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2022-08-25 20:29:11 +02:00

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<TITLE>Karl Marx - Enthuellungen ueber den Kommunisten-Prozess zu Koeln</TITLE>
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<P><SMALL>Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx/Friedrich Engels - Werke, (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Band 8, 3. Auflage 1972, unveränderter Nachdruck der 1. Auflage 1960, Berlin/DDR. S. 431-454</SMALL>
<P ALIGN="CENTER"><A HREF="me08_418.htm"><FONT SIZE=2>III. Das Komplott Cherval</FONT></A><FONT SIZE=2> | </FONT><A HREF="me08_405.htm"><FONT SIZE=2>Inhalt</FONT></A><FONT SIZE=2> | </FONT><A HREF="me08_455.htm"><FONT SIZE=2>V. Das Begleitschreiben des "Roten Katechismus"</FONT></A></P>
<P ALIGN="CENTER">IV</P>
<FONT SIZE=5><P ALIGN="CENTER">Das Originalprotokollbuch</P>
</FONT><B><P><A NAME="S431">&lt;431&gt;</A></B> In der Sitzung vom 23. Oktober bemerkt der Pr&auml;sident &lt;G&ouml;bel&gt;: "Der Polizeirat Stieber habe ihm angezeigt, da&szlig; er noch neue wichtige Depositionen zu machen habe", und ruft zu diesem Behuf den genannten Zeugen wieder auf. Stieber springt vor und leitet die mise-en-sc&egrave;ne &lt;Inszenierung&gt; ein.</P>
<P>Bisher hatte Stieber die T&auml;tigkeit der Partei Willich-Schapper oder kurzer, der Partei Cherval geschildert, ihre T&auml;tigkeit <I>vor </I>und <I>nach </I>der Verhaftung der K&ouml;lner Angeklagten. In bezug auf die Angeklagten selbst hat er nichts geschildert, weder <I>vor </I>noch <I>nach</I>. Das Komplott Cherval fiel <I>nach </I>der Verhaftung der gegenw&auml;rtigen Angeklagten vor, und Stieber erkl&auml;rt jetzt:</P>
<FONT SIZE=2><P>"Ich habe in meiner bisherigen Vernehmung die Gestaltung des Kommunistenbundes und die Wirksamkeit der Mitglieder desselben nur <I>bis zur Verhaftung </I>der gegenw&auml;rtigen Angeklagten geschildert."</P>
</FONT><P>Er gesteht also, da&szlig; das Komplott Cherval nichts zu tun hatte "mit der Gestaltung des Kommunistenbundes und der Wirksamkeit seiner Mitglieder". Er gesteht das <I>Nichts </I>seiner bisherigen Aussage. Ja, er ist so blasiert &uuml;ber seine Aussage vom 18. Oktober, da&szlig; er f&uuml;r &uuml;berfl&uuml;ssig halt, Cherval l&auml;nger mit der "Partei Marx" zu identifizieren.</P>
<FONT SIZE=2><P>"Zun&auml;chst", sagt er, "besteht noch die Willichsche Fraktion, von welcher bis jetzt nur Cherval in Paris usw. ergriffen sind."</P>
</FONT><P>Aha! der Hauptchef Cherval ist also ein F&uuml;hrer der Willichschen Fraktion.</P>
<P>Aber Stieber hat jetzt die <I>wichtigsten </I>Mitteilungen zu machen, nicht nur die <I>allerneuesten</I>, sondern auch die <I>wichtigsten</I>. Die allerneuesten und wichtigsten! Diese wichtigsten Mitteilungen w&uuml;rden an Gewicht verlieren, wenn <A NAME="S432"><B>&lt;432&gt;</A></B> die Unwichtigkeit der bisherigen Mitteilungen nicht betont w&uuml;rde. Ich habe bisher eigentlich nichts mitgeteilt, sagt Stieber, aber jetzt kommt's. Pa&szlig;t auf! Ich habe bisher &uuml;ber die den Angeklagten feindliche Partei Cherval berichtet, was eigentlich nicht hierher geh&ouml;rte. Ich werde jetzt &uuml;ber die "Partei Marx" berichten, um die es sich allein in diesem Proze&szlig; handelt. So einfach durfte Stieber nicht sprechen. Er sagt also:</P>
<FONT SIZE=2><P>"Ich habe bisher den Kommunistenbund <I>vor </I>der Verhaftung der Angeklagten geschildert, ich werde jetzt den Kommunistenbund <I>nach </I>Verhaftung der Angeklagten schildern."</P>
</FONT><P>Mit eigent&uuml;mlicher Virtuosit&auml;t wei&szlig; er sogar die blo&szlig; rhetorische Phrase meineidig zu machen.</P>
<P>Nach Verhaftung der K&ouml;lner Angeklagten hat Marx eine neue Zentralbeh&ouml;rde gebildet.</P>
<FONT SIZE=2><P>"Dies ergibt sich aus der Aussage eines Polizeiagenten &lt;Hirsch&gt;, den schon der verstorbene Polizeidirektor Schulz unerkannt in den Londoner Bund und in die unmittelbare Nahe von Marx zu bringen wu&szlig;te."</P>
</FONT><P>Diese neue Zentralbeh&ouml;rde hat ein Protokollbuch gef&uuml;hrt, und dies <I>"Originalprotokollbuch" </I>besitzt Stieber jetzt. Schreckliche Umtriebe in den Rheinprovinzen, in K&ouml;ln, ja mitten im Gerichtssaal, alles das beweist das Originalprotokollbuch. Es enth&auml;lt den Beweis f&uuml;r die fortlaufende Korrespondenz der Angeklagten durch die Gef&auml;ngnismauern hindurch mit Marx. In einem Wort: Das Archiv Dietz war das Alte Testament, aber das Originalprotokollbuch ist das Neue Testament. Das Alte Testament war in starke Wachsleinwand verpackt, aber das Neue Testament ist in unheimlich roten Saffian gebunden. Der rote Saffian ist allerdings eine demonstratio ad oculos &lt;ein Bewies durch Augenschein&gt;, aber die Welt ist heut ungl&auml;ubiger als zu Thomas' Zeiten; sie glaubt nicht einmal, was sie sieht. Wer glaubt noch an Testamente, Alte oder Neue, seitdem die Mormonenreligion erfunden ist? Auch das hat Stieber vorgesehen, der der Mormonenreligion nicht ganz abgeneigt ist.</P>
<FONT SIZE=2><P>"Man k&ouml;nnte mir freilich", bemerkt der Mormone Stieber, "man k&ouml;nnte mir freilich entgegensetzen, da&szlig; dies alles nur Traditionen ver&auml;chtlicher Polizeiagenten seien, aber", schw&ouml;rt Stieber, "aber ich habe vollkommene Beweise der Wahrhaftigkeit und Zuverl&auml;ssigkeit der von ihnen gemachten Mitteilungen."</P>
</FONT><P>Man verstehe wohl! Beweise der Wahrhaftigkeit und Beweise der Zuverl&auml;ssigkeit! und zwar vollkommene Beweise. <I>Vollkommene </I>Beweise! Und welches sind die Beweise?</P>
<B><P><A NAME="S433">&lt;433&gt;</A></B> Stieber wu&szlig;te l&auml;ngst,</P>
<FONT SIZE=2><P>"da&szlig; eine geheime Korrespondenz zwischen Marx und den im Arresthaus befindlichen Angeklagten existiere, konnte aber dieser Korrespondenz nicht auf die Spur kommen. Da traf am <I>vergangenen Sonntag ein au&szlig;erordentlicher Kurier von London </I>hier bei mir mit der Nachricht ein, da&szlig; es endlich gelungen sei, die geheime Adresse, unter welcher diese Korrespondenz gef&uuml;hrt worden sei, zu entdecken; es sei dies die Adresse des Kaufmanns D. Kothes auf dem Alten Markt hierselbst. Derselbe Kurier &uuml;berbrachte mir das von der Londoner Zentralbeh&ouml;rde gef&uuml;hrte Originalprotokollbuch, welches man sich von einem Mitglied des Bundes f&uuml;r Geld zu verschaffen gewu&szlig;t hat."</P>
</FONT><P>Stieber setzt sich nun mit dem Polizeidirektor Geiger und der Postdirektion in Verbindung.</P>
<FONT SIZE=2><P>"Es werden die n&ouml;tigen Vorsichtsma&szlig;regeln getroffen, und schon <I>nach zwei Tagen </I>brachte die Abendpost von London einen an Kothes adressierten Brief. Derselbe wurde <I>auf Anstehn der Oberprokuratur </I>mit Beschlag belegt, ge&ouml;ffnet und in demselben eine sieben Seiten gro&szlig;e, von der Hand des Marx geschriebene Instruktion f&uuml;r den Advokaten Schneider II gefunden. Derselbe enth&auml;lt eine Anweisung, wie die Verteidigung zu f&uuml;hren sei ... Auf der R&uuml;ckseite des Briefes befand sich ein gro&szlig;es lateinisches B. Von dem Briefe ward eine Abschrift, ein leicht abzutrennendes St&uuml;ck des Originals sowie das <I>Originalkuvert </I>zur&uuml;ckbehalten. Dann wurde er in einem Kuvert versiegelt, und so erhielt ihn ein ausw&auml;rtiger Polizeibeamter mit dem Auftrage, sich zu Kothes zu begeben, sich ihm als Emiss&auml;r des Marx vorzustellen etc."</P>
</FONT><P>Stieber erz&auml;hlt dann weiter die widrige Polizei- und Bedientenkom&ouml;die, wie der ausw&auml;rtige Polizeibeamte den Emiss&auml;r von Marx gespielt etc. Kothes wird am 18. Oktober verhaftet und erkl&auml;rt nach 24 Stunden, das B auf der innern Adresse des Briefes bedeute Bermbach. Am 19. Oktober wird Bermbach verhaftet und Haussuchung bei ihm gehalten. Am 21. Oktober werden Kothes und Bermbach wieder in Freiheit gesetzt.</P>
<P>Stieber machte diese Deposition Samstag, den 23. Oktober. <I>"Vergangenen Sonntag"</I>, also Sonntag, den 17. Oktober, sei der au&szlig;erordentliche Kurier mit der Adresse des Kothes und mit dem Originalprotokollbuch, zwei Tage nach dem Kurier sei der Brief an Kothes eingetroffen, also am 19. Oktober. Aber schon am 18. Oktober wurde Kothes verhaftet wegen des Briefes, den ihm der ausw&auml;rtige Polizeibeamte am 17. Oktober &uuml;berbrachte. Der Brief an Kothes kam also zwei Tage fr&uuml;her an als der Kurier mit der Adressse des Kothes, oder Kothes wurde am 18. Oktober f&uuml;r einen Brief verhaftet, den er erst am 19. Oktober erhielt. Chronologisches Wunder?</P>
<P>Sp&auml;ter, durch die Advokatur ge&auml;ngstigt, erkl&auml;rt Stieber, der Kurier mit der Adresse des Kothes und dem Originalprotokollbuch sei am 10. Oktober eingetroffen. Warum am 10. Oktober? Weil der 10. Oktober ebenfalls auf <A NAME="S434"><B>&lt;434&gt;</A></B> einen Sonntag f&auml;llt und am 23. Oktober ebenfalls schon ein "vergangener" Sonntag war, weil so die urspr&uuml;ngliche Aussage wegen des vergangenen Sonntags festgehalten und nach dieser Seite der Meineid verdeckt wird. Aber dann langte der Brief wieder nicht zwei Tage, sondern eine ganze Woche sp&auml;ter an als der Kurier. Der Meineid f&auml;llt nun auf den Brief, statt auf den Kurier. Es geht den Stieberschen Eiden wie dem Lutherschen Bauer. Hilft man ihm von der einen Seite aufs Pferd, so f&auml;llt er von der andern Seite herunter.</P>
<P>In der Sitzung vom 3. November endlich erkl&auml;rt der Polizeileutnant Goldheim aus Berlin, der Polizeileutnant Greif aus London habe das Protokollbuch in seiner und des Polizeidirektors Wermuth Gegenwart am 11. Oktober, also an einem Montag, dem Stieber &uuml;berbracht. Goldheim erkl&auml;rt also den Stieber eines doppelten Meineides schuldig.</P>
<P>Marx gab den Brief an Kothes, wie das Originalkuvert mit dem Londoner Poststempel ausweist, Donnerstag, den 14. Oktober, zur Post. Der Brief mu&szlig;te also Freitag abend, den 15. Oktober, anlangen. Ein Kurier, der zwei Tage vor Ankunft dieses Briefes die Adresse des Kothes und das Originalprotokollbuch &uuml;berbrachte, mu&szlig;te also Mittwoch, den 13. Oktober, eintreffen. Er konnte aber weder am 17. Oktober eintreffen, noch am 10., noch am 11.</P>
<P>Greif als Kurier brachte dem Stieber allerdings sein Originalprotokollbuch von London. Was es mit diesem Buche auf sich hatte, wu&szlig;te Stieber ebensogenau wie sein Kumpan Greif. Er z&ouml;gerte daher, es dem Gerichte vorzulegen, denn diesmal handelte es sich nicht um Aussagen hinter den Gef&auml;ngnisgittern von Mazas. Da kam der Brief von Marx. Nun war dem Stieber geholfen. Kothes ist eine blo&szlig;e Adresse, denn das Schreiben selbst ist nicht an Kothes gerichtet, sondern an das lateinische B, das sich auf der R&uuml;ckseite des einliegenden verschlossenen Schreibens findet. Kothes ist also faktisch blo&szlig; eine Adresse. Nehmen wir nun an, er sei eine <I>geheime </I>Adresse. Nehmen wir ferner an, er sei die geheime Adresse, worunter Marx mit den K&ouml;lner Angeklagten korrespondiert. Nehmen wir endlich an, unsre Londoner Agenten h&auml;tten durch denselben Kurier gleichzeitig das Originalprotokollbuch und diese geheime Adresse geschickt, der Brief sei aber zwei Tage sp&auml;ter eingetroffen als Kurier, Adresse und Protokollbuch. Wir schlagen so zwei Fliegen mit einer Klappe. Erstens beweisen wir die geheime Korrespondenz mit Marx, zweitens beweisen wir die Echtheit des Originalprotokollbuchs. Die Echtheit des Originalprotokollbuchs ist bewiesen durch die Richtigkeit der Adresse, die Richtigkeit der Adresse ist bewiesen durch den Brief. Die Zuverl&auml;ssigkeit und Wahrhaftigkeit unsrer Agenten ist bewiesen durch Adresse und Brief, die Echtheit des Originalprotokollbuchs ist bewiesen durch die <A NAME="S435"><B>&lt;435&gt;</A></B> Zuverl&auml;ssigkeit und Wahrhaftigkeit unsrer Agenten. Quod erat demonstrandum. &lt;Was zu beweisen war.&gt; Dann die heitere Kom&ouml;die mit dem ausw&auml;rtigen Polizeibeamten; dann mysteri&ouml;se Verhaftungen; Publikum, Geschworene und die Angeklagten selbst werden wie vom Donner ger&uuml;hrt sein.</P>
<P>Warum aber lie&szlig; Stieber, was doch so leicht war, seinen <I>au&szlig;erordentlichen Kurier </I>nicht am 13. Oktober eintreffen? Weil er sonst nicht au&szlig;erordentlich war, weil die Chronologie, wie wir gesehen, seine schwache Seite ist und der gemeine Kalender unter der W&uuml;rde eines preu&szlig;ischen Polizeirats liegt. &Uuml;berdem behielt er ja das Originalkuvert des Briefes zur&uuml;ck; wer sollte also der Sache auf die Spur kommen?</P>
<P>In seiner Aussage kompromittierte sich Stieber jedoch von vornherein durch das Verschweigen einer Tatsache. Kannten seine Agenten die Adresse des Kothes, so kannten sie auch den Mann, den das mysteri&ouml;se B auf der R&uuml;ckseite des innern Briefes barg. Stieber war so wenig in die Mysterien des lateinischen B eingeweiht, da&szlig; er Becker am 17. Oktober im Gef&auml;ngnis durchsuchen lie&szlig;, um den Marxschen Brief bei ihm zu finden. Erst durch die Aussage des Kothes erfuhr er, da&szlig; Bermbach durch das B bezeichnet ward.</P>
<P>Wie aber war der Brief von Marx in die H&auml;nde der preu&szlig;ischen Regierung geraten? Sehr einfach. Die preu&szlig;ische Regierung erbricht regelm&auml;&szlig;ig die ihrer Post anvertrauten Briefe und tat es w&auml;hrend des K&ouml;lner Prozesses mit besonderer Ausdauer. Aachen und Frankfurt a. M. wissen davon zu erz&auml;hlen. Es ist ein reiner Zufall, was entschl&uuml;pft oder erwischt wird.</P>
<P>Mit dem Originalkurier fiel auch das Originalprotokollbuch. Stieber ahnte dies nat&uuml;rlich noch nicht in der Sitzung vom 23. Oktober, als er triumphierend den Inhalt des Neuen Testamentes, des roten Buches offenbarte. Das n&auml;chste Resultat seiner Aussagen war die abermalige Verhaftung Bermbachs, der den Gerichtsverhandlungen als Zeuge beiwohnte.</P>
<P>Warum ward Bermbach abermals verhaftet?</P>
<P>Wegen der bei ihm gefundenen Papiere? Nein, denn nach der Haussuchung wurde er wieder in Freiheit gesetzt. Seine Verhaftung fiel 24 Stunden sp&auml;ter als die des Kothes vor. Wenn er also kompromittierende Dokumente besessen h&auml;tte, waren sie sicher verschwunden. Warum also die Verhaftung des Zeugen Bermbach, w&auml;hrend die Zeugen Hentze, H&auml;tzel, Steingens, deren Mitwissenschaft oder Teilnahme am Bund konstatiert war, ruhig auf der Zeugenbank sa&szlig;en?</P>
<P>Bermbach hatte einen Brief von Marx empfangen, der eine blo&szlig;e Kritik der Anklage enthielt und nichts weiter. Stieber gab die Tatsache zu - denn <A NAME="S436"><B>&lt;436&gt;</A></B> der Brief lag den Geschwornen vor. Er dr&uuml;ckte nur die Tatsache in seiner polizeilich-hyperbolischen Manier folgenderma&szlig;en aus: "Marx selbst &uuml;bt von London einen fortw&auml;hrenden Einflu&szlig; auf den gegenw&auml;rtigen Proze&szlig;." Und die Geschworenen fragten sich selbst, wie Guizot seine W&auml;hler: Est-ce que vous vous sentez corrompus? &lt;F&uuml;hlen Sie sich bestochen?&gt; Warum also Bermbachs Verhaftung? Die preu&szlig;ische Regierung suchte von Beginn der Untersuchung den Angeklagten die Verteidigungsmittel <I>prinzipiell</I>, <I>systematisch </I>abzuschneiden. Den Advokaten wurde, wie sie in &ouml;ffentlicher Sitzung erkl&auml;ren, in direktem Widerspruch mit dem Gesetz der Verkehr mit den Angeklagten, selbst nach Zustellung der Anklageakte, untersagt. Seit dem 5. August 1851 war Stieber nach eigener Aussage im Besitze des Archives Dietz. Das Archiv Dietz wurde der Anklageakte nicht beigef&uuml;gt. Erst am 18. Oktober 1852, mitten in &ouml;ffentlicher Sitzung, wird es produziert, nur so weit produziert, als dem Stieber gut d&uuml;nkt. Geschworne, Angeklagte und Publikum sollten &uuml;berrascht, &uuml;berrumpelt werden, die Advokaten sollten der Polizei&uuml;berraschung waffenlos gegen&uuml;berstehen.</P>
<P>Und nun gar seit Vorlage<I> </I>des Originalprotokollbuchs! Die preu&szlig;ische Regierung zitterte vor Enth&uuml;llungen. Bermbach aber hatte Verteidigungsmaterial von Marx erhalten; es war vorauszusehen, da&szlig; er Aufkl&auml;rungen &uuml;ber das Protokollbuch erhalten w&uuml;rde. Durch seine Verhaftung wurde ein neues Verbrechen proklamiert, die Korrespondenz mit Marx, und Gef&auml;ngnisstrafe auf dieses Verbrechen gesetzt. Das sollte jeden preu&szlig;ischen B&uuml;rger abhalten, sich zum Adressaten herzugeben. A bon entendeur demi mot. &lt;Wer gut begreift, braucht nur ein halbes Wort.&gt; Bermbach wurde <I>eingeschlossen</I>, um das Verteidigungsmaterial <I>auszuschlie&szlig;en</I>. Und Bermbach sitzt f&uuml;nf Wochen. H&auml;tte man ihn sofort nach Schlu&szlig; der Prozedur entlassen, so proklamierten die preu&szlig;ischen Gerichte offen ihre willenlos sklavische Unterwerfung unter die preu&szlig;ische Polizei. Bermbach sa&szlig; ad majorem gloriam &lt;zum h&ouml;heren Ruhm&gt; der preu&szlig;ischen Richter.</P>
<P>Stieber schw&ouml;rt, da&szlig;</P>
<FONT SIZE=2><P>"Marx nach Verhaftung der K&ouml;lner Angeklagten die Ruinen seiner Partei in London wieder zusammengef&uuml;gt und mit etwa achtzehn Personen eine neue Zentralbeh&ouml;rde gebildet" etc.</P>
</FONT><P>Diese Ruinen waren nie auseinandergegangen, sondern waren so gef&uuml;gt, da&szlig; sie seit dem September 1850 fortw&auml;hrend eine private society &lt;Gesellschaft&gt; bildeten. Stieber l&auml;&szlig;t sie durch ein Machtgebot verschwinden, um sie nach Verhaftung <A NAME="S437"><B>&lt;437&gt;</A></B> der K&ouml;lner Angeklagten durch ein anderes Machtgebot ins Leben zur&uuml;ckzurufen, und zwar als neue Zentralbeh&ouml;rde.</P>
