Agrarprogramms erst recht keinen Aufschlu&szlig;, wie die franz&ouml;sische Arbeiterpartei es fertigbringen will, die Kleinbauern im Besitz eines Parzelleneigentums zu erhalten, das nach</P>
<P>ihrer eignen Aussage unrettbar dem Untergang geweiht ist.</P>
<H3 ALIGN="CENTER"><A NAME="Kap_II">II</A></H3>
<B><P><A NAME="S498">|498|</A></B> In einem Punkt haben unsre franz&ouml;sischen Genossen unbedingt recht: gegen den Kleinbauer ist in Frankreich keine dauernde Umw&auml;lzung m&ouml;glich. Nur scheint mir, da&szlig;, um dem Bauern beizukommen, sie den Hebel nicht am richtigen Punkt angesetzt haben.</P>
<P>Sie gehn, wie es scheint, darauf aus, den Kleinbauer von heute auf morgen, wom&ouml;glich schon f&uuml;r die n&auml;chste allgemeine Wahl zu gewinnen. Das k&ouml;nnen sie nur zu erreichen hoffen durch sehr gewagte allgemeine Zusicherungen, zu deren Verteidigung sie gen&ouml;tigt sind, noch weit gewagtere theoretische Erw&auml;gungen vom Stapel zu lassen. Sieht man dann n&auml;her zu, so findet man, da&szlig; die allgemeinen Zusicherungen sich selbst widersprechen (Zusage, einen Zustand erhalten zu wollen, den man selbst f&uuml;r unrettbar dem Untergang geweiht erkl&auml;rt) und da&szlig; die einzelnen Ma&szlig;regeln entweder ganz wirkungslos sind (Wuchergesetze) oder aber allgemeine Arbeiterforderungen oder solche, die auch dem Gro&szlig;grundbesitz zugute kommen, oder endlich solche, deren Tragweite im Interesse des Kleinbauern keineswegs sehr bedeutend ist; so da&szlig; der direkt praktische Teil des Programms von selbst den ersten verfehlten Anlauf berichtigt und die gef&auml;hrlich aussehenden gro&szlig;en Worte der Motivierung auf ein tats&auml;chlich unschuldiges Ma&szlig; reduziert.</P>
<P>Sagen wir es grade heraus: Bei den aus seiner ganzen &ouml;konomischen Lage, seiner Erziehung, seiner isolierten Lebensweise entspringenden und durch die b&uuml;rgerliche Presse und die Gro&szlig;grundbesitzer gen&auml;hrten Vorurteilen k&ouml;nnen wir die Masse der Kleinbauern von heute auf morgen nur gewinnen, wenn wir ihnen etwas versprechen, wovon wir selbst wissen, da&szlig; wir es nicht halten k&ouml;nnen. Wir m&uuml;ssen ihnen eben versprechen, ihren Besitz nicht nur gegen alle anst&uuml;rmenden &ouml;konomischen M&auml;chte unter allen Umst&auml;nden zu sch&uuml;tzen, sondern auch ihn von den ihn schon jetzt bedr&uuml;ckenden Lasten zu befreien: den P&auml;chter in einen freien Eigent&uuml;mer <A NAME="S499"><B>|499|</A></B> zu verwandeln, dem der Hypothek erliegenden Eigent&uuml;mer seine Schulden zu bezahlen. K&ouml;nnten wir das, so w&auml;ren wir wieder da, von wo aus der heutige Zustand sich mit Notwendigkeit von neuem entwickelt. Wir h&auml;tten den Bauern nicht befreit, wir h&auml;tten ihm eine Galgenfrist verschafft.</P>
<P>Es ist aber nicht unser Interesse, den Bauer von heute auf morgen zu gewinnen, damit er uns, wenn wir das Versprechen nicht halten k&ouml;nnen, von morgen auf &uuml;bermorgen wieder abf&auml;llt. Wir k&ouml;nnen den Bauer, der uns zumutet, ihm sein Parzelleneigentum zu verewigen, nicht als Parteigenossen brauchen, ebensowenig wie den kleinen Handwerksmeister, der sich als Meister verewigen will. Diese Leute geh&ouml;ren zu den Antisemiten. M&ouml;gen sie zu diesen gehn, sich von diesen die Rettung ihres