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<TITLE>Karl Marx - Herr Vogt - VI. Vogt und fie "Neue Rheinische Zeitung"</TITLE>
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<BODY LINK="#0000ff" VLINK="#800080" BGCOLOR="#ffffaf">
<FONT SIZE=2><P>Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx/Friedrich Engels - Werke, (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Band 14, 4. Auflage 1972, unver&auml;nderter Nachdruck der 1. Auflage 1961, Berlin/DDR. S. 461-469.</P>
<P>1. Korrektur<BR>
Erstellt am 31.08.1998.</P>
</FONT><P ALIGN="CENTER"><A HREF="me14_459.htm">V. Reichsregent und Pfalzgraf</A> | <A HREF="me14_381.htm">Inhalt</A> | <A HREF="me14_469.htm">VII. Die Augsburger Kampagne </A></P>
<FONT SIZE=6><P ALIGN="CENTER">VI. Vogt und die "Neue Rheinische Zeitung"</P>
</FONT><P><HR></P>
<FONT SIZE=2><P ALIGN="RIGHT">"S&icirc;n kumber was manecvalt."<BR>
&lt;"Sein Kummer war mannigfaltig"&gt;</P>
</FONT><B><P><A NAME="S461">&lt;461&gt;</A></B> <I>Vogt</I> erkl&auml;rt selbst, da&szlig; es ihm in dem "Hauptbuch" zu "tun" ist (l.c. p. 162) um "die<I> Entwicklung seiner pers&ouml;nlichen Stellung zu dieser Clique</I>" (Marx und Konsorten). Sonderbarerweise erz&auml;hlt er nur Konflikte, die er nie erlebt hat, und erlebt er nur Konflikte, die er nie erz&auml;hlt hat. Seinen Jagdgeschichten mu&szlig; ich daher ein St&uuml;ck wirklicher Geschichte gegen&uuml;berstellen. Durchbl&auml;ttert man den Jahrgang der<I> "Neuen Rheinischen Zeitung"</I> (1. Juni 1848 bis 19. Mai 1849), so wird man finden, da&szlig; w&auml;hrend des Jahres 1848 Vogts Name mit einer einzigen Ausnahme weder in den Leitartikeln noch in den Korrespondenzen der "Neuen Rheinischen Zeitung" figuriert. Er findet sich nur in den t&auml;glichen Berichten &uuml;ber die Parlamentsdebatten, und der Frankfurter Berichterstatter verfehlte nie, zur gro&szlig;en Genugtuung des Herrn Vogt, den f&uuml;r "die von ihm selbst gehaltenen Reden" erhaschten "Beifall" jedesmal gewissenhaft zu registrieren. Wir sahen, da&szlig;, w&auml;hrend die rechte Seite zu Frankfurt &uuml;ber die vereinigten Kr&auml;fte eines Harlekin wie<I> Lichnowski</I> und eines<I> Clown</I> wie<I> v. Vincke</I> verf&uuml;gte, die Linke auf die isolierten Schw&auml;nke des einzigen<I> Vogt</I> angewiesen war. Wir begriffen, da&szlig; er der Aufmunterung bed&uuml;rfe </P>
<FONT SIZE=2><P ALIGN="CENTER">"that<I> important fellow</I> the children<65>s wonder -<I> Signor Punchinelli</I> <BR>
&lt;"dieser<I> anma&szlig;ende Bursch,</I> das Kinderwunder -<I> Signor Punchinello"</I>&gt;</P>
</FONT><P>und lie&szlig;en daher den Frankfurter Berichterstatter ruhig gew&auml;hren. Ein Wechsel in der F&auml;rbung der Berichte tritt ein nach Mitte September 1848. Vogt, der in den Debatten &uuml;ber den Malm&ouml;er Waffenstillstand durch revolution&auml;re Rodomontaden zum Aufstand provoziert hatte, hintertrieb, soviel an ihm war, im Augenblick der Entscheidung die Annahme der auf <A NAME="S462"><B>&lt;462&gt;</A></B> der Pfingstweide von der Volksversammlung gefa&szlig;ten und von einem Teil der &auml;u&szlig;ersten Linken gutgehei&szlig;enen Beschl&uuml;sse. Nachdem der