<P>Montag, den 25. Oktober, traf die "K&ouml;lnische Zeitung" mit dem Bericht &uuml;ber Stiebers Aussage vom 23. Oktober in London ein.</P>
<P>Die "Partei Marx" hatte weder eine neue Zentralbeh&ouml;rde gebildet noch Protokolle &uuml;ber ihre Zusammenk&uuml;nfte gef&uuml;hrt. Sie erriet sofort den Hauptfabrikanten des Neuen Testamentes - <I>Wilhelm Hirsch aus Hamburg.</P>
</I><P>Hirsch meldete sich Anfang Dezember 1851 bei der "Gesellschaft Marx" als kommunistischer Fl&uuml;chtling. Briefe aus Hamburg denunzierten ihn gleichzeitig als Spion. Man beschlo&szlig; indes, ihn einstweilen in der Gesellschaft zu dulden, zu &uuml;berwachen und sich Beweise &uuml;ber seine Schuld oder Unschuld zu verschaffen. In der Zusammenkunft vom 15. Januar 1852 wurde ein Brief aus K&ouml;ln verlesen, worin ein Freund von Marx der abermaligen Verschleppung des Prozesses gedenkt und der Schwierigkeit, selbst f&uuml;r Verwandte, Zutritt zu den Gefangenen zu erhalten. Bei dieser Gelegenheit wird Frau Dr. Daniels erw&auml;hnt. Es fiel auf, da&szlig; Hirsch seit dieser Sitzung weder in "unmittelbarer N&auml;he" noch in der Perspektive erblickt wurde. Am 2. Februar 1852 erhielt Marx von K&ouml;ln die Anzeige, bei Frau Dr. Daniels sei Haussuchung gehalten worden infolge einer Polizeidenunziation, wonach ein Brief der Frau Daniels an Marx in der Londoner kommunistischen Gesellschaft verlesen und Marx beauftragt worden sei, der Frau Dr. Daniels zu antworten, Marx besch&auml;ftige sich damit, den Bund in Deutschland zu reorganisieren usw. Diese Denunziation bildet w&ouml;rtlich die erste Seite des Originalprotokollbuchs. - Marx antwortete umgehend, da Frau Daniels nie an ihn geschrieben, k&ouml;nne er keinen Brief von ihr verlesen haben. Die ganze Denunziation sei die Erfindung eines gewissen Hirsch, eines l&uuml;derlichen jungen Menschen, dem es nicht darauf ankomme, f&uuml;r bares Geld der preu&szlig;ischen Polizei so viele L&uuml;gen aufzubinden, als sie w&uuml;nsche.</P>
<P>Seit dem 15. Januar war Hirsch aus den Zusammenk&uuml;nften verschwunden; er wurde jetzt definitiv aus der Gesellschaft ausgeschlossen. Zugleich beschlo&szlig; man, das Gesellschaftslokal und den Tag der Zusammenkunft zu wechseln. Bisher war man zusammengekommen in Farringdon Street, City, bei J. W. Masters, Markethouse und zwar <I>donnerstags</I>. Nun verlegte man den Tag der Zusammenkunft auf <I>Mittwoch </I>und das Gesellschaftslokal nach Rose and Crown Tavern, Crown Street, Soho. Hirsch, den "der Polizeidirektor Schulz unerkannt in die N&auml;he von Marx zu bringen wu&szlig;te", kannte trotz der "N&auml;he" noch acht Monate sp&auml;ter weder Gesellschaftslokal noch Zusammenkunftstag. Vor wie nach Februar verharrte er dabei, sein <I>"Originalprotokollbuch" </I>an einem Donnerstag zu fabrizieren und von einem <A NAME="S438"><B>&lt;438&gt;</A></B> Donnerstag zu datieren. Man schlage die "K&ouml;lnische Zeitung" nach, und man findet: Protokoll vom 15. Januar (Donnerstag), item 29. Januar (Donnerstag), und 4. M&auml;rz (Donnerstag), und 13. Mai (Donnerstag), und 20. Mai (Donnerstag), und 22. Juli (Donnerstag), und 29. Juli (Donnerstag), und 23. September (Donnerstag) und 30. September (Donnerstag).</P>
<P>Der Wirt der Rose and Crown Tavern gab vor dem Magistrat von Marlborough Street die Erkl&auml;rung ab, da&szlig; die "Gesellschaft des Dr. Marx" sich seit Februar 1852 jeden Mittwoch bei ihm versammle. Liebknecht und Rings, von Hirsch zu Sekret&auml;ren seines Originalprotokollbuchs ernannt, lie&szlig;en ihre Unterschriften vor demselben Magistrat beglaubigen. Endlich verschaffte man sich die Protokolle, die Hirsch im Stechanschen Arbeiterverein gef&uuml;hrt hatte, so da&szlig; seine Handschrift mit der des Originalprotokollbuchs verglichen werden konnte.</P>
<P>So war die Unechtheit des Originalprotokollbuchs bewiesen, ohne da&szlig; es n&ouml;tig war, auf die Kritik eines Inhaltes einzugehen, der sich in seinen eigenen Widerspr&uuml;chen aufl&ouml;st.</P>
<P>Die Schwierigkeit bestand darin, den Advokaten die Dokumente zuzusenden. Die preu&szlig;ische Post war nur noch ein Vorposten, von den Grenzen des preu&szlig;ischen Staates bis nach K&ouml;ln aufgestellt, um den Verteidigern die Waffenzufuhr abzuschneiden.</P>
<P>Man mu&szlig;te zu Umwegen seine Zuflucht nehmen, und die ersten Dokumente, am 25. Oktober abgeschickt, konnten erst am 30. Oktober in K&ouml;ln ankommen.</P>
<P>Die Advokaten waren daher zun&auml;chst auf die in K&ouml;ln selbst sparsam zug&auml;nglichen Verteidigungsmittel angewiesen. Stieber erhielt den ersten Sto&szlig; von einer Seite, von der er ihn nicht erwartete. Justizrat M&uuml;ller, der Vater der Frau Dr. Daniels, ein als Jurist geachteter und wegen seiner konservativen Richtung bekannter B&uuml;rger, erkl&auml;rte in der "K&ouml;lnischen Zeitung" vom 26. Oktober, da&szlig; seine Tochter nie mit Marx korrespondiert habe und da&szlig; das Originalbuch des Stieber eine "Mystifikation" sei. Der am 3. Februar 1852 nach K&ouml;ln gesandte Brief, worin Marx den Hirsch als Mouchard und Fabrikanten falscher Polizeinotizen bezeichnete, wurde zuf&auml;llig aufgefunden und der Verteidigung zugestellt. In der Austrittserkl&auml;rung der "Partei Marx" aus dem Great Windmill Verein, die im Archiv Dietz vorlag, fand sich die echte Handschrift des W. Liebknecht. Endlich erhielt Advokat Schneider II von dem Sekret&auml;r der K&ouml;lnischen Armenverwaltung, Birnbaum, echte Briefe des Liebknecht und von dem Privatschreiber Schmitz echte Briefe des Rings. Auf dem Gerichtssekretariat verglichen die Advokaten das Protokollbuch teils mit Liebknechts Handschrift in der Austrittserkl&auml;rung, teils mit Briefen von Rings und Liebknecht.</P>
<B><P><A NAME="S439">&lt;439&gt;</A></B> Stieber, schon durch die Erkl&auml;rung des Justizrats M&uuml;ller beunruhigt, erhielt Kunde von diesen Unheil verk&uuml;ndenden Schriftforschungen. Um dem drohenden Schlage zuvorzukommen, springt er wieder vor in der Sitzung vom 27. Oktober und erkl&auml;rt:</P>
<FONT SIZE=2><P>"Der Umstand sei ihm sehr verd&auml;chtig gewesen, da&szlig; die in dem Buche vorkommende Unterschrift des Liebknecht von einer anderen, bereits in den Akten enthaltenen sehr abweichend erschienen sei. Er habe deshalb weitere Erkundigungen eingezogen und geh&ouml;rt, da&szlig; der Unterzeichner der fraglichen Protokolle <B>H</B>. Liebknecht hei&szlig;e, w&auml;hrend dem in den Akten vorkommenden Namen <B>W</B>. vorstehe."</P>
</FONT><P>Auf die Frage des Advokaten Schneider II: "Wer ihm mitgeteilt, da&szlig; auch ein H. Liebknecht existiere", verweigert Stieber die Antwort. Schneider II fragt ihn weiter nach Auskunft &uuml;ber die Personen des Rings und Ulmer, die neben Liebknecht als Sekret&auml;re unter dem Protokollbuche figurieren. Stieber ahnt eine neue Falle. Dreimal &uuml;berh&ouml;rt er die Frage und sucht seine Verlegenheit zu verbergen, sucht Fassung zu gewinnen, indem er dreimal ohne allen Anla&szlig; wiederholt, wie er in den Besitz des Protokollbuchs gelangt ist. Endlich stammelt er: Rings und Ulmer m&ouml;chten wohl keine wirklichen, sondern blo&szlig;e <I>"Bundesnamen" </I>sein. Die best&auml;ndig im Protokollbuche wiederholte Anf&uuml;hrung der Frau Daniels als Korrespondentin von Marx erkl&auml;rt Stieber dadurch, da&szlig; man vielleicht Frau Dr. Daniels lesen und Notariatskandidat Bermbach <I>verstehen </I>m&uuml;sse. Advokat v. Hontheim interpelliert ihn wegen des Hirsch.</P>
<FONT SIZE=2><P>"Auch diesen Hirsch", schw&ouml;rt Stieber, "<I>kenne er nicht</I>. Da&szlig; derselbe aber nicht, wie das Ger&uuml;cht gehe, ein preu&szlig;ischer Agent sei, gehe daraus hervor, da&szlig; man preu&szlig;ischerseits auf denselben vigiliert habe."</P>
</FONT><P>Auf seinen Wink summt Goldheim hervor:</P>
<FONT SIZE=2><P>"Er sei im Oktober d. J. 1851 nach Hamburg geschickt worden, um des Hirsch habhaft zu werden."</P>
</FONT><P>Wir werden sehen, wie derselbe Goldheim am n&auml;chsten Tage nach London geschickt wird, um desselben Hirsch habhaft zu werden. Also derselbe Stieber, der behauptet, f&uuml;r bares Geld das Archiv Dietz und das Originalprotokollbuch von Fl&uuml;chtlingen gekauft zu haben, derselbe Stieber behauptet jetzt, Hirsch k&ouml;nne nicht preu&szlig;ischer Agent sein, weil er Fl&uuml;chtling sei! Je nachdem es ihm in den Kram pa&szlig;t, reicht es hin, Fl&uuml;chtling zu sein, um von Stieber die absolute Verk&auml;uflichkeit oder die absolute Unbestechlichkeit garantiert zu erhalten. Und ist nicht Fleury, den Stieber selbst in der Sitzung vom 3. November als Polizeiagenten denunziert, ist nicht auch dieser Fleury politischer Fl&uuml;chtling?</P>