kleinen Betriebs versprechen lassen; haben sie dort erfahren, was es mit diesen gl&auml;nzenden Phrasen auf sich hat und welche Melodien die Geigen spielen, von denen der antisemitische Himmel voll h&auml;ngt, dann werden sie in stets wachsendem Ma&szlig; einsehn, da&szlig; wir, die wir weniger versprechen und die Rettung in einer ganz andern Richtung suchen, da&szlig; wir doch die sicherern Leute sind. H&auml;tten die Franzosen, wie wir, eine l&auml;rmende antisemitische Demagogie, sie h&auml;tten den Fehler von Nantes schwerlich gemacht.</P>
<P>Was ist denn unsre Stellung zur Kleinbauernschaft? Und wie werden wir mit ihr verfahren m&uuml;ssen am Tag, wo uns die Staatsmacht zuf&auml;llt? </P>
<P>Erstens ist der Satz des franz&ouml;sischen Programms unbedingt richtig: da&szlig; wir den unvermeidlichen Untergang des Kleinbauern voraussehn, aber keineswegs berufen sind, ihn durch Eingriffe unsrerseits zu beschleunigen.</P>
<P>Und zweitens ist es ebenso handgreiflich, da&szlig;, wenn wir im Besitz der Staatsmacht sind, wir nicht daran denken k&ouml;nnen, die Kleinbauern gewaltsam zu expropriieren (einerlei, ob mit oder ohne Entsch&auml;digung), wie wir dies mit den Gro&szlig;grundbesitzern zu tun gen&ouml;tigt sind. Unsre Aufgabe gegen&uuml;ber dem Kleinbauer besteht zun&auml;chst darin, seinen Privatbetrieb und Privatbesitz in einen genossenschaftlichen &uuml;berzuleiten, nicht mit Gewalt, sondern durch Beispiel und Darbietung von gesellschaftlicher Hilfe zu diesem Zweck. Und da haben wir allerdings Mittel genug, um dem Kleinbauer Vorteile in Aussicht zu stellen, die ihm schon jetzt einleuchten m&uuml;ssen.</P>
<P>Schon vor fast zwanzig Jahren haben die d&auml;nischen Sozialisten, die in ihrem Land nur eine eigentliche Stadt - Kopenhagen - besitzen, also au&szlig;erhalb dieser fast nur auf Bauernpropaganda angewiesen sind, derartige Pl&auml;ne entworfen. Die Bauern eines Dorfs oder Kirchspiels - es gibt in D&auml;nemark viel gro&szlig;e Einzelh&ouml;fe - sollten ihr Land zu einem gro&szlig;en Gut zusammenwerfen, es f&uuml;r gemeinsame Rechnung bebauen und den Ertrag <A NAME="S500"><B>|500|</A></B> nach Verh&auml;ltnis der eingeschlossenen Bodenst&uuml;cke, Geldvorsch&uuml;sse und Arbeitsleistungen teilen. In D&auml;nemark spielt der Kleinbesitz nur eine Nebenrolle. Wenden wir aber die Idee auf ein Parzellengebiet an, so werden wir finden, da&szlig; beim Zusammenwerfen der Parzellen und Gro&szlig;kultur ihrer Gesamtfl&auml;che ein Teil der bisher besch&auml;ftigten Arbeitskr&auml;fte &uuml;berfl&uuml;ssig wird; in dieser Arbeitsersparnis liegt ja gerade einer der Hauptvorteile der Gro&szlig;kultur. F&uuml;r diese Arbeitskr&auml;fte kann Besch&auml;ftigung gefunden werden auf zwei Wegen. Entweder man stellt der Bauerngenossenschaft weitere Landstrecken zur Verf&uuml;gung aus benachbarten gro&szlig;en G&uuml;tern;</P>
