197 lines
12 KiB
HTML
197 lines
12 KiB
HTML
<!DOCTYPE HTML PUBLIC "-//W3C//DTD HTML 3.2//EN">
|
||
<HTML>
|
||
|
||
<HEAD>
|
||
|
||
<TITLE>Rosa Luxemburg - Kartenhäuser</TITLE>
|
||
|
||
<META HTTP-EQUIV="Content-Type" CONTENT="text/html; charset=ISO-8859-1">
|
||
<link rel=stylesheet type="text/css" href="http://www.mlwerke.de/css/format.css">
|
||
</HEAD>
|
||
<BODY link="#6000FF" vlink="#8080C0" alink="#FF0000" bgcolor="#FFFFCC">
|
||
|
||
<TABLE width="100%" border="0" align="center" cellspacing=0 cellpadding=0>
|
||
<TR>
|
||
<TD ALIGN="center" width="49%" height=20 valign=middle><A HREF="../index.shtml.html"><SMALL>MLWerke</SMALL></A></TD>
|
||
<TD ALIGN="center">|</TD>
|
||
<TD ALIGN="center" width="49%" height=20 valign=middle><A HREF="default.htm"><SMALL>Rosa Luxemburg</SMALL></A></TD>
|
||
</TR>
|
||
</TABLE>
|
||
<HR size="1">
|
||
<H2>Rosa Luxemburg</H2>
|
||
<H1>Kartenhäuser</H1>
|
||
<HR size="1">
|
||
<P><SMALL>»Die Rote Fahne«, 13.Januar 1919.</SMALL>
|
||
<P>Auf rauchenden Trümmern, zwischen Blutlachen und Leichen
|
||
hingemordeter »Spartakisten« beeilen sich die Helden der »Ordnung«,
|
||
ihre Herrschaft neu zu befestigen. Die Ebert-Regierung
|
||
rafft sich krampfhaft zu einer Konsolidierung ihrer Macht auf:
|
||
auf Bajonetten will sie nunmehr sitzen. Ebert hält ganz nach
|
||
Cäsarenmuster eine Revue der Gardetruppen ab und hält eine
|
||
Ansprache an sie, stattet im Angesicht der Toten und Verwundeten
|
||
auf dem Pflaster Berlins »den tapferen Truppen den Dank
|
||
der Regierung« ab, und weist ihnen als Aufgabe die Sicherung der
|
||
Nationalversammlung mit Waffengewalt zu. Der »Oberbefehlshaber« Noske nimmt in seinem Tagesbefehl vom 11. die alten bekannten
|
||
Register der Hindenburg, von Kessel und all der Schergen
|
||
des Hohenzollernregimes auf: »Im Osten plündern spartakistische
|
||
Banden im Auto mit vorgehaltenem Revolver ein Haus
|
||
ums andere... Die letzte Maske, als handle es sich um eine
|
||
politische Bewegung, ist gefallen, Raub und Plünderung entpuppt
|
||
sich als letztes und einziges Ziel des Aufruhrs«... Die Geduld
|
||
der Regierung sei erschöpft, und nun sollen die »starke Artillerie« und die Maschinengewehre ihr Wort reden. »Die Einigkeit der
|
||
Arbeiterklasse muß gegen Spartakus erfolgen«, schließt der
|
||
blutbefleckte Emporkömmling.
|
||
<P>
|
||
So hoffen die Scheidemänner mit materieller Hilfe des
|
||
gegenrevolutionären Militärs und mit moralischer Unterstützung des
|
||
Bürgertums auf den Leichen der Berliner revolutionären Arbeiter
|
||
ihre Regierungsgewalