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2022-08-25 20:29:11 +02:00

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<TITLE>"Neue Rheinische Zeitung" - der Eid der englischen Soldaten</TITLE>
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<P ALIGN="CENTER"><A HREF="me06_326.htm"><FONT SIZE=2>Die Handelslage</FONT></A><FONT SIZE=2> | </FONT><A HREF="../me_nrz49.htm"><FONT SIZE=2>Inhalt</FONT></A><FONT SIZE=2> | </FONT><A HREF="me06_334.htm"><FONT SIZE=2>Der M&auml;rzverein</FONT></A></P>
<P><SMALL>Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx - Friedrich Engels - Werke, Band 6, S. 332-333<BR>
Dietz Verlag, Berlin/DDR 1959</SMALL></P>
<FONT SIZE=5><P>Der Eid der englischen Soldaten</P>
</FONT><FONT SIZE=2><P>["Neue Rheinische Zeitung" Nr. 241 vom 9. M&auml;rz 1849]</P>
</FONT><B><P><A NAME="S332">&lt;332&gt;</A></B> *<I>K&ouml;ln</I>, 7. M&auml;rz. Die "Neue Preu&szlig;[ische] Z[ei]t[un]g" teilt mit gro&szlig;em Triumph den Diensteid des englischen Milit&auml;rs mit und freut sich &uuml;ber die Ma&szlig;en der Entdeckung, da&szlig; der englische Soldat nur der K&ouml;nigin, nicht aber der Verfassung Treue schw&ouml;rt. Und wir in Preu&szlig;en, in dem j&uuml;ngsten konstitutionellen Staat, wir sollten, <I>gegen </I>den Vorgang des &auml;ltesten konstitutionellen Landes, die Soldaten auf die Verfassung schw&ouml;ren lassen?</P>
<P>Die "N[eue] Pr[eu&szlig;ische] Z[eitung]" vergi&szlig;t aber ihren Lesern mitzuteilen, wie der englische Soldat gegen&uuml;ber den b&uuml;rgerlichen Gesetzen gestellt ist.</P>
<P>Da&szlig; der britische Soldat in <I>allen </I>Vergehen, die nicht <I>blo&szlig;e Disziplinarvergehen </I>sind, vor die gew&ouml;hnlichen Gerichte, die Friedensgerichte, Petty Sessions, Quarter Sessions oder Assisen gestellt wird, da&szlig; er in allen Kollisionen mit den &uuml;brigen Staatsb&uuml;rgern als <I>blo&szlig;er Staatsb&uuml;rger </I>behandelt wird, versteht sich von selbst.</P>
<P>Das ist aber noch nicht alles. In England ist jeder Staatsb&uuml;rger, sei er Beamter, Soldat oder was immer, den Gesetzen f&uuml;r jede seiner Handlungen verantwortlich und kann sich nicht darauf berufen, da&szlig; die betreffende Handlung ihm von seinen Vorgesetzten befohlen sei. Z.B. es findet eine Emeute statt. Das Milit&auml;r r&uuml;ckt an. Die gesetzlichen Aufforderungen zum Auseinandergehen erfolgen oder erfolgen nicht. Das Volk geht nicht auseinander. Der Zivilbeamte (stets ein Friedensrichter oder st&auml;dtischer <I>gew&auml;hlter </I>Beamter) gibt die Genehmigung zum Einschreiten oder gibt sie auch nicht. Das Milit&auml;r feuert, es bleiben Tote. Diese Leichen werden einer Totenschau-Jury vorgelegt, vor der der Tatbestand festgestellt wird. Findet die Jury, da&szlig; das Einschreiten durch die Umst&auml;nde nicht gerechtfertigt war, so gibt sie ein Verdikt auf <I>vorbedachten Mord </I>ab gegen s&auml;mtliche Teilnehmer, so auch gegen den <I>Zivil- <A NAME="S333"></I><B>&lt;333&gt;</A></B> <I>beamten</I>, der das Einschreiten genehmigt, gegen den <I>Offizier</I>, der das Feuer kommandiert, und gegen <I>s&auml;mtliche Soldaten, die wirklich gefeuert haben</I>.</P>
<P>Hat der Zivilbeamte das Einschreiten nicht genehmigt, so hat das keine weitere Folge, als da&szlig; er nicht im Verdikt figuriert. F&uuml;r Offiziere und Soldaten bleibt die Sache ganz dieselbe.</P>
<P>Dies Verdikt auf vorbedachten Mord bildet nun einen f&ouml;rmlichen Anklageakt, auf Grund dessen das Kriminalverfahren vor den ordentlichen Geschwornen eingeleitet wird.</P>
<P>Der englische Soldat wird also vom Gesetz keineswegs als eine willenlose Maschine angesehen, der dem ihm gewordenen Kommando gehorchen mu&szlig; ohne zu r&auml;sonieren, sondern als ein "free agent", ein Mann mit freiem Willen, der in jedem Augenblick wissen mu&szlig;, was er tut und f&uuml;r jede seiner Handlungen verantwortlich ist. Die englischen Richter w&uuml;rden einem angeklagten Soldaten sch&ouml;ne Dinge antworten, wenn er zu seiner Verteidigung sagte, das Feuern sei kommandiert worden und er habe "Ordre parieren" m&uuml;ssen!</P>
<P>In Preu&szlig;en ist das alles anders. In Preu&szlig;en erkl&auml;rt der Soldat, das Feuern sei ihm von seinem direkten Vorgesetzten kommandiert worden, und er ist von aller Strafe frei. In Preu&szlig;en und desgleichen in Frankreich ist &uuml;berhaupt dem Beamten f&uuml;r jede Gesetz&uuml;bertretung vollkommene Straflosigkeit zugesichert, sobald er nachweist, da&szlig; der Befehl dazu ihm von seinem ordentlichen Vorgesetzten im ordentlichen hierarchischen Wege zugekommen ist.</P>
<P>Da&szlig; wir nicht der Ansicht sind, eine kurze Eidformel k&ouml;nne einen Menschen zu einem andern Menschen, einen schwarzwei&szlig;en Gardelieutenant zu einem Schw&auml;rmer f&uuml;r die "konstitutionelle Freiheit" machen, wird uns die "N[eue] Pr[eu&szlig;ische] Z[eitung]" wohl aufs Wort glauben.</P>
<P>Die Herren mit Gott f&uuml;r K&ouml;nig und Vaterland haben selbst an ihrer eigenen l&ouml;blichen Sippschaft in den letzten zw&ouml;lf Monaten die angenehmsten Erfahrungen dar&uuml;ber gemacht, was Eide zu bedeuten haben. Wir haben auch gar nichts dagegen, da&szlig; die "N[eue] Pr[eu&szlig;ische] Z[eitung]" das Milit&auml;r dem K&ouml;nige, dem Dalai-Lama oder dem Mann im Monde Treue schw&ouml;ren l&auml;&szlig;t, sobald nur "Mein herrliches Kriegsheer" in der dargestellten Weise den <I>Gesetzen gegen&uuml;ber ganz so gestellt wird, wie das Milit&auml;r in England</I>.</P>
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