<B><P><A NAME="S440">&lt;440&gt;</A></B> Nachdem so von allen Seiten Breschen in sein Originalprotokollbuch geschossen, res&uuml;miert sich Stieber am 27. Oktober mit klassischer Unversch&auml;mtheit dahin;</P>
<I><FONT SIZE=2><P>"Seine &Uuml;berzeugung von der Echtheit des Protokollbuchs stehe fester als je."</P>
</I></FONT><P>In der Sitzung vom 29. Oktober vergleicht der Sachverst&auml;ndige die von Birnbaum und Schmitz eingereichten Briefe des Liebknecht und Rings mit dem Protokollbuch und erkl&auml;rt die Unterschriften des Protokollbuchs f&uuml;r <I>falsch</I>.</P>
<P>In der Anklagerede erkl&auml;rt Oberprokurator Seckendorf:</P>
<FONT SIZE=2><P>"Die in dem Protokollbuch ermittelten Angaben stimmten mit anderw&auml;rts ermittelten Tatsachen &uuml;berein. Nur sei das &ouml;ffentliche Ministerium v&ouml;llig au&szlig;erstand, die Echtheit des Buches zu beweisen."</P>
</FONT><P>Das Buch ist echt, aber die Beweise der Echtheit fehlen. Neues Testament! Seckendorf geht weiter:</P>
<FONT SIZE=2><P>"Die Verteidigung hat aber selbst bewiesen, da&szlig; in dem Buche wenigstens viel Wahres enthalten, indem dasselbe uns &uuml;ber die T&auml;tigkeit des darin genannten Rings, von welcher bis jetzt keiner wu&szlig;te, Auskunft gab."</P>
</FONT><P>Wenn bis jetzt keiner &uuml;ber die T&auml;tigkeit des Rings wu&szlig;te, so gibt das Protokollbuch keine Auskunft dar&uuml;ber. Die Aussagen &uuml;ber die T&auml;tigkeit des Rings konnten also den <I>Inhalt </I>des Protokollbuchs nicht best&auml;tigen, und in bezug auf seine Form bewiesen sie, da&szlig; die Unterschrift eines Mitglieds der "Partei Marx" <I>in Wahrheit </I>falsch, nachgemacht sei. Sie bewiesen also nach Seckendorf, "da&szlig; in dem Buch wenigstens viel Wahres enthalten ist" - n&auml;mlich eine <I>wahre F&auml;lschung</I>. Oberprokurator (Saedt-Seckendorf) und Postdirektion hatten gemeinsam mit Stieber den Brief an Kothes erbrochen. Sie kannten also das Datum seiner Ankunft. Sie wu&szlig;ten also, da&szlig; Stieber einen Meineid schwor, als er den Kurier am 17. und sp&auml;ter am 10. Oktober, den Brief aber erst am 19., dann am 12. eintreffen lie&szlig;. Sie waren seine Komplizen.</P>
<P>In der Sitzung vom 27. Oktober suchte Stieber vergebens seine Fassung zu behaupten. Jeden Tag f&uuml;rchtete er das Eintreffen der Belastungsdokumente von London. Stieber f&uuml;hlte sich unwohl, und der in ihm inkarnierte preu&szlig;ische Staat f&uuml;hlte sich unwohl. Die Blo&szlig;stellung vor dem Publikum hatte eine gef&auml;hrliche H&ouml;he erreicht. Polizeileutnant Goldheim wurde daher am 28. Oktober nach London gesandt, um das Vaterland zu retten. Was machte Goldheim in London? Den Versuch, mit H&uuml;lfe des Greif und Fleury den Hirsch zu bewegen, nach K&ouml;ln zu kommen und unter dem Namen <I>H. Liebknecht </I>die Echtheit des Protokollbuchs zu beschw&ouml;ren. Eine f&ouml;rmliche Staats- <A NAME="S441"><B>&lt;441&gt;</A></B> pension wurde dem Hirsch angeboten, aber Hirsch besa&szlig; seinen Polizeiinstinkt so gut wie Goldheim. Hirsch wu&szlig;te, da&szlig; er weder Prokurator noch Polizeileutnant, noch Polizeirat, also nicht zum Meineid privilegiert war. Es ahnte dem Hirsch, da&szlig; man ihn fallenlassen werde, sobald die Sache schief gehe. Hirsch wollte nicht zum Bock werden, am wenigsten zum S&uuml;ndenbock. Hirsch schlug rund ab. Der christlich-germanischen Regierung Preu&szlig;ens bleibt aber der Ruhm, da&szlig; sie einen falschen Zeugen zu kaufen suchte in einer Kriminalprozedur, wo es sich um die K&ouml;pfe ihrer angeklagten Landeskinder handelte.</P>
<P>Goldheim kehrt also unverrichtetersache nach K&ouml;ln zur&uuml;ck.</P>
<P>In der Sitzung vom 3. November, nach Beendigung der Anklagerede, vor Beginn der Verteidigung, zwischen T&uuml;r und Angel, springt Stieber noch einmal dazwischen.</P>
<FONT SIZE=2><P>"Er habe" schw&ouml;rt Stieber, "nun weitere Recherchen &uuml;ber das Protokollbuch veranla&szlig;t. Er habe den Polizeileutnant Goldheim von K&ouml;ln nach London geschickt und diesem den Auftrag erteilt, jene Recherchen vorzunehmen. Goldheim sei am 28. Oktober abgereist, am 2. November wieder eingetroffen. Hier sei Goldheim."</P>
</FONT><P>Auf einen Wink des Gebieters summt Goldheim vor und schw&ouml;rt:</P>
<FONT SIZE=2><P>"Er habe sich, in London angekommen, zun&auml;chst an den Polizeileutnant Greif gewandt, dieser habe ihn zu dem Polizeiagenten Fleury in dem Stadtteil Kensington gef&uuml;hrt, als zu demjenigen Agenten, der das Buch an Greif gegeben habe. Fleury habe dies ihm, dem Zeugen Goldheim, einger&auml;umt und behauptet, da&szlig; er das Buch wirklich von einem Mitglied der Marxschen Partei, namens H. Liebknecht, erhalten habe. Fleury habe die Quittung des H. Liebknecht &uuml;ber das f&uuml;r das Buch erhaltene Geld ausdr&uuml;cklich anerkannt. Zeuge habe des Liebknecht selbst nicht in London habhaft werden k&ouml;nnen, da dieser sich nach der Behauptung des Fleury gescheut habe, &ouml;ffentlich hervorzutreten. Er, Zeuge, habe in London die &Uuml;berzeugung erhalten, da&szlig; der Inhalt des Buchs, einige Irrt&uuml;mer abgerechnet, <I>ganz echt </I>sei. Er habe dies namentlich durch zuverl&auml;ssige Agenten, welche den Sitzungen des Marx beigewohnt h&auml;tten, best&auml;tigt erhalten, aber das Buch sei kein Originalprotokollbuch, sondern nur ein <I>Notizenbuch </I>&uuml;ber die Vorg&auml;nge in den Marxischen Sitzungen. F&uuml;r die allerdings noch nicht v&ouml;llig aufgekl&auml;rte Entstehungsart des Buches gebe es nur zwei Wege. Entweder r&uuml;hre solches, wie der Agent fest versichert, wirklich von Liebknecht her, der, um seinen Verrat nicht klarzumachen, es vermieden habe, seine Handschrift herzugeben, oder der Agent Fleury habe die Notizen zu dem Buche von zwei andern Freunden des Marx, den Fl&uuml;chtlingen Dronke und Imandt, erhalten und habe diese Notizen, um seiner Ware einen desto h&ouml;heren Wert zu geben, in die Form eines Originalprotokollbuchs gebracht. Es sei n&auml;mlich durch den Polizeileutnant Greif amtlich festgestellt worden, da&szlig; Dronke und Imandt mit Fleury h&auml;ufig verkehrt h&auml;tten ... Der Zeuge Goldheim versichert, da&szlig; er sich in London &uuml;berzeugt habe, wie alles, was fr&uuml;her &uuml;ber die geheimen Sitzungen bei <A NAME="S442"><B>&lt;442&gt;</A></B> Marx, &uuml;ber die Verbindungen zwischen London und K&ouml;ln, &uuml;ber den geheimen Briefwechsel usw. angegeben sei, v&ouml;llig der Wahrheit entspreche. Zum Beweise, wie gut die preu&szlig;ischen Agenten noch heute in London unterrichtet seien, f&uuml;hrt Zeuge Goldheim an, da&szlig; am 27. Oktober eine ganz geheime Sitzung bei Marx stattgefunden habe, in welcher man die Schritte beraten, welche gegen das Protokollbuch und namentlich gegen den der Londoner Partei sehr unangenehmen Polizeirat Stieber ergriffen werden sollten. Die betreffenden Beschl&uuml;sse und Dokumente seien ganz geheim an den Advokatanwalt Schneider II geschickt worden. Unter den an Schneider II geschickten Papieren sei namentlich noch ein Privatschreiben, das Stieber selbst im Jahr 1848 an Marx nach K&ouml;ln geschrieben und das Marx sehr geheim gehalten, weil er damit den Zeugen Stieber zu kompromittieren hoffe."</P>
</FONT><P>Zeuge <I>Stieber </I>springt vor und erkl&auml;rt, er habe damals wegen einer infamen Verleumdung an Marx geschrieben, ihm einen Proze&szlig; angedroht etc.</P>
<FONT SIZE=2><P>"Kein Mensch au&szlig;er Marx und ihm k&ouml;nne dies wissen, und sei dies allerdings der beste Beweis f&uuml;r die Richtigkeit der aus London gekommenen Mitteilungen."</P>
</FONT><P>Also nach Goldheim ist das Originalprotokollbuch, die falschen Partien abgerechnet, <I>"ganz echt"</I>. Was ihn von der Echtheit &uuml;berf&uuml;hrt hat, ist namentlich der Umstand, da&szlig; das Originalprotokollbuch kein Originalprotokollbuch, sondern nur ein <I>"Notizenbuch" </I>ist. Und Stieber? Stieber f&auml;llt nicht aus den Wolken, ein Stein f&auml;llt ihm vielmehr vom Herzen. Vor Toresschlu&szlig;, als das letzte Wort der Anklage kaum noch verhallt und das erste Wort der Verteidigung noch nicht erschallt ist, l&auml;&szlig;t Stieber durch seinen Goldheim das Originalprotokollbuch noch rasch in ein Notizenbuch verwandeln. Wenn zwei Polizisten sich wechselseitig der L&uuml;ge zeihen, beweist das nicht, da&szlig; sie beide der Wahrheit fr&ouml;nen? Stieber hat sich durch Goldheim den R&uuml;ckzug gedeckt.</P>
<P>Goldheim schw&ouml;rt,</P>
<FONT SIZE=2><P>"er habe sich, in London angekommen, zun&auml;chst an den Polizeileutnant Greif gewandt, dieser habe ihn zu dem Polizeiagenten Fleury in dem Stadtteil Kensington gef&uuml;hrt".</P>
</FONT><P>Wer wird nun nicht schw&ouml;ren, da&szlig; der arme Goldheim mit dem Polizeileutnant Greif sich m&uuml;de gerannt und gefahren hat, ehe er in dem entlegenen Stadtteil Kensington bei Fleury ankam? Aber Polizeileutnant Greif wohnt im Hause des Polizeiagenten Fleury, und zwar in der oberen Etage des Fleuryschen Hauses, so da&szlig; in Wirklichkeit nicht der Greif den Goldheim zu Fleury, sondern der Fleury den Goldheim zu Greif f&uuml;hrte.</P>
<P>"Der Polizeiagent Fleury im Stadtteil Kensington!" Welche Bestimmtheit! K&ouml;nnt ihr noch an der Wahrhaftigkeit der preu&szlig;ischen Regierung <A NAME="S443"><B>&lt;443&gt;</A></B> zweifeln, die ihre eigenen Mouchards denunziert, mit Namen und Wohnung, mit Haut und Haar? ist das Protokollbuch falsch, haltet euch nur an den "Polizeiagenten Fleury in Kensington". Jawohl. An den Privatsekret&auml;r Pierre im 13. Arrondissement. Wenn man ein Individuum spezifizieren will, so nennt man nicht nur seinen Familiennamen, sondern auch seinen Vornamen. Nicht <I>Fleury</I>, sondern <I>Charles </I>Fleury. Man bezeichnet das Individuum mit dem Gesch&auml;ft, das es &ouml;ffentlich f&uuml;hrt, nicht mit einem Gewerbe, das es heimlich treibt. Also <I>Kaufmann Charles Fleury</I>, nicht Polizeiagent Fleury. Und wenn man seine Wohnung angeben will, so bezeichnet man nicht blo&szlig; ein Londoner Stadtviertel, das selbst wieder eine Stadt ist, sondern Stadtviertel, Stra&szlig;e und Hausnummer. Also nicht Polizeiagent Fleury in Kensington, sondern <I>Kaufmann Charles Fleury</I>, <I>17 Victoria Road</I>, <I>Kensington</I>.</P>
<P>Aber "<I>Polizeileutnant </I>Greif", das ist wenigstens von der Leber weg gesprochen. Wenn aber Polizeileutnant Greif sich in London an die Gesandtschaft attachiert und aus dem Leutnant ein attach&eacute; wird, so ist das ein attachement, welches die Gerichte nichts angeht. Der Zug des Herzens ist des Schicksals Stimme.</P>
<P>Also der Polizeileutnant Goldheim versichert, der Polizeiagent Fleury versichere, er habe das Buch von einem Menschen erhalten, der wirklich versichere, H. Liebknecht zu sein, und dem Fleury sogar eine Quittung ausgestellt habe. Nur konnte Goldheim des H. Liebknecht nicht "habhaft werden" zu London. Goldheim konnte also ruhig zu K&ouml;ln bleiben, denn die Versicherung des Polizeirats Stieber wird dadurch nicht fetter, da&szlig; sie nur als eine Versicherung des Polizeileutnants Goldheim erscheint, die der Polizeileutnant Greif versichert, dem seinerseits wieder der Polizeiagent Fleury den Gefallen tut, seine Versicherung zu versichern.</P>
<P>Unbeirrt durch seine wenig aufmunternden Londoner Erfahrungen hat sich Goldheim mit dem ihm eigent&uuml;mlichen gro&szlig;en &Uuml;berzeugungsverm&ouml;gen, das ihm das Urteilsverm&ouml;gen ersetzen mu&szlig;, <I>"v&ouml;llig" </I>&uuml;berzeugt, da&szlig; <I>"alles"</I>, was Stieber &uuml;ber die "Partei Marx", ihre Verbindungen mit K&ouml;ln usw. beschworen hat, "<I>alles v&ouml;llig </I>der Wahrheit entspreche". Und jetzt, nachdem ihm sein Subalternbeamter Goldheim ein testimonium paupertatis &lt;Armutszeugnis&gt; ausgestellt hat, Polizeirat Stieber w&auml;re noch jetzt nicht gedeckt? Ein Resultat hat Stieber durch seine Art zu schw&ouml;ren erreicht, er hat die preu&szlig;ische Hierarchie umgest&uuml;lpt. Ihr glaubt dem Polizeirat nicht? Gut. Er hat sich kompromittiert. Ihr werdet dann doch dem Polizeileutnant glauben. Ihr glaubt dem Polizeileutnant nicht? Noch besser, Dann bleibt euch nichts &uuml;brig, als wenigstens <A NAME="S444"><B>&lt;444&gt;</A></B> dem Polizeiagenten, alias mouchardus vulgaris &lt;anders gesagt, dem gemeinen Spitzel&gt;, zu glauben. Solche ketzerische Begriffsverwirrung richtet der <I>schw&ouml;rende Stieber </I>an.</P>
<P>Nachdem Goldheim bisher den Beweis geliefert, da&szlig; er zu London die Nichtexistenz des Originalprotokollbuches und von der Existenz des H. Liebknecht nur das konstatiert hat, da&szlig; ihrer zu London nicht "habhaft" zu werden ist, nachdem er sich eben dadurch &uuml;berzeugt, da&szlig; <I>"alle" </I>Aussagen des Stieber &uuml;ber die "Partei Marx" <I>"v&ouml;llig der Wahrheit" </I>entsprechen, mu&szlig; er doch endlich, au&szlig;er diesen negativen Argumenten, worin nach Seckendorf zwar "viel Wahres" liegt, auch das positive Argument liefern, "wie gut die preu&szlig;ischen Agenten noch heute in London unterrichtet sind". Als Probe f&uuml;hrt er an, am 27. Oktober habe eine "ganz geheime Sitzung bei Marx stattgefunden". In dieser ganz geheimen Sitzung habe man die Schritte gegen das Protokollbuch und den "sehr unangenehmen" Polizeirat Stieber beraten. Die betreffenden Dekrete und Beschl&uuml;sse seien "ganz geheim an den Advokat Schneider II geschickt worden".</P>
<P>Obgleich die preu&szlig;ischen Agenten diesen Sitzungen beiwohnten, blieb ihnen der Weg, den diese Briefe nahmen, jedoch so "ganz geheim", da&szlig; die Post sie trotz aller Anstrengungen nicht abzuhalten vermochte. Man h&ouml;re, wie im alternden Gem&auml;uer melancholisch noch das Heimchen zirpt:</P>
<FONT SIZE=2><P>"Die betreffenden Briefe und Dokumente seien ganz geheim an den Advokat Schneider II geschickt worden."</P>
</FONT><P>Ganz geheim f&uuml;r die geheimen Agenten des Goldheim.</P>
<P>Die imagin&auml;ren Beschl&uuml;sse &uuml;ber das Protokollbuch k&ouml;nnen nicht am 27. Oktober in der ganz geheimen Sitzung bei Marx gefa&szlig;t worden sein, da Marx schon am 25. Oktober die Hauptberichte &uuml;ber die Unechtheit des Protokollbuches, zwar nicht an Schneider II, wohl aber an Herrn v. Hontheim sandte.</P>
<P>Da&szlig; &uuml;berhaupt Dokumente nach K&ouml;ln geschickt worden, das sagte der Polizei nicht nur ihr b&ouml;ses Gewissen. Am 29. Oktober langte Goldheim in London an. Am 30. Oktober fand Goldheim im "Morning Advertiser", im "Spectator", im "Examiner", im "Leader", im "Peoples' Paper" eine Erkl&auml;rung, gez. Engels, Freiligrath, Marx und Wolff , worin diese das englische Publikum auf die Enth&uuml;llungen verweisen, welche die Verteidigung &uuml;ber die forgery, perjury, falsification of documents &lt;F&auml;lschungen, Meineide, Verf&auml;lschungen von Dokumenten&gt;, kurz &uuml;ber die preu&szlig;ischen Polizei-Infamien bringen werde. So "ganz geheim" wurde das Versenden der Dokumente gehalten, da&szlig; die "Partei Marx" das englische Publikum &ouml;ffent- <A NAME="S445"><B>&lt;445&gt;</A></B> lich davon in Kenntnis setzte, allerdings erst am 30. Oktober, nachdem Goldheim in London und die Dokumente in K&ouml;ln angelangt sind.</P>
<P>Indes auch am 27. Oktober wurden Dokumente nach K&ouml;ln geschickt. Woher erfuhr die allwissende preu&szlig;ische Polizei dies?</P>
<P>Die preu&szlig;ische Polizei agierte nicht ganz geheim, wie die "Partei Marx". Sie hatte vielmehr ganz &ouml;ffentlich zwei ihrer Mouchards seit Wochen vor das Haus von Marx aufgepflanzt, die ihn du soir jusqu'au matin und du matin jusqu'au soir &lt;von abends bis morgens und von morgens bis abends&gt; von der Stra&szlig;e aus beobachteten und ihm auf Schritt und Tritt nachgingen. Nun hatte Marx am 27. Oktober die ganz geheimen Dokumente, die die echten Handschriften des Liebknecht und Rings und die Aussage des Wirtes der Crown Tavern &uuml;ber den Zusammenkunftstag enthielten, diese ganz geheimen Dokumente hatte er in dem ganz &ouml;ffentlichen Polizeigerichte in Marlborough Street in Gegenwart der Reporter der englischen Tagespresse amtlich beglaubigen lassen. Die preu&szlig;ischen Schutzengel folgten ihm von seiner Wohnung nach Marlborough Street und von Marlborough Street nach seiner Wohnung zur&uuml;ck und von seiner Wohnung wieder nach der Post. Sie verschwanden erst, als Marx einen ganz geheimen Gang zum Polizeirichter des Viertels machte, um einen Verhaftsbefehl gegen seine zwei "Anh&auml;nger" zu erwirken.</P>
<P>&Uuml;brigens hatte die preu&szlig;ische Regierung noch einen andern Weg. Marx sandte n&auml;mlich die am 27. Oktober beglaubigten und vom 27. Oktober datierten Dokumente direkt durch die Post nach K&ouml;ln, um das <I>ganz geheim </I>abgeschickte <I>Duplikat </I>derselben vor den Griffen des preu&szlig;ischen Adlers zu sichern. Post und Polizei zu K&ouml;ln wu&szlig;ten also, da&szlig; vom 27. Oktober datierte Dokumente von Marx verschickt waren, und Goldheim brauchte nicht nach London zu reisen, um das Geheimnis zu entdecken.</P>
<P>Goldheim f&uuml;hlt, da&szlig; er endlich <I>"namentlich" </I>irgend etwas "namentlich" angeben m&uuml;sse, was in der "ganz geheimen Sitzung vom 27. Oktober" an Schneider II zu schicken beschlossen wurde, und er <I>nennt </I>den von Stieber an Marx gerichteten Brief. Leider hat aber Marx diesen Brief nicht am 27., sondern am 25. Oktober, und nicht an Schneider II, sondern an Herrn v. Hontheim geschickt. Aber woher wu&szlig;te die Polizei, da&szlig; Marx &uuml;berhaupt den Brief Stiebers noch besa&szlig; und der Verteidigung zuschicken werde? Doch lassen wir Stieber wieder vorspringen.</P>
<P>Stieber hofft Schneider II von der Vorlesung des ihm sehr "unangenehmen Briefes" abzuhalten, indem er das Pr&auml;venire spielt. Wenn Goldheim sagt, Schneider II besitze meinen Brief, und zwar durch "kriminelle Verbindung <A NAME="S446"><B>&lt;446&gt;</A></B> mit Marx", kalkuliert Stieber, so wird Schneider II den Brief unterdr&uuml;cken, um zu beweisen, da&szlig; Goldheims Agenten falsch unterrichtet sind und er selber nicht in krimineller Verbindung mit Marx steht. Stieber springt also vor, gibt den Inhalt des Briefes falsch an und schlie&szlig;t mit dem erstaunlichen Ausruf:</P>
<FONT SIZE=2><P>"Kein Mensch au&szlig;er ihm und Marx k&ouml;nne dies wissen, und sei dies allerdings der <I>beste Beweis der Glaubw&uuml;rdigkeit </I>der aus London gekommenen Mitteilungen."</P>
</FONT><P>Stieber besitzt eine eigent&uuml;mliche Methode, ihm unangenehme Geheimnisse verborgen zu halten. Wenn er nicht spricht, mu&szlig; alle Welt schweigen. Au&szlig;er ihm und einer gewissen &auml;ltlichen Dame kann daher "kein Mensch wissen", da&szlig; er einst in der N&auml;he von Weimar als homme entretenu &lt;ausgehaltener Mann&gt; gelebt hat. Aber wenn Stieber allen Grund hatte, niemand au&szlig;er Marx, hatte Marx allen Grund, jedermann au&szlig;er Stieber von dem Briefe wissen zu lassen. Man kennt jetzt den <I>besten Beweis </I>der aus London gekommenen Mitteilungen. Wie mag Stiebers schlechtester Beweis aussehen?</P>
<P>Aber Stieber schw&ouml;rt wieder wissentlich einen Meineid, wenn er sagt, "kein Mensch au&szlig;er mir und Marx k&ouml;nne dies wissen". Er wu&szlig;te, da&szlig; nicht Marx, sondern ein anderer Redakteur der "Rheinischen Zeitung" auf seinen Brief geantwortet hatte. Das war jedenfalls "ein Mensch au&szlig;er ihm und Marx". Damit noch mehr Menschen davon wissen, lassen wir hier den Brief folgen:</P>
<FONT SIZE=2><P>"In Nr. 177 der 'Neuen Rheinischen Zeitung' findet sich eine Korrespondenznachricht aus Frankfurt a. M. vom 21 Dezember, welche die niedertr&auml;chtige L&uuml;ge enth&auml;lt, da&szlig; ich als Polizeispion nach Frankfurt gegangen sei, um unter dem Schein demokratischer Gesinnung die M&ouml;rder des F&uuml;rsten Lichnowski und des Generals Auerswald zu ermitteln. Ich bin allerdings am 21. in Frankfurt gewesen, habe mich dort nur einen Tag aufgehalten und habe dort, wie Sie aus beiliegender Bescheinigung ersehen werden, nur eine Privatangelegenheit der hiesigen Frau v. Schwezler zu regulieren gehabt, ich bin l&auml;ngst nach Berlin zur&uuml;ckgekehrt, wo ich meine T&auml;tigkeit als Defensor l&auml;ngst wieder begonnen habe. Ich verweise Sie &uuml;brigens auf die bereits in dieser Angelegenheit ergangene offizielle Berichtigung in Nr. 338 der 'Frankfurter Oberpostamts-Zeitung' vom 21. Dezember und Nr. 248 der hiesigen 'National-Zeitung'. Ich glaube von Ihrer Wahrheitsliebe erwarten zu d&uuml;rfen, da&szlig; Sie sofort die anliegende Berichtigung in Ihr Blatt aufnehmen und mir den Einsender der l&uuml;genhaften Nachricht, der Ihnen gesetzlich obliegenden Verpflichtung gem&auml;&szlig;, nennen werden, da ich eine solche Verleumdung unm&ouml;glich unger&uuml;gt lassen kann und ich sonst zu meinem Bedauern gen&ouml;tigt sein werde, gegen eine wohll&ouml;bliche Redaktion selbst Schritte zu unternehmen.</P>
<B><P><A NAME="S447">&lt;447&gt;</A></B> Ich glaube, da&szlig; die Demokratie in neuester Zeit niemandem mehr Dank schuldig ist als gerade <I>mir</I>. Ich bin es gewesen, der Hunderte angeklagter Demokraten aus den Netzen der Kriminaljustiz gerissen hat. Ich bin es gewesen, der noch im hiesigen Belagerungszustand, als die feigen, erb&auml;rmlichen Kerle (sogenannte Demokraten) l&auml;ngst das Feld ger&auml;umt hatten, unerschrocken und emsig den Beh&ouml;rden entgegengetreten ist und es noch heute tut. Wenn demokratische Organe in solcher Weise mit mir umgehen, so ist das wenig Aufmunterung zu ferneren Bestrebungen.</P>
<P>Das Beste bei der Sache ist aber im vorliegenden Falle die Plumpheit der demokratischen Organe. Das Ger&uuml;cht, ich ginge als Polizeiagent nach Frankfurt, ist zuerst von der 'Neuen Preu&szlig;ischen Zeitung', diesem ber&uuml;chtigten Organ der Reaktion, ausgesprengt worden, um meine ihr st&ouml;rende T&auml;tigkeit als Defensor zu untergraben. Die andern Berliner Bl&auml;tter haben dies l&auml;ngst berichtigt. Die demokratischen Organe sind aber so ungeschickt, eine solche dumme L&uuml;ge nachzubeten. Wollte ich als Spion nach Frankfurt gehen, so w&uuml;rde es gewi&szlig; nicht vorher in allen Bl&auml;ttern stehn, wie sollte auch Preu&szlig;en einen Polizeibeamten nach Frankfurt schicken, wo amtskundige Beamte genug sind? Die Dummheit war stets ein Fehler der Demokratie, und ihre Gegner siegten durch Schlauheit.</P>
<P>Ebenso ist es eine niedertr&auml;chtige L&uuml;ge, da&szlig; ich vor Jahren in Schlesien als Polizeispion gewesen sei. Ich war damals &ouml;ffentlich angestellter Polizeibeamter und habe als solcher meine Schuldigkeit getan. Es sind niedertr&auml;chtige L&uuml;gen &uuml;ber mich verbreitet worden. Ein Mensch soll auftreten und beweisen, da&szlig; ich mich bei ihm eingeschlichen h&auml;tte. L&uuml;gen und behaupten kann jeder. Ich erwarte also von Ihnen, den ich f&uuml;r einen ehrlichen, anst&auml;ndigen Mann halte, umgehende befriedigende Antwort. Die demokratischen Zeitungen sind bei uns durch ihre vielen L&uuml;gen verrufen worden, m&ouml;gen Sie nicht gleiches Ziel verfolgen.</P>
<P>Berlin, 26. Dezember 1848</P>
<P ALIGN="RIGHT">Ergebenst<BR>
Stieber, Doktor der Rechte usw., Berlin,<BR>
Ritterstra&szlig;e 65"</P>
</FONT><P>Woher wu&szlig;te nun Stieber, da&szlig; am 27. Oktober sein Brief von Marx an Schneider II geschickt war? Aber er wurde nicht am 27., sondern am 25. Oktober, und nicht an Schneider II, sondern an v. Hontheim verschickt. Stieber wu&szlig;te also nur, da&szlig; der Brief noch existiere, und er ahnte, da&szlig; Marx ihn irgendeinem Verteidiger mitteilen werde. Woher diese Ahnung? Als die "K&ouml;lnische Zeitung" Stiebers Aussage vom 18. Oktober &uuml;ber Cherval etc. nach London brachte, schrieb Marx an die " K&ouml;lnische Zeitung", an die "Berliner National-Zeitung" und an das "Frankfurter Journal" eine vom 21. Oktober datierte Erkl&auml;rung, an deren Schlu&szlig; dem Stieber mit seinem noch vorhandenen Brief gedroht wird. Um den Brief "ganz geheim" zu halten, k&uuml;ndigt ihn Marx selbst in den Zeitungen an. Er scheitert an der Feigheit der deutschen Tagespresse, aber die preu&szlig;ische Post war nun instruiert, und mit der preu&szlig;ischen Post ihr - Stieber.</P>
<B><P><A NAME="S448">&lt;448&gt;</A></B> Was also hat Goldheim aus London heimgezirpt?</P>
<P>Da&szlig; Hirsch nicht falsch schw&ouml;rt, da&szlig; <B>H</B>. Liebknecht keine "fa&szlig;bare" Existenz besitzt und das Originalprotokollbuch kein Originalprotokollbuch ist, da&szlig; die allwissenden Londoner Agenten alles wissen, was die "Partei Marx" in der Londoner Presse ver&ouml;ffentlicht hat. Um die Ehre der preu&szlig;ischen Agenten zu retten, legt Goldheim ihnen die sp&auml;rlichen, durch Brieferbrechung und Briefunterschlagung aufgestieberten Notizen in den Mund.</P>
<P>In der Sitzung vom 4. November, nachdem Schneider II den Stieber und sein Protokollbuch vernichtet, ihn der F&auml;lschung und des Meineids &uuml;berwiesen hat, springt Stieber zum letzten Male vor und macht seiner sittlichen Entr&uuml;stung Luft. Sogar, ruft er aus indignierter Seele, sogar Herrn Wermuth, den Polizeidirektor Wermuth wagt man des Meineids zu zeihen. Stieber ist also wieder zur orthodoxen Stufenleiter zur&uuml;ckgekehrt, zur aufsteigenden Linie. Fr&uuml;her bewegte er sich in heterodoxer, in absteigender Linie. Wolle man ihm, dem Polizeirat, nicht glauben, so doch seinem Polizeileutnant, wenn nicht dem Polizeileutnant, so doch dessen Polizeiagenten, wenn nicht dem Agenten Fleury, so doch dem Unteragenten Hirsch. Jetzt umgekehrt. Er, <I>der Polizeirat</I>, k&ouml;nne vielleicht falsch schw&ouml;ren, aber Wermuth, <I>ein Polizeidirektor</I>? Unglaublich! In seinem Unmut lobt er den Wermuth mit steigender Bitterkeit, schenkt dem Publikum reinen Wermuth ein, Wermuth als Mensch, Wermuth als Advokat, Wermuth als Familienvater, Wermuth als Polizeidirektor, Wermuth for ever &lt;allezeit&gt;.</P>