Barrikadenkampf niedergeschlagen, Frankfurt in ein offenes Heerlager verwandelt und der Belagerungszustand proklamiert war, am 19. September, erkl&auml;rte sich derselbe Vogt f&uuml;r die<I> Dringlichkeit</I> von Zachari&auml;s Antrag auf Guthei&szlig;ung der von dem Reichsministerium bisher getroffenen Ma&szlig;regeln und auf Danksagung an die Reichstruppen. Bevor<I> Vogt</I> die Trib&uuml;ne bestieg, hatte selbst<I> Venedey</I> gegen die<I> "Dringlichkeit"</I> jener Antr&auml;ge opponiert und eine solche Diskussion, in solchem Augenblicke, gegen die W&uuml;rde der Versammlung erkl&auml;rt. Aber Vogt stand unter Venedey. Zur Strafe setzte ich in den parlamentarischen Bericht hinter das Wort "Vogt" das Wort "Schw&auml;tzer", ein lakonischer Wink f&uuml;r den Frankfurter Berichterstatter. </P>
<P>Im nachfolgenden Oktober unterlie&szlig; Vogt nicht nur, was seines Amts war, die Narrenpritsche zu schwingen &uuml;ber den H&auml;uptern der damals &uuml;berm&uuml;tigen und reaktionsw&uuml;tigen Majorit&auml;t. Nicht einmal den Protest wagte er zu unterzeichnen, den<I> Zimmermann</I> von Spandau im Namen von ungef&auml;hr 40 Deputierten gegen das Gesetz zum Schutz der Nationalversammlung am 10. Oktober einbrachte. Dies Gesetz, wie Zimmermann richtig hervorhob, war der schamloseste Eingriff in die durch die M&auml;rzrevolution errungenen Volksrechte - Versammlungsrecht, Redefreiheit und Pre&szlig;freiheit. Sogar<I> Eisenmann</I> reichte einen &auml;hnlichen Protest ein. Aber<I> Vogt</I> stand<I> unter Eisenmann</I>. Als er sich nun sp&auml;ter wieder mausig machte bei Gr&uuml;ndung des "Zentral-M&auml;rzvereins", erscheint sein Name endlich in einem Artikel der "Neuen Rheinischen Zeitung" (Nummer vom 29. Dezember 1848), worin der "M&auml;rzverein" als "unbewu&szlig;tes Werkzeug der Kontrerevolution" gezeichnet, sein Programm kritisch zerfetzt und<I> Vogt</I> als die eine H&auml;lfte einer Doppelfigur dargestellt wird, wovon<I> Vincke</I> die andre H&auml;lfte bilde. Mehr als ein Jahrzehnt sp&auml;ter haben beide "Minister der Zukunft" ihre Zusammengeh&ouml;rigkeit erkannt und die<I> Teilung Deutschlands</I> zum Wahlspruch ihrer Einigung gemacht. </P>
<P>Da&szlig; wir den "M&auml;rzverein" richtig verstanden, hat nicht nur seine sp&auml;tere "Entwicklung" gezeigt. Der Heidelberger "Volksbund", der Breslauer "demokratische Verein", der Jenaer "demokratische Verein" usw. wiesen seine zudringlichen Liebesbewerbungen mit Hohn zur&uuml;ck, und diejenigen Mitglieder der &auml;u&szlig;ersten Linken, die ihm beigetreten waren, best&auml;tigten durch ihre Austrittserkl&auml;rung vom 20. April 1849 unsere Kritik vom 29. Dezember 1848. Vogt jedoch, in stiller Seelengr&ouml;&szlig;e, sammelte feurige Kohlen auf unser Haupt, wie man aus folgendem Zitat ersehn wird:<I> "Nr. 243 der 'Neuen Rheinischen Zeitung<6E></I>, K&ouml;ln, 10. M&auml;rz 1849. 'Der <A NAME="S463"><B>&lt;463&gt;</A></B> Frankfurter sog. M&auml;rzverein<EFBFBD> der sog. 'Reichsversammlung<6E> hat die Unversch&auml;mtheit,<I> uns</I> folgenden lithographierten Brief zuzusenden: </P>