<P>oder aber man verschafft ihnen die Mittel und Gelegenheit zu industrieller Nebenarbeit, m&ouml;glichst und vorwiegend f&uuml;r eigenen Gebrauch. In beiden F&auml;llen stellt man sie in eine &ouml;konomisch bessere Lage und sichert gleichzeitig der allgemein-gesellschaftlichen Leitung den n&ouml;tigen Einflu&szlig;, um die Bauerngenossenschaft allm&auml;hlich in eine h&ouml;here Form &uuml;berzuf&uuml;hren und die Rechte und Pflichten sowohl der Genossenschaft im ganzen wie ihrer einzelnen Mitglieder mit denen der &uuml;brigen Zweige der gro&szlig;en Gemeinschaft auszugleichen. Wie das im einzelnen in jedem Spezialfall auszuf&uuml;hren, wird von den Umst&auml;nden des Falls und von den Umst&auml;nden abh&auml;ngen, unter denen wir Besitz von der &ouml;ffentlichen Gewalt ergreifen. So werden wir m&ouml;glicherweise imstande sein, diesen Genossenschaften noch weitere Vorteile zu bieten: &Uuml;bernahme ihrer Gesamthypothekenschuld durch die Nationalbank unter starker Zinsherabsetzung, Vorsch&uuml;sse aus &ouml;ffentlichen Mitteln zur Einrichtung des Gro&szlig;betriebs (Vorsch&uuml;sse nicht notwendig oder vorzugsweise in Geld, sondern in den n&ouml;tigen Produkten selbst: Maschinen, Kunstd&uuml;nger etc.) und noch andere Vorteile.</P>
<P>Die Hauptsache bei alledem ist und bleibt die, den Bauern begreiflich zu machen, da&szlig; wir ihnen ihren Haus- und Feldbesitz nur retten, nur erhalten k&ouml;nnen durch Verwandlung in genossenschaftlichen Besitz und Betrieb. Es ist ja grade die durch den Einzelbesitz bedingte Einzelwirtschaft, die die Bauern dem Untergang zutreibt. Beharren sie auf dem Einzelbetrieb, so werden sie unvermeidlich von Haus und Hof verjagt, ihre veraltete Produktionsweise durch den kapitalistischen Gro&szlig;betrieb verdr&auml;ngt. So liegt die Sache; und da kommen wir und bieten den Bauern die M&ouml;glichkeit, den Gro&szlig;betrieb selbst einzuf&uuml;hren, nicht f&uuml;r kapitalistische, sondern f&uuml;r ihre eigne gemeinsame Rechnung. Da&szlig; dies in ihrem eignen Interesse, da&szlig; es ihr einziges Rettungsmittel ist, das sollte den Bauern nicht begreiflich zu machen sein?</P>
<P>Wir k&ouml;nnen nun und nimmermehr den Parzellenbauern die Erhaltung des Einzeleigentums und des Einzelbetriebs gegen die &Uuml;bermacht der kapi- <A NAME="S501"><B>|501|</A></B> talistischen Produktion versprechen. Wir k&ouml;nnen ihnen nur versprechen, da&szlig; wir nicht wider ihren Willen gewaltsam in ihre Eigentumsverh&auml;ltnisse eingreifen werden. Wir k&ouml;nnen ferner daf&uuml;r eintreten, da&szlig; der Kampf der Kapitalisten und Gro&szlig;grundbesitzer gegen die Kleinbauern schon heute mit m&ouml;glichst wenig unrechtlichen Mitteln gef&uuml;hrt und direkter Raub oder Prellerei, wie sie nur zu h&auml;ufig vorkommen, m&ouml;glichst verhindert wird. Das wird nur ausnahmsweise gelingen. In der entwickelten kapitalistischen Produktionsweise wei&szlig; kein Mensch, wo die Ehrlichkeit aufh&ouml;rt und die Prellerei anfangt. Aber es wird immer einen bedeutenden Unterschied machen, ob die &ouml;ffentliche Gewalt auf Seite des Prellers oder des Geprellten steht. Und wir stehn ja entschieden auf Seite des Kleinbauern; wir werden alles nur irgend Zul&auml;ssige tun, um sein Los ertr&auml;glicher zu machen, um ihm den &Uuml;bergang zur Genossenschaft zu erleichtern, falls er sich dazu entschlie&szlig;t, ja sogar um ihm, falls er diesen Entschlu&szlig; noch nicht fassen kann, eine verl&auml;ngerte Bedenkzeit auf seiner Parzelle zu erm&ouml;glichen. Wir tun dies nicht nur, weil wir den selbstarbeitenden Kleinbauer als virtuell zu uns geh&ouml;rend betrachten, sondern auch aus direktem Parteiinteresse. Je gr&ouml;&szlig;er die Anzahl der Bauern ist, denen wir den