<P>Selbst jetzt in &ouml;ffentlicher Sitzung sucht Stieber die Angeklagten immer noch au secret &lt;v&ouml;llig isoliert&gt; zu halten und eine Barriere zwischen der Verteidigung und dem Verteidigungsmaterial aufzuschlagen. Er beschuldigt Schneider II "krimineller Verbindung" mit Marx. Schneider begehe in ihm ein Attentat auf die h&ouml;chsten preu&szlig;ischen Beh&ouml;rden. Selbst der Assisenpr&auml;sident G&ouml;bel, ein G&ouml;bel selbst, f&uuml;hlt sich erdr&uuml;ckt unter der Wucht Stieber. Er kann nicht umhin; wenn auch in furchtsam-serviler Weise, l&auml;&szlig;t er einige Rutenstreiche auf Stiebers Nacken fallen. Aber Stieber hat seinerseits recht. Es ist nicht sein Individuum, es ist die Prokuratur, das Gericht, die Post, die Regierung, das Polizeipr&auml;sidium zu Berlin, es sind die Ministerien, es ist die preu&szlig;ische Gesandtschaft zu London, kurz, es ist der preu&szlig;ische Staat, der mit ihm am Pranger steht, das Originalprotokollbuch in der Hand.</P>
<P>Herr Stieber hat nun die Erlaubnis, die Antwort der "Neuen Rheinischen Zeitung" auf seinen Brief drucken zu lassen.</P>
<P>Kehren wir noch einmal mit Goldheim nach London zur&uuml;ck.</P>
<B><P><A NAME="S449">&lt;449&gt;</A></B> Wie Stieber noch immer nicht wei&szlig;, wo Cherval sich aufh&auml;lt und wer Cherval eigentlich ist, so ist nach Goldheims Aussage (Sitzung vom 3. November) die <I>Entstehungsart </I>des Protokollbuchs immer noch nicht v&ouml;llig aufgekl&auml;rt. Um sie aufzukl&auml;ren, gibt Goldheim zwei Hypothesen.</P>
<FONT SIZE=2><P>"F&uuml;r die noch nicht v&ouml;llig aufgekl&auml;rte Entstehungsart des Buches gibt es", sagt er, "nur zwei Wege. Entweder r&uuml;hre solches, wie der Agent fest versichert, wirklich von Liebknecht her, der, um seinen Verrat nicht klarzumachen, es vermieden habe, seine Handschrift herzugeben."</P>
</FONT><P>W. Liebknecht geh&ouml;rt notorisch der "Partei Marx" an. Aber die im Protokollbuch befindliche Unterschrift Liebknecht geh&ouml;rt so notorisch nicht dem W. Liebknecht. Stieber schw&ouml;rt daher in der Sitzung vom 27. Oktober, der Besitzer dieser Unterschrift sei auch nicht jener W. Liebknecht, sondern ein anderer Liebknecht, ein <B>H</B>. Liebknecht. Er habe die Existenz dieses Doppelg&auml;ngers erfahren, ohne die Quelle seiner Erfahrung angeben zu k&ouml;nnen. Goldheim schw&ouml;rt: "Fleury habe behauptet, da&szlig; er das Buch wirklich von einem Mitglied der 'Marxschen Partei' namens <B>H</B>. Liebknecht erhalten hat." Goldheim schw&ouml;rt ferner: "Er habe dieses <B>H</B>. Liebknecht zu London nicht habhaft werden k&ouml;nnen." Welches <I>Existenzzeichen </I>hat also bisher der von Stieber entdeckte <B>H</B>. Liebknecht der Welt im allgemeinen und dem Polizeileutnant Goldheim im besonderen gegeben? Kein Existenzzeichen, au&szlig;er seiner Handschrift im Originalprotokollbuch; aber jetzt erkl&auml;rt Goldheim: "Liebknecht habe es vermieden, seine Handschrift herzugeben."</P>
<B><P>H</B>. Liebknecht existierte bisher nur als Handschrift. Jetzt bleibt also nichts mehr von <B>H</B>. Liebknecht &uuml;brig, nicht einmal eine Handschrift, nicht einmal der Punkt auf dem i. Woher aber Goldheim wei&szlig;, da&szlig; der <B>H</B>. Liebknecht, dessen Existenz er aus der Handschrift des Protokollbuchs kennt, eine vom Protokollbuch verschiedene Handschrift schreibt, das bleibt ein Geheimnis Goldheims. Wenn Stieber seine Wunder hat, warum sollte nicht Goldheim seine Wunder haben?</P>
<P>Goldheim vergi&szlig;t, da&szlig; sein Vorgesetzter Stieber die Existenz des <B>H</B>. Liebknecht vorgeschworen, da&szlig; er selbst sie noch eben geschworen hat. In demselben Atemzug, worin er auf den <B>H</B>. Liebknecht schw&ouml;rt, erinnert er sich, da&szlig; <B>H</B>. Liebknecht nur ein von Stieber erfundener Notbehelf, eine Notl&uuml;ge war, und Not hat kein Gebot. Er erinnert sich, da&szlig; es nur einen echten Liebknecht gibt, den <B>W</B>. Liebknecht, da&szlig; aber, wenn der <B>W</B>. Liebknecht echt, die Protokollbuchsunterschrift falsch ist. Er darf nicht gestehen, da&szlig; Fleurys Unteragent Hirsch mit dem falschen Protokollbuch auch die falsche Unterschrift fabriziert hat. Er macht daher die Hypothese: "Liebknecht habe es <A NAME="S450"><B>&lt;450&gt;</A></B> vermieden, seine Unterschrift herzugeben." Machen wir auch einmal eine Hypothese. Goldheim hat fr&uuml;her einmal Banknoten gef&auml;lscht. Er wird vor Gericht gestellt, es wird bewiesen, da&szlig; die auf der Note figurierende Unterschrift nicht diejenige des Bankdirektors ist. Nehmen Sie mir es nicht &uuml;bel, meine Herren, wird Goldheim sagen, nehmen Sie es nicht &uuml;bel. Die Banknote ist echt. Sie r&uuml;hrt vom Bankdirektor selbst her. Wenn sein Name nicht in seiner eigenen, sondern in einer falschen Unterschrift ausgefertigt ist, was tut das zur Sache? "Er hat es eben vermieden, seine Handschrift herzugeben."</P>
<I><P>Oder</I>, f&auml;hrt Goldheim fort, wenn die Hypothese mit dem Liebknecht falsch ist:</P>
<FONT SIZE=2><P>"Oder der Agent Fleury habe die Notizen zu dem Buche von zwei anderen Freunden des Marx, den Fl&uuml;chtlingen Dronke und Imandt, erhalten und habe diese Notizen, um seiner Ware einen desto h&ouml;heren Wert zu geben, in die Form eines Originalprotokollbuchs gebracht. Es sei n&auml;mlich durch den Polizeileutnant Greif amtlich festgestellt worden, da&szlig; Dronke und Imandt mit Fleury h&auml;ufig verkehrt h&auml;tten."</P>
</FONT><P>Oder? Wieso oder? Wenn ein Buch, wie das Originalprotokollbuch, von drei Leuten unterschrieben ist, von Liebknecht, Rings und Ulmer, so wird niemand schlie&szlig;en: "Es r&uuml;hrt von Liebknecht her" - oder von Dronke und Imandt, sondern: Es r&uuml;hrt von Liebknecht her oder von Rings und von Ulmer. Sollte der ungl&uuml;ckliche Goldheim, der sich nun einmal zu einem disjunktiven Urteil verstiegen hat - entweder, oder -, sollte er nun abermals sagen: "Rings und Ulmer haben es vermieden, ihre Handschrift herzugeben"? Selbst Goldheim h&auml;lt eine neue Wendung f&uuml;r unvermeidlich.</P>
<P>Wenn das Originalprotokollbuch nicht von Liebknecht herr&uuml;hrt, wie der Agent Fleury behauptet, so hat Fleury selbst es gemacht, aber die Notizen dazu hat er von Dronke und Imandt erhalten, von denen der Polizeileutnant Greif amtlich festgestellt hat, da&szlig; sie h&auml;ufig mit Fleury verkehrten.</P>
<P>"Um seiner Ware einen desto h&ouml;heren Wert zu geben", sagt Goldheim, bringt Fleury die Notizen in die Form eines Originalprotokollbuchs. Er begeht nicht nur einen Betrug, er macht falsche Unterschriften, alles, "um seiner Ware einen h&ouml;heren Wert zu geben". Ein so gewissenhafter Mann, wie dieser preu&szlig;ische Agent, der aus Gewinnsucht falsche Protokolle, falsche Unterschriften fabriziert, ist jedenfalls unf&auml;hig, <I>falsche Notizen </I>zu fabrizieren. So schlie&szlig;t Goldheim.</P>
<P>Dronke und Imandt kamen erst im April 1852, nachdem sie von den Schweizer Beh&ouml;rden ausgewiesen worden, nach London. Ein Dritteil des Originalprotokollbuchs besteht aber aus den Protokollen der Monate Januar, Februar und M&auml;rz 1852. Ein Dritteil des Originalprotokollbuchs hat Fleury <A NAME="S451"><B>&lt;451&gt;</A></B> also jedenfalls <I>ohne </I>Dronke und Imandt gemacht, obgleich Goldheim schw&ouml;rt: Entweder Liebknecht hat das Protokollbuch gemacht - oder Fleury hat es gemacht, aber nach den Notizen von Dronke und Imandt. Goldheim schw&ouml;rt's, und Goldheim ist zwar nicht Brutus, aber doch Goldheim.</P>
<P>Aber so bleibt die M&ouml;glichkeit, da&szlig; Dronke und Imandt dem Fleury die Notizen seit April geliefert haben, denn, schw&ouml;rt Goldheim:</P>
<FONT SIZE=2><P>"Es sei durch den Polizeileutnant Greif amtlich festgestellt worden, da&szlig; Dronke und Imandt h&auml;ufig mit Fleury verkehrt h&auml;tten."</P>
</FONT><P>Kommen wir auf diesen Verkehr.</P>
<P>Fleury war, wie schon oben bemerkt, zu London nicht als preu&szlig;ischer Polizeiagent bekannt, sondern als City-Kaufmann, und zwar als demokratischer Kaufmann. Aus Altenburg geb&uuml;rtig, war er als politischer Fl&uuml;chtling nach London gekommen, hatte sp&auml;ter eine Engl&auml;nderin aus angesehener und wohlhabender Familie geheiratet und lebte scheinbar zur&uuml;ckgezogen mit seiner Frau und seinem Schwiegervater, einem alten industriellen <I>Qu&auml;ker</I>. Den 8. oder 9. Oktober trat Imandt in "h&auml;ufigen Verkehr" mit Fleury, n&auml;mlich in den Verkehr des Unterrichtgebers. Nach der verbesserten Aussage des Stieber traf aber das Originalprotokollbuch am 10., nach der Schlu&szlig;aussage des Goldheim am 11. Oktober in K&ouml;ln ein. Fleury hatte also, als der ihm bisher g&auml;nzlich unbekannte Imandt seine erste franz&ouml;sische Stunde bei ihm gab, das Originalprotokollbuch nicht nur schon in roten Saffian binden lassen, er hatte es bereits dem au&szlig;erordentlichen Kurier &uuml;bergeben, der es nach K&ouml;ln trug. So sehr verfa&szlig;te Fleury sein Protokollbuch nach den Notizen des Imandt. Den Dronke aber sah Fleury nur <I>einmal </I>zuf&auml;llig bei Imandt, und zwar erst am 30. Oktober, nachdem das Originalprotokollbuch schon l&auml;ngst wieder in sein urspr&uuml;ngliches Nichts zur&uuml;ckgefallen war.</P>