<FONT SIZE=2><P>'Der M&auml;rzverein hat beschlossen, da&szlig; eine Liste<I> s&auml;mtlicher Bl&auml;tter,</I> welche uns ihre<I> Spalten ge&ouml;ffnet haben</I>, aufgestellt und allen Vereinen, mit welchen wir in Verbindung stehn, mitgeteilt werde, damit durch den gedachten Verein dahin gewirkt werde, da&szlig; die bezeichneten Bl&auml;tter vorzugsweise mit etwa einschl&auml;gigen<I> Anzeigen</I> bedacht w&uuml;rden. Indem wir Ihnen die aufgestellte Liste andurch mitteilen,<I> glauben wir nicht n&ouml;tig zu haben, Sie auf die Wichtigkeit der bezahlten Annoncen eines Blattes</I> als Hauptnahrungsquelle des ganzen Unternehmens aufmerksam zu machen [...] Frankfurt, Ende Februar l849. </P>
<P>Der Vorstand des Zentral-M&auml;rz-Vereins<6E><I> </P>
</FONT><P>Auf</I> der beigef&uuml;gten<I> Liste</I> dieser Bl&auml;tter, welche dem M&auml;rzverein ihre Spalten ge&ouml;ffnet haben und von den Anh&auml;ngern des M&auml;rzvereins vorzugsweise mit 'einschl&auml;gigen Annoncen<65> bedacht werden sollen, befindet sich,<I> &uuml;berdies noch mit einem ehrenden Stern</I> versehn, auch die <I>'Neue Rheinische Zeitung<6E></I>. Wir erkl&auml;ren hiermit, [...] da&szlig; dem sog. M&auml;rzverein niemals die Spalten unsrer Zeitung ge&ouml;ffnet worden sind ... Wenn der M&auml;rzverein daher in seinem lithographischen Bericht und wirklich spaltenge&ouml;ffneten Bl&auml;ttern unsre Zeitung als eins seiner Organe bezeichnet, so ist dies eine simple Verleumdung der 'Neuen Rheinischen Zeitung<6E> und abgeschmackte Renommage des M&auml;rzvereins ... </P>
<P>Auf die schmutzige Bemerkung der profitw&uuml;tigen, konkurrenzgehetzten Patrioten &uuml;ber die Wichtigkeit der bezahlten Annoncen einer Zeitung als<I> Nahrungsquelle des ganzen Unternehmens</I> haben wir nat&uuml;rlich keine Antwort. Die 'Neue Rheinische Zeitung<6E> hat sich, wie &uuml;berhaupt, auch darin stets von den Patrioten unterschieden, da&szlig; sie die politische Bewegung nie als Industrieritterzweig oder Nahrungsquelle betrachtet hat."</P>
<P>Kurz nach dieser rauhen Abweisung des von Vogt und Konsorten angebotenen Nahrungsquells wurde die<I> "Neue Rheinische Zeitung"</I> in einer Versammlung des Zentral-Kommerzvereins als Muster "echt deutscher Zerrissenheit" tr&auml;nenreich erw&auml;hnt. Am Schlusse unsrer Erwidrung auf die Jeremiade (Nr. 248 der "Neuen Rheinischen Zeitung") wird Vogt als "kleinuniversit&auml;tischer Bierpolterer und<I> verfehlter Reichsbarrot</I>" gekennzeichnet. Er hatte zwar damals (15. M&auml;rz) in der Kaiserfrage noch nicht den Knoblauch gegessen. Allein wir waren ein f&uuml;r allemal klar &uuml;ber Herrn Vogt und konnten daher seinen k&uuml;nftigen Verrat, der ihm selbst noch nicht klar war, als abgemachte Tatsache behandeln. </P>
<B><P><A NAME="S464">&lt;464&gt;</A></B> Von nun an &uuml;berlie&szlig;en wir &uuml;brigens Vogt und Konsorten der Behandlung des jungen, ebenso geistreichen als k&uuml;hnen<I> Schl&ouml;ffel</I>, der Anfang M&auml;rz aus Ungarn in Frankfurt angelangt war und uns seitdem &uuml;ber die Unwetter im Reichs-Froschteich berichtete. </P>
<P>Vogt war unterdes so tief gefallen - er selbst hatte nat&uuml;rlich mehr zu diesem Falle beigetragen als die "Neue Rheinische Zeitung" -, da&szlig; sogar<I> Bassermann</I> wagen durfte, ihn in der Sitzung vom 25. April 1849 als<I> "Apostat und Renegat"</I> zu brandmarken. </P>