wirklichen Absturz ins Proletariat ersparen, die wir schon als Bauern f&uuml;r uns gewinnen k&ouml;nnen, desto rascher und leichter vollzieht sich die gesellschaftliche Umgestaltung. Es kann uns nicht dienen, wenn wir mit dieser Umgestaltung warten m&uuml;&szlig;ten, bis die kapitalistische Produktion sich &uuml;berall bis auf ihre letzten Konsequenzen entwickelt hat, bis auch der letzte Kleinhandwerker und der letzte Kleinbauer dem kapitalistischen Gro&szlig;betrieb zum Opfer gefallen sind. Die materiellen Opfer, die in diesem Sinn im Interesse der Bauern aus &ouml;ffentlichen Mitteln zu bringen sind, k&ouml;nnen vom Standpunkt der kapitalistischen &Ouml;konomie aus nur als weggeworfenes Geld erscheinen, aber sie sind trotzdem eine vortreffliche Anlage, denn sie ersparen vielleicht den zehnfachen Betrag bei den Kosten der gesellschaftlichen Reorganisation &uuml;berhaupt. In diesem Sinn k&ouml;nnen wir also sehr liberal mit den Bauern verfahren. Auf einzelnes einzugehn, bestimmte Vorschl&auml;ge in dieser Richtung zu machen, ist hier nicht der Ort; es kann sich hier nur um die allgemeinen Grundz&uuml;ge handeln.</P>
<P>Hiernach also k&ouml;nnen wir nicht nur der Partei, sondern auch den Kleinbauern selbst keinen schlimmeren Dienst erweisen als durch Zusagen, die auch nur den Schein erwecken, wir beabsichtigten die dauernde Erhaltung des Parzelleneigentums. Das hie&szlig;e den Bauern direkt den Weg zu ihrer Befreiung versperren und die Partei herabw&uuml;rdigen auf das Niveau des Radau-Antisemitismus. Im Gegenteil. Es ist die Pflicht unsrer Partei, den Bauern immer und immer wieder die absolute Rettungslosigkeit ihrer Lage, <A NAME="S502"><B>|502|</A></B> solange der Kapitalismus herrscht, klarzumachen, die absolute Unm&ouml;glichkeit, ihnen ihr Parzelleneigentum als solches zu erhalten, die absolute Gewi&szlig;heit, da&szlig; die kapitalistische Gro&szlig;produktion &uuml;ber ihren machtlosen veralteten Kleinbetrieb hinweggehn wird wie ein Eisenbahnzug &uuml;ber eine Schubkarre. Tun wir das, so handeln wir im Sinne der unvermeidlichen &ouml;konomischen Entwicklung, und diese wird den Kleinbauern schon offne K&ouml;pfe machen f&uuml;r unsere Worte.</P>
<P>Im &uuml;brigen kann ich diesen Gegenstand nicht verlassen, ohne die &Uuml;berzeugung auszusprechen, da&szlig; auch die Verfasser des Programms von Nantes im wesentlichen mit mir derselben Ansicht sind. Sie sind viel zu einsichtig, um nicht zu wissen, da&szlig; auch das jetzt im Parzelleneigentum befindliche Landgebiet bestimmt ist, in Gemeinbesitz &uuml;berzugehn. Sie selbst geben zu, da&szlig; das Parzelleneigentum berufen ist zu verschwinden. Das von Lafargue verfa&szlig;te Referat des Nationalrats auf dem Kongre&szlig; von Nantes best&auml;tigt denn auch diese Ansicht vollauf. Es ist deutsch ver&ouml;ffentlicht im Berliner "Sozialdemokrat" vom 18. Oktober d.J. Das Widerspruchsvolle in der Ausdrucksweise des Programms von Nantes verr&auml;t schon, da&szlig; das, was die Verfasser wirklich sagen, nicht das ist, was sie zu sagen beabsichtigen. Werden sie nicht verstanden und ihre Aussage gemi&szlig;braucht, wie das in der Tat schon geschehen ist, so ist das allerdings ihre eigne Schuld. Jedenfalls werden sie ihr Programm n&auml;her erkl&auml;ren und wird der n&auml;chste franz&ouml;sische Kongre&szlig; es gr&uuml;ndlich revidieren m&uuml;ssen.</P>