<P>So begn&uuml;gt sich die christlich-germanische Regierung nicht damit, Pulte zu erbrechen, fremde Papiere zu stehlen, falsche Aussagen zu erschleichen, falsche Komplotte zu stiften, falsche Dokumente zu schmieden, falsche Eide zu schw&ouml;ren, Bestechung zu falschen Zeugnissen zu versuchen - alles, um eine Verurteilung der K&ouml;lner Angeklagten zu erwirken. Sie sucht einen infamierenden Verdacht auf die Londoner Freunde der Angeklagten zu werfen, um ihren Hirsch zu verstecken, von dem Stieber geschworen, da&szlig; er ihn nicht kennt, und Goldheim, da&szlig; er kein Spion sei.</P>
<P>Freitag, den 5. November, brachte die "K&ouml;lnische Zeitung" den Bericht &uuml;ber die Assisensitzung vom 3. November mit Goldheims Aussage nach London. Man zog sofort Erkundigungen &uuml;ber Greif ein und erfuhr noch denselben Tag, da&szlig; er bei Fleury wohne. Gleichzeitig begaben sich Dronke und Imandt <A NAME="S452"><B>&lt;452&gt;</A></B> mit der "K&ouml;lner Zeitung" zu Fleury. Sie lassen ihn Goldheims Aussage lesen. Er erbleicht, sucht Fassung zu gewinnen, spielt den Erstaunten und erkl&auml;rt sich durchaus bereit, vor einem englischen Magistrat Zeugnis gegen Goldheim abzulegen. Vorher aber m&uuml;sse er noch seinen Advokaten sprechen. Ein Rendezvous f&uuml;r den Nachmittag des folgenden Tages, Samstag, den 6. November, wird festgesetzt. Fleury verspricht, seine amtlich beglaubigte Aussage fertig zu diesem Rendezvous mitzubringen. Er erschien nat&uuml;rlich nicht. Imandt und Dronke begaben sich daher Samstagabend in seine Wohnung und fanden hier folgenden f&uuml;r Imandt bestimmten Zettel vor:</P>
<FONT SIZE=2><P>"Durch H&uuml;lfe des Advokaten ist alles abgemacht, weiteres ist vorbehalten, sobald die Person ermittelt ist. Der Advokat hat die Sache noch heute abgehen lassen. Das Gesch&auml;ft machte meine Anwesenheit in der City notwendig. Wollen Sie mich morgen besuchen, ich bin den ganzen Nachmittag bis 5 Uhr zu Hause. Fl."</P>
</FONT><P>Auf der andern Seite des Zettels befindet sich die Nachschirift:</P>
<FONT SIZE=2><P>"Ich komme soeben zu Hause, mu&szlig;te mit Herrn Werner und meiner Frau ausgehen, wovon Sie sich morgen <I>&uuml;berzeugen k&ouml;nnen</I>. Schreiben Sie mir, auf welche Zeit Sie kommen wollen."</P>
</FONT><P>Imandt hinterlie&szlig; folgende Antwort:</P>
<FONT SIZE=2><P>"Ich bin au&szlig;erordentlich &uuml;berrascht, Sie jetzt nicht zu Hause zu treffen, da Sie sich auch diesen Nachmittag zu dem verabredeten Rendezvous nicht eingestellt haben. Ich mu&szlig; Ihnen gestehen, da&szlig; durch die Umst&auml;nde mein Urteil &uuml;ber Sie bereits feststeht. Wenn Sie Interesse haben, mich eines andern zu belehren, so werden Sie zu mir kommen, und schon morgen fr&uuml;h, denn ich kann Ihnen nicht daf&uuml;r einstehen, da&szlig; Ihre Eigenschaft als preu&szlig;ischer Polizeispion nicht in englischen Bl&auml;ttern besprochen wird. Imandt."</P>
</FONT><P>Fleury erschien auch Sonntagmorgen nicht. Dronke und Imandt begaben sich also am Abend wieder zu ihm, um unter dem Scheine, als sei ihr Vertrauen nur im ersten Augenblicke ersch&uuml;ttert worden, seine Erkl&auml;rung zu erhalten. Unter allerlei Z&ouml;gerungen und Unschl&uuml;ssigkeiten kam die Erkl&auml;rung zustande. Namentlich schwankte Fleury, als man ihn darauf aufmerksam machte, da&szlig; er nicht nur seinen Familiennamen, sondern auch seinen Vornamen unterzeichnen m&uuml;sse. Die Erkl&auml;rung lautete w&ouml;rtlich wie folgt:</P>
<FONT SIZE=2><P>"An die Redaktion der 'K&ouml;lnischen Zeitung'.</P>
<P>Der Unterzeichnete erkl&auml;rt, da&szlig; er Herrn Imandt ungef&auml;hr einen Monat kennt, w&auml;hrend welcher Zeit ihm derselbe Unterricht im Franz&ouml;sischen erteilt, da&szlig; er Herrn Dronke zum erstenmal Samstag, den 30. Oktober d. J., gesehen.</P>
<B><P><A NAME="S453">&lt;453&gt;</A></B> Da&szlig; keiner von beiden ihm Mitteilungen gemacht, die in Beziehung zu dem im K&ouml;lner Proze&szlig; figurierenden Protokollbuch stehen.</P>
<P>Da&szlig; er keine Person kennt, die den Namen Liebknecht tr&auml;gt, noch in irgendeiner Verbindung mit einer solchen gestanden.</P>
<P>London, 8. November 1852. Kensington</P>
<I><P ALIGN="RIGHT">Charles Fleury</I>"</P>
</FONT><P>Dronke und Imandt waren nat&uuml;rlich &uuml;berzeugt, da&szlig; Fleury der "K&ouml;lnischen Zeitung" die Order zuschicken w&uuml;rde, keine Erkl&auml;rung mit seiner Namensunterschrift aufzunehmen. Sie schicken seine Erkl&auml;rung daher nicht an die "K&ouml;lnische Zeitung", sondern an Advokat Schneider II, der sie aber in einem zu vorger&uuml;ckten Stadium des Prozesses erhielt, um noch Gebrauch davon machen zu k&ouml;nnen.</P>
<P>Fleury ist zwar nicht die Fleur de Marie der Prostituierten der Polizei, aber Blume ist er und Bl&uuml;ten wird er tragen, wenn auch nur Fleurs de lys. <A name="Z1"></a><A HREF="me08_431.htm#M1">(1)</A></P>
<P>Die Geschichte des Protokollbuches hatte nicht ausgespielt.</P>
<P>Sonnabend, den 6. November, bekannte W. Hirsch, von Hamburg, an Eides Statt vor dem Magistrat zu Bow Street, London, da&szlig; er selbst unter Leitung von Greif und Fleury das in dem K&ouml;lner Kommunistenproze&szlig; figurierende Originalprotokollbuch fabriziert habe.</P>
<P>Also erst Originalprotokollbuch der "Partei Marx" - dann Notizbuch des Spions Fleury - endlich Fabrikat der preu&szlig;ischen Polizei, einfaches Polizeifabrikat, Polizeifabrikat sans phrase.</P>
<P>An demselben Tage, wo Hirsch das Geheimnis des Originalprotokollbuches dem englischen Magistrat zu Bow Street verriet, war ein anderer Repr&auml;sentant des preu&szlig;ischen Staates zu Kensington im Hause des Fleury damit besch&auml;ftigt, diesmal zwar weder gestohlene noch fabrizierte, noch &uuml;berhaupt Dokumente, wohl aber seine eigenen Habseligkeiten in starke Wachsleinwand zu verpacken. Es war dies niemand anders als Vogel Greif, Pariser Angedenkens, der au&szlig;erordentliche Kurier nach K&ouml;ln, der Chef der preu&szlig;ischen Polizeiagenten zu London, der offizielle Dirigent der Mystifikation, der an die preu&szlig;ische Gesandtschaft attachierte Polizeileutnant. Greif hatte von der preu&szlig;ischen Regierung den Befehl erhalten, London sofort zu verlassen. Zeit war nicht zu verlieren.</P>
<B><P><A NAME="S454">&lt;454&gt;</A></B> Wie am Schlusse von Spektakelopern die im Hintergrunde befindliche, bisher von Kulissen versteckte, amphitheatralisch aufsteigende Szenerie pl&ouml;tzlich in bengalischem Feuer gl&auml;nzt und in blendenden Umrissen alle Augen schl&auml;gt, so am Schlu&szlig; dieser preu&szlig;ischen Polizeitragikom&ouml;die die verborgene amphitheatralische Werkst&auml;tte, worin das Originalprotokollbuch geschmiedet wurde. Auf der untersten Stufe sah man den ungl&uuml;cklichen, auf St&uuml;cklohn arbeitenden Mouchard Hirsch; auf zweiter Stufe den b&uuml;rgerlich plazierten Spion und agent provocateur, City-Kaufmann Fleury; auf dritter Stufe den diplomatischen Polizeileutnant Greif, und auf der h&ouml;chsten Stufe die preu&szlig;ische Gesandtschaft selbst, der er attachiert ist. Seit 6 bis 8 Monaten fabrizierte Hirsch regelm&auml;&szlig;ig, Woche f&uuml;r Woche, sein Originalprotokollbuch im Arbeitszimmer und unter den Augen des Fleury. Aber einen Stock &uuml;ber Fleury hauste der preu&szlig;ische Polizeileutnant Greif, der ihn &uuml;berwachte und inspirierte. Aber Greif selbst brachte einen Teil des Tages regelm&auml;&szlig;ig im Hotel der preu&szlig;ischen Gesandtschaft zu, wo er seinerseits &uuml;berwacht und inspiriert wurde. Das preu&szlig;ische Gesandtschaftshotel war also das eigentliche Treibhaus, wo das Originalprotokollbuch gro&szlig;wuchs. &lt;In der Baseler Ausgabe von 1853 hier eingef&uuml;gt: Die Blamage, die ihn zu London erwarete, fiel auf die preu&szlig;ische Gesandtschaft zur&uuml;ck.&gt; Greif mu&szlig;te also verschwinden. Er verschwand am 6. November 1852.</P>
<P>Das Originalprotokollbuch war nicht l&auml;nger zu halten, selbst nicht als Notizbuch. Prokurator Saedt bestattete es in seiner Replik auf die Verteidigungsreden der Advokaten.</P>
<P>Man war also wieder da angelangt, von wo der Anklagesenat des Appellhofes ausging, als er eine neue Untersuchung verordnete, weil <I>"kein objektiver Tatbestand vorliege"</I>.</P>
<P><HR></P>
<P>Fu&szlig;noten<I>&nbsp;</P>
</I><P><A name="M1">(1)</a> Fleurs-de-lys [Lilien] hei&szlig;en in der franz&ouml;sischen Volkssprache die den gebrandmarkten Verbrechern eingebrannten Buchstaben T. F. (travaux forc&eacute;s, Zwangsarbeit). Wie richtig Marx seinen Kunden beurteilte, geht aus dem Nachtrag (unten, VIII, 1) hervor. [<I>Anmerkung von Engels zur Ausgabe von 1885.</I>] <A HREF="me08_431.htm#Z1">&lt;=</A></P></BODY>
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