<P>Infolge seiner Beteiligung am Elberfelder Aufstand mu&szlig;te ein Redakteur der "Neuen Rheinischen Zeitung",<I> F. Engels</I>, fl&uuml;chten, und ich selbst wurde kurz darauf aus Preu&szlig;en verjagt, nachdem wiederholte Versuche, mich durch Prozesse still zu machen, an den Geschwornen gescheitert waren und das Organ des Staatsstreichs-Ministeriums, die<I> "Neue Preu&szlig;ische Zeitung"</I>, wiederholt die "Chimborasso-Frechheit der 'Neuen Rheinischen Zeitung<6E>, wogegen der 'Moniteur<75> von 1793 matt erscheine" (s. Nr. 299 der "Neuen Rheinischen Zeitung"), denunziert hatte. Solche "Chimborasso-Frechheit" war am Platz in einer preu&szlig;ischen Festungsstadt und zu einer Zeit, wo die siegreiche Kontrerevolution durch schamlose Brutalit&auml;t zu imponieren suchte.</P>
<P>Am 19. Mai 1849 erschien die letzte Nummer der<I> "Neuen Rheinischen Zeitung"</I> (Rote Nummer). Solange die "Neue Rheinische Zeitung" existierte, hatte Vogt geduldet und geschwiegen. Wenn ein Parlamentler &uuml;berhaupt reklamierte, geschah es stets in modester Weise, etwa so: </P>
<FONT SIZE=2><P>"Mein Herr! Ich sch&auml;tze an Ihrem Blatte die<I> scharfe Kritik</I></FONT><FONT SIZE=2 COLOR="#00ff00"> </FONT><FONT SIZE=2>darum nicht minder, weil<I> sie alle Parteien und alle Personen gleich strenge &uuml;berwacht."</I> (S. Nr. 219 vom 11. Februar 1849, <I>Wesendoncks</I> Reklamation.) </P>
</FONT><P>Eine Woche nach Untergang der "Neuen Rheinischen Zeitung" glaubte Vogt endlich, unter dem Schild parlamentarischer Unverletzlichkeit, die lang vermi&szlig;te Gelegenheit beim Schopf fassen und den lang in tiefstem Herzen aufgeh&auml;uften "Stoff" zur "Kraft" entwickeln zu k&ouml;nnen. Ein Redakteur der "Neuen Rheinischen Zeitung",<I> Wilhelm Wolff</I>, war n&auml;mlich als Ersatzmann f&uuml;r einen allegewordenen schlesischen Parlamentler in die "in fortschreitender Aufl&ouml;sung begriffene" Frankfurter Versammlung eingetreten. </P>
<P>Um die folgende Szene in der Sitzung des Parlaments vom 26. Mai 1849 zu verstehn, mu&szlig; man sich erinnern, da&szlig; damals der Aufstand in Dresden und die partiellen Bewegungen in der Rheinprovinz bereits niedergeschlagen waren, die Reichsintervention in Baden und der Pfalz bevorstand, die <A NAME="S465"><B>&lt;465&gt;</A></B> russische Hauptarmee auf Ungarn zumarschierte, endlich das Reichsministerium von der Versammlung gefa&szlig;te Beschl&uuml;sse einfach kassiert hatte. Auf der Tagesordnung standen zwei "Proklamationen an das deutsche Volk", die erstere redigiert von Uhland und ausgehend von der Majorit&auml;t, die andre von dem Zentrum angeh&ouml;rigen Mitgliedern eines Drei&szlig;iger-Ausschusses. Es pr&auml;sidierte der Darmst&auml;dter<I> Reh</I>, der nachher Hase ward und sich ebenfalls "abl&ouml;ste" von der "in voller Aufl&ouml;sung" begriffenen Versammlung. Ich zitiere nach dem offiziellen stenographischen Bericht Nr. 229, 228. Sitzung in der Paulskirche. </P>
<I><FONT SIZE=2><P>Wolff von Breslau</I>: "Meine Herren! Ich habe mich gegen die Proklamation an das Volk einschreiben lassen, gegen die Proklamation, die von der Majorit&auml;t verfa&szlig;t und hier verlesen worden ist, weil ich sie f&uuml;r durchaus unangemessen den jetzigen Zust&auml;nden halte, weil ich sie viel zu schwach finde, geeignet blo&szlig;, um als Journalartikel in denjenigen Tagesbl&auml;ttern zu erscheinen, welche die Partei vertreten, von welcher diese Proklamation ausgegangen ist, aber nicht f&uuml;r eine Proklamation an das deutsche Volk. Da nun jetzt noch eine zweite verlesen worden ist, so will ich nur so beil&auml;ufig bemerken, da&szlig; ich mich gegen diese noch viel mehr erkl&auml;ren w&uuml;rde, aus Gr&uuml;nden, die ich hier nicht anzuf&uuml;hren brauche." (Eine Stimme aus dem Zentrum: "Warum denn nicht?") "Ich spreche nur von der Majorit&auml;ts-Proklamation, sie ist allerdings so m&auml;&szlig;ig gehalten, da&szlig; selbst Herr Bu&szlig; nicht viel dagegen sagen konnte, und das ist doch gewi&szlig; die schlimmste Empfehlung f&uuml;r eine Proklamation. Nein, meine Herren, wenn Sie irgend und &uuml;berhaupt noch einen Einflu&szlig; auf das Volk haben wollen, m&uuml;ssen Sie nicht in der Weise, wie es in der Proklamation geschieht, zum Volke sprechen; Sie d&uuml;rfen da nicht von Gesetzlichkeit, von gesetzlichem Boden u.dgl. sprechen, sondern von Ungesetzlichkeit in derselben Weise wie die Regierungen, wie die<I> Russen</I>, und ich verstehe unter Russen die Preu&szlig;en, die &Ouml;streicher, Bayern, Hannoveraner." (Unruhe und Gel&auml;chter.) "Diese sind alle unter dem gemeinsamen Namen<I> Russen</I> zusammengefa&szlig;t." (Gro&szlig;e Heiterkeit.) "Ja, meine Herren, auch in dieser Versammlung sind die<I> Russen</I> vertreten, Sie m&uuml;ssen ihnen sagen: 'So wie ihr euch auf den gesetzlichen Standpunkt stellt, so stellen wir uns auch darauf.<2E> Es ist der Standpunkt der Gewalt, und erkl&auml;ren Sie in Paranthese die Gesetzlichkeit dahin, da&szlig; Sie den Kanonen der Russen die Gewalt entgegenstellen, wohlorganisierte Sturmkolonnen.<I> Wenn &uuml;berhaupt</I> eine Proklamation zu erlassen ist, so erlassen Sie eine, in welcher Sie von vornherein den ersten<I> Volksverr&auml;ter, den Reichsverweser, f&uuml;r vogelfrei erkl&auml;ren</I>." (Zuruf: "Zur Ordnung!" - Lebhafter Beifall von den Galerien,)<I> "Ebenso alle Minister."</I> (Erneuerte Unruhe.) "Oh, ich lasse mich nicht st&ouml;ren; <I>er ist der erste Volksverr&auml;ter</I>."<I> </P>
<P>Pr&auml;sident</I>: "Ich glaube, da&szlig; Herr Wolff jede R&uuml;cksicht &uuml;berschritten und verletzt hat. Er kann den<I> Erzherzog-Reichsverweser vor</I> <B>diesem</B><I> Hause</I> nicht einen<I> Volksverr&auml;ter</I> nennen, und ich mu&szlig; ihn deshalb zur Ordnung rufen. Die Galerien fordre ich gleich- <A NAME="S466"><B>&lt;466&gt;</A></B> zeitig zum letztenmal auf, in der geschehenen Weise an der Debatte sich nicht zu beteiligen."<I> </P>
<P>Wolff</I>: "Ich f&uuml;r meinen Teil nehme den Ordnungsruf an und erkl&auml;re, da&szlig; ich die Ordnung habe &uuml;berschreiten<I> wollen, da&szlig; er und seine Minister Verr&auml;ter sind</I>." (Von allen Seiten des Hauses der Zuruf: "Zur Ordnung, das ist p&ouml;belhaft.")<I> </P>