<P>Kommen wir nun zu den gr&ouml;&szlig;ren Bauern. Hier findet sich infolge haupts&auml;chlich von Erbteilungen, aber auch von Verschuldung und Zwangsverk&auml;ufen von Land, eine ganze Musterkarte von Zwischenstufen vom Parzellenbauer bis zum Gro&szlig;bauer, der seine volle alte Hufe und selbst dar&uuml;ber besitzt. Wo der Mittelbauer unter Parzellenbauern wohnt, wird er in seinen Interessen und Anschauungen sich von diesen nicht wesentlich unterscheiden; mu&szlig; ihm doch die eigne Erfahrung sagen, wie viele seinesgleichen schon zu Kleinbauern herabgesunken sind. Wo aber Mittel- und Gro&szlig;bauern vorherrschen und der Wirtschaftsbetrieb allgemein die Hilfe von Knechten und M&auml;gden erfordert, da steht die Sache ganz anders. Eine Arbeiterpartei hat nat&uuml;rlich in erster Linie f&uuml;r die Lohnarbeiter einzutreten, also f&uuml;r die Knechte, M&auml;gde und Tagl&ouml;hner; es verbietet sich ihr damit von selbst, den Bauern irgendwelche Versprechungen zu machen, die die Fortdauer der Lohnknechtschaft der Arbeiter einschlie&szlig;en. Solange aber die Gro&szlig;- und Mittelbauern als solche fortbestehn, solange k&ouml;nnen sie ohne Lohnarbeiter nicht auskommen. Ist es also von unsrer Seite eine einfache Torheit, den Parzellenbauern ihre dauernde Fortexistenz als Parzellen- <A NAME="S503"><B>|503|</A></B> bauern in Aussicht zu stellen, so grenzte es schon direkt an Verrat, wollten wir den Gro&szlig;- und Mittelbauern dasselbe versprechen.</P>
<P>Wir haben hier wieder die Parallele mit den Handwerkern der St&auml;dte. Sie sind zwar schon mehr dem Ruin verfallen als die Bauern, aber es gibt doch auch noch welche, die neben Lehrlingen Gesellen besch&auml;ftigen oder bei denen Lehrlinge Gesellenarbeit tun. Diejenigen dieser Handwerksmeister, die als solche sich verewigen wollen, m&ouml;gen zu den Antisemiten gehn, bis sie sich &uuml;berzeugt haben, da&szlig; ihnen auch dort nicht geholfen wird. Die &uuml;brigen, die die Unvermeidlichkeit des Untergangs ihrer Produktionsweise eingesehn, kommen zu uns, sind aber auch bereit, in der Zukunft das Schicksal zu teilen, das allen andern Arbeitern bevorsteht. Nicht anders mit den Gro&szlig;- und Mittelbauern. Ihre Knechte, M&auml;gde und Tagl&ouml;hner interessieren uns selbstredend mehr als sie. Wollen diese Bauern die Garantie der Fortdauer ihres Betriebs, so k&ouml;nnen wir ihnen das absolut nicht bieten. Ihr Platz ist dann bei den Antisemiten, Bauernb&uuml;ndlern und dergleichen Parteien, die sich ein Vergn&uuml;gen daraus machen, alles zu versprechen und nichts zu halten. Wir haben die &ouml;konomische Gewi&szlig;heit, da&szlig; auch der Gro&szlig;- und Mittelbauer vor der Konkurrenz des kapitalistischen Betriebs und der wohlfeilen &uuml;berseeischen Kornproduktion unfehlbar erliegen mu&szlig;, wie die wachsende Verschuldung und der &uuml;berall sichtbare Verfall auch dieser Bauern beweist. Wir k&ouml;nnen gegen diesen Verfall nichts tun, als auch hier die Zusammenlegung der G&uuml;ter zu genossenschaftlichen Betrieben empfehlen, bei denen die Ausbeutung der Lohnarbeit mehr und mehr beseitigt und die allm&auml;hliche Verwandlung in gleichberechtigte und gleichverpflichtete Zweige der gro&szlig;en nationalen