<P>Pr&auml;sident</I>: "Ich mu&szlig; Ihnen das Wort entziehen."<I> </P>
<P>Wolff</I>: "Gut, <I>ich protestiere</I>; ich habe im<I> Namen des Volks</I> hier sprechen wollen und sagen wollen, wie man im<I> Volke denkt</I>. Ich protestiere gegen jede Proklamation, die in diesem Sinne abgefa&szlig;t ist." (Gro&szlig;e Aufregung.)<I> </P>
<P>Pr&auml;sident</I>: "Meine Herren, wollen Sie mir einen Augenblick das Wort geben. Meine Herren, der<I> Vorfall</I>, der sich soeben ereignet hat, ist, ich kann es sagen, der<I> erste, seitdem das Parlament hier tagt</I>." (Es war in der Tat der erste und<I> der einzige Vorfall</I> in diesem Debattierklub.) "Es hat hier noch kein Redner erkl&auml;rt, da&szlig; er mit Absicht die<I> Ordnung</I>, die<I> Grundlage</I> dieses Hauses, habe verletzen wollen." (<I>Schl&ouml;ffel</I> hatte bei einem &auml;hnlichen Ordnungsruf, in der Sitzung vom 25. April, gesagt: " Ich nehme den Ordnungsruf an und tue es um so lieber, weil ich hoffe, es<I> werde die Zeit bald kommen, in welcher diese Versammlung anderweitig zur Ordnung gerufen wird</I>.") </P>
<P>"Meine Herren, ich mu&szlig; tief beklagen, da&szlig; Herr Wolff, der kaum erst Mitglied des Hauses geworden ist, in dieser Weise<I> deb&uuml;tiert</I>" (Reh betrachtet die Sache vom Kom&ouml;dienstandpunkt aus). "Meine Herren! Ich habe den Ordnungsruf gegen ihn ausgesprochen, wegen der<I> starken Verletzung</I>, die er sich erlaubt hat,<I> in betreff der Achtung und der R&uuml;cksicht</I>, <I>die</I> wir<I> der Person des Reichsverwesers schuldig sind</I>." </P>
</FONT><P>Die Sitzung geht nun ihren Gang fort. Hagen und Zachari&auml; halten lange Reden, der eine f&uuml;r, der andre gegen die Majorit&auml;ts-Proklamation. Endlich erhebt sich<I> </P>
<FONT SIZE=2><P>Vogt von Gie&szlig;en</I>: "Meine Herren! Erlauben Sie mir einige Worte, ich will nicht erm&uuml;den. Da&szlig; das Parlament nicht mehr<I> so ist, wie</I> es in dem vorigen Jahre<I> zusammentrat</I>, meine Herren, das ist vollkommen richtig und wir<I> danken dem Himmel</I>" (der "K&ouml;hlergl&auml;ubige" Vogt dankt dem Himmel!) "daf&uuml;r, da&szlig;<I> es so geworden wird</I>" (jawohl,<I> geworden wird</I>!) "und da&szlig; diejenigen, welche an ihrem Volk verzweifelten und welche die Sache des Volks im entscheidenden Moment verrieten, sich von der Versammlung getrennt haben! Meine Herren, ich<I> habe mich zum Worte gemeldet</I>" (also das bisherige Dankgebet war nur Flause), "um den<I> kristallhellen Strom</I>, der aus einer Dichterseele" (Vogt wird seelenhaft) "in diese Proklamation geflossen ist, zu verteidigen" (Stromverteidigung) "gegen den<I> unw&uuml;rdigen Schmutz</I>, welcher in denselben geworfen<I> oder</I> gegen denselben geschleudert worden ist" (der Strom war ja bereits von der Proklamation absorbiert), "um diese<I> Worte</I>" (der Strom verwandelt sich, wie alles andre bei Vogt, in Worte) "zu verteidigen gegen den<I> Kot</I>, der aufgeh&auml;uft worden ist in dieser letzten Bewegung und dort alles zu &uuml;berfluten und alles zu beschmutzen droht. Ja, meine Herren! Das" (n&auml;mlich der Kot) "ist ein Kot<I> und</I> ist ein Schmutz (der Kot ist ein Schmutz!), "den man auf diese <I>Weise"</I> (welche Weise?) "<I>an alles, was nur Reines <A NAME="S467"></I><B>&lt;467&gt;</A></B> <I>gedacht werden kann</I>, heranwirft, und ich spreche meine<I> tiefste Entr&uuml;stung</I>" (Vogt in tiefster Entr&uuml;stung, quel tableau! &lt;was f&uuml;r ein Bild!&gt;) .dar&uuml;ber aus, da&szlig;<I> so etwas</I>" (was?) "geschehen konnte." </P>
</FONT><P>Und was er spricht, ist - Kot.<I> </P>
<P>Wolff</I> hatte keine Silbe &uuml;ber<I> Uhlands Redaktion</I> der Proklamation gesagt. Er war, wie der Pr&auml;sident wiederholt erkl&auml;rt, zur Ordnung gerufen worden, er hatte den ganzen Sturm heraufbeschworen, weil<I> er den Reichsverweser und alle seine Minister f&uuml;r Volksverr&auml;ter</I> erkl&auml;rt und das Parlament aufgefordert hatte, sie zu<I> Volksverr&auml;tern</I> zu erkl&auml;ren. Aber der "Erzherzog-Reichsverweser", der "abgenutzte Habsburger" (<I>Vogts "Studien"</I>, p. 28) und<I> "alle seine Minister"</I> sind f&uuml;r Vogt<I> "alles, was nur Reines gedacht werden kann"</I>. Er sang mit Walter von der Vogelweide: </P><DIR>
<DIR>
<DIR>
<DIR>
<DIR>
<DIR>
<FONT SIZE=2><P>"des f&uuml;rsten milte &ucirc;z &ocirc;sterr&icirc;che <BR>
fr&ouml;it dem s&uuml;ezen r&euml;gen gel&icirc;che <BR>
beidiu liute und ouch daz lant."<BR>
&lt;"Die Freigebigkeit des F&uuml;rsten von &Ouml;sterreich <BR>
erfreut, dem milden Regen gleich, <BR>
gleicherma&szlig;en Leute und Land."&gt;</P></DIR>
</DIR>
</DIR>
</DIR>
</DIR>
</DIR>
</FONT><P>Stand Vogt damals schon in den sp&auml;ter von ihm eingestandenen "wissenschaftlichen Beziehungen" zum Erzherzog Johann? (S. p. 25, Dokumente, "Hauptbuch ".) </P>
<P>Zehn Jahre sp&auml;ter erkl&auml;rte derselbe Vogt in den "Studien", p. 27[/28]: </P>
<FONT SIZE=2><P>"So viel ist wenigstens sicher, da&szlig; die Nationalversammlung in Frankreich und deren F&uuml;hrer zur Zeit ebenso die F&auml;higkeiten Louis-Napoleons untersch&auml;tzten wie die F&uuml;hrer der Frankfurter Nationalversammlung<I> diejenigen des Erzherzogs Johann</I> und da&szlig; jeder der beiden Schlauk&ouml;pfe in seiner Sph&auml;re [seine Untersch&auml;tzer]<I> reichlich f&uuml;r den begangenen Fehler b&uuml;&szlig;en lie&szlig;</I>. Wir sind damit weit entfernt, beide auf eine Linie zu stellen. Die entsetzliche R&uuml;cksichtslosigkeit usw. usw. (Louis Bonapartes). - Dies alles l&auml;&szlig;t ihn dem schon alten und abgenutzten Habsburger weit &uuml;berlegen erscheinen." </P>
</FONT><P>Noch in derselben Sitzung lie&szlig;<I> Wolff</I> den<I> Vogt</I> durch den Abgeordneten W&uuml;rth aus Sigmaringen auf Pistolen fordern, und als besagter Vogt seine Haut dem Reich zu erhalten beschlo&szlig; <A NAME="ZF1"><A HREF="me14_461.htm#F1">(1)</A></A>, ihm k&ouml;rperliche Z&uuml;chtigung an- <A NAME="S468"><B>&lt;468&gt;</A></B> drohn. Als<I> Wolff</I> aber, beim Herausgehn aus der Paulskirche, Karl den K&uuml;hnen von zwei Damen flankiert fand, brach er in helle Lache aus und &uuml;berlie&szlig; ihn seinem Schicksal. Obgleich ein Wolf, dessen Z&auml;hne und Herz w&ouml;lfisch sind, ist Wolff jedoch ein Lamm gegen das sch&ouml;ne Geschlecht. Die einzige, sehr harmlose Rache, die er nahm, war ein Artikel in der "Revue der Neuen Rheinischen Zeitung" (Aprilheft 1850, p. 73), betitelt<I> "Nachtr&auml;gliches aus dem Reich"</I>, worin es mit Bezug auf den Ex-Reichsregenten also lautet: </P>