Produktionsgenossenschaft eingeleitet werden kann. Sehen diese Bauern die Unvermeidlichkeit des Untergangs ihrer jetzigen Produktionsweise ein, ziehen sie die notwendigen Konsequenzen daraus, so kommen sie zu uns, und es wird unsres Amtes sein, auch ihnen den &Uuml;bergang in die ver&auml;nderte Produktionsweise nach Kr&auml;ften zu erleichtern. Andernfalls m&uuml;ssen wir sie ihrem Schicksal &uuml;berlassen und uns an ihre Lohnarbeiter wenden, bei denen wir schon Anklang finden werden. Von einer gewaltsamen Expropriation werden wir auch hier wahrscheinlich absehen und im &uuml;brigen darauf rechnen k&ouml;nnen, da&szlig; die &ouml;konomische Entwicklung auch diese h&auml;rteren Sch&auml;del der Vernunft zug&auml;nglich machen wird.</P>
<P>Ganz einfach liegt die Sache nur beim Gro&szlig;grundbesitz. Hier haben wir unverh&uuml;llten kapitalistischen Betrieb, und da gelten keine Skrupel irgendwelcher Art. Wir haben hier Landproletarier in Massen vor uns, und unsre Aufgabe ist klar. Sobald unsre Partei im Besitz der Staatsmacht ist, <A NAME="S504"><B>|504|</A></B> hat sie die Gro&szlig;grundbesitzer einfach zu expropriieren, ganz wie die industriellen Fabrikanten. Ob diese Expropriation mit oder ohne Entsch&auml;digung erfolgt, wird gro&szlig;enteils nicht von uns abh&auml;ngen, sondern von den Umst&auml;nden, unter denen wir in den Besitz der Macht kommen, und namentlich auch von der Haltung der Herren Gro&szlig;grundbesitzer selbst. Eine Entsch&auml;digung sehen wir keineswegs unter allen Umst&auml;nden als unzul&auml;ssig an;</P>
<P>Marx hat mir - wie oft! - als seine Ansicht ausgesprochen, wir k&auml;men am wohlfeilsten weg, wenn wir die ganze Bande auskaufen k&ouml;nnten. Doch das geht uns hier nichts an. Die so der Gesamtheit zur&uuml;ckgegebenen gro&szlig;en G&uuml;ter h&auml;tten wir den sie schon jetzt bebauenden, in Genossenschaften zu organisierenden Landarbeitern zur Benutzung unter Kontrolle der Gesamtheit zu &uuml;berlassen. Unter welchen Modalit&auml;ten, dar&uuml;ber l&auml;&szlig;t sich jetzt noch nichts feststellen. Jedenfalls ist die Verwandlung des kapitalistischen Betriebs in gesellschaftlichen hier schon vollst&auml;ndig vorbereitet und kann &uuml;ber Nacht vollzogen werden, ganz wie z.B. bei Herrn Krupps oder Herrn von Stumms Fabrik. Und das Beispiel dieser Ackerbaugenossenschaften w&uuml;rde auch die letzten etwa noch widerstrebenden Parzellenbauern und wohl auch manche Gro&szlig;bauern von den Vorteilen des genossenschaftlichen Gro&szlig;betriebs &uuml;berzeugen.</P>
<P>Hier also k&ouml;nnen wir den Landproletariern eine Aussicht er&ouml;ffnen, ebenso gl&auml;nzend wie die, welche dem Industriearbeiter winkt. Und hiermit die Landarbeiter des ostelbischen Preu&szlig;ens zu erobern, kann f&uuml;r uns nur eine Frage der Zeit, und zwar der k&uuml;rzesten, sein. Haben wir aber die ostelbischen Landarbeiter, so weht sofort in ganz Deutschland ein anderer Wind. Die tats&auml;chliche halbe Leibeigenschaft der ostelbischen Landarbeiter ist die Hauptgrundlage der preu&szlig;ischen Junkerherrschaft und damit der spezifisch preu&szlig;ischen Oberherrschaft in Deutschland. Es sind die ostelbischen, mehr und mehr der Verschuldung, Verarmung, dem Schmarotzertum auf Staats- und Privatkosten verfallenden und ebendeshalb um so gewaltsamer sich