<FONT SIZE=2><P>"In diesen kritischen Tagen war das Zentralm&auml;rztum gar flei&szlig;ig. Vor dem Abzug aus Frankfurt hatte es schon den M&auml;rzvereinen und dem deutschen Volke in einer Ansprache zugerufen: "Mitb&uuml;rger! Die elfte Stunde hat geschlagen!<21> Zur Herbeischaffung eines Volksheeres erlie&szlig; es nun von Stuttgart aus eine neue Proklamation 'an das deutsche Volk<6C>, und siehe da, der Zeiger der Zentralm&auml;rzuhr stand noch auf dem alten Fleck, oder es war ihr, wie der Uhr am Freiburger M&uuml;nster, die Zahl XII ausgebrochen. Genug, es hei&szlig;t in der Proklamation abermals: 'Mitb&uuml;rger! Die elfte Stunde hat geschlagen!<21> Oh, h&auml;tte sie doch fr&uuml;her und wenigstens damals, als der Zentralm&auml;rzheld<I> Karl Vogt</I> in N&uuml;rnberg zu seiner und der ihn fetierenden Heuler Befriedigung die fr&auml;nkische Revolution abwiegelte <A NAME="ZF2"></FONT><A HREF="me14_461.htm#F2"><FONT SIZE=2>(2)</FONT></A></A><FONT SIZE=2>, an und zugleich durch eure K&ouml;pfe geschlagen ... Im Freiburger Regierungsgeb&auml;ude schlug die Regentschaft ihre B&uuml;ros auf. Der Regent<I> Karl Vogt</I>, zugleich Minister des Ausw&auml;rtigen und Inhaber vieler andrer Ministerien, nahm sich auch hier das Wohl des deutschen Volkes angelegentlichst zu Herzen. Nach langen Tag- und Nachtstudien hatte er eine ganz zeitgem&auml;&szlig;e Erfindung, <I>'Reichsregentschafts-P&auml;sse<EFBFBD></I>, zustande gebracht. Die P&auml;sse waren einfach; schon lithographiert und gratis zu haben, so viel ihrer das Herz begehrte. Sie hatten nur den kleinen Fehler, nur in der Vogtschen Kanzlei g&uuml;ltig zu sein und respektiert zu werden. Vielleicht findet sp&auml;ter ein oder das andre Exemplar in der Kuriosit&auml;tensammlung eines Engl&auml;nders seinen Platz." </P>
</FONT><P>Wolff folgte nicht dem Vorbild Greiners. Statt "nach dem Erscheinen" der "Revue" sogleich nach Amerika abzureisen", harrte er noch ein Jahr lang des Land-Vogts Rache in der Schweiz. </P>
<P><HR></P>
<P>Fu&szlig;noten von Marx</P>
<P><A NAME="F1">(1)</A> Kobes I. erz&auml;hlt in dem schon erw&auml;hnten Pamphlet von Jacobus Venedey: "Als Karl Vogt in der Sitzung, in welcher Gagern den Gabriel Rie&szlig;er nach dessen Kaiserrede umarmte, ... den Abgeordneten Zimmermann ... mit Spottpathos und lautem Schreien in der Paulskirche umarmte, habe ich ihm zugerufen: 'La&szlig; die Gassenbubenstreiche.<2E> Da hat Vogt geglaubt, mich mit einem herausfordernden Schimpfworte beleidigen zu m&uuml;ssen, und als ich daf&uuml;r pers&ouml;nlich von ihm Rechenschaft forderte, hat er, nach langem Hin- und Hergehen eines Freundes, den Mut gehabt, f&uuml;r die Beleidigung nicht einzustehn." (p. 21, 22, l.c.) <A HREF="me14_461.htm#ZF1">&lt;=</A></P>
<P><A NAME="F2">(2)</A> Vogt rechtfertigte sp&auml;ter seine N&uuml;rnberger Heldentat mit den Worten: "Es h&auml;tten ihm die Garantien f&uuml;r seine pers&ouml;nliche Sicherheit gefehlt." <A HREF="me14_461.htm#ZF2">&lt;=</A></P></BODY>
</HTML>