an ihre Herrschaft ankrallenden Junker, die den spezifisch preu&szlig;ischen Charakter der B&uuml;rokratie wie des Offizierskorps der Armee geschaffen haben und erhalten; deren Hochmut, Beschr&auml;nktheit und Arroganz das Deutsche Reich preu&szlig;ischer Nation im Inland - bei aller Einsicht in seine augenblickliche Unvermeidlichkeit als derzeit einzig erlangbare Form der nationalen Einheit - so verha&szlig;t und im Ausland, trotz aller gl&auml;nzenden Siege, so wenig respektiert gemacht haben. Die Macht dieser Junker beruht darauf, da&szlig; sie in dem geschlossenen Gebiet der sieben altpreu&szlig;ischen Provinzen - also etwa einem Drittel des ganzen Reichsgebiets - &uuml;ber den Grundbesitz verf&uuml;gen, der hier die gesellschaftliche und politische <A NAME="S505"><B>|505|</A></B> Macht mit sich f&uuml;hrt, und nicht nur &uuml;ber den Grundbesitz, sondern vermittelst der R&uuml;benzuckerfabriken und Schnapsbrennereien auch &uuml;ber die bedeutendsten Industrien dieses Gebiets. Weder die Gro&szlig;grundbesitzer des &uuml;brigen Deutschlands noch die Gro&szlig;industriellen sind in einer &auml;hnlich g&uuml;nstigen Lage; &uuml;ber ein geschlossenes K&ouml;nigreich verf&uuml;gen weder diese noch jene. Beide sind &uuml;ber weite Strecken zerstreut und miteinander wie mit andern sie umgebenden gesellschaftlichen Elementen in Konkurrenz um die &ouml;konomische und politische Vormacht. Aber diese Machtstellung der preu&szlig;ischen Junker verliert mehr und mehr ihre &ouml;konomische Unterlage. Die Verschuldung und Auspowerung greift auch hier trotz aller Staatshilfe (und seit Friedrich II. geh&ouml;rt diese in jedes regelrechte Junkerbudget) unaufhaltsam um sich; nur die durch Gesetzgebung und Gewohnheit sanktionierte tats&auml;chliche halbe Leibeigenschaft und hierdurch erm&ouml;glichte grenzenlose Ausbeutung der Landarbeiter h&auml;lt die versinkende Junkerschaft noch eben &uuml;ber Wasser. Werft den Samen der Sozialdemokratie unter diese Arbeiter, gebt ihnen den Mut und den Zusammenhalt, auf ihren Rechten zu bestehen, und es ist aus mit der Junkerherrlichkeit. Die gro&szlig;e reaktion&auml;re Macht, die f&uuml;r Deutschland dasselbe barbarische, erobernde Element repr&auml;sentiert wie der russische Zarismus f&uuml;r ganz Europa, sinkt in sich zusammen wie eine angestochne Blase. Die "Kernregimenter" der preu&szlig;ischen Armee werden sozialdemokratisch, und damit vollzieht sich eine Machtverschiebung, die eine ganze Umw&auml;lzung in ihrem Scho&szlig;e tr&auml;gt. Darum aber ist die Gewinnung der ostelbischen Landproletarier von weitaus gr&ouml;&szlig;erer Wichtigkeit als die der westdeutschen Kleinbauern oder gar der s&uuml;ddeutschen Mittelbauern. Hier, im ostelbischen Preu&szlig;en, liegt unser entscheidendes Schlachtfeld, und deshalb wird Regierung und Junkerschaft alles aufbieten, uns hier den Zugang zu verschlie&szlig;en. Und wenn es - wie man uns droht - zu neuen Gewaltma&szlig;regeln kommen sollte zur Verhinderung der Ausbreitung unserer Partei, so wird dies geschehen vor allem, um das ostelbische Landproletariat vor unserer Propaganda zu sch&uuml;tzen. Uns kann's gleich sein. Wir erobern es doch.</P>
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<HR size="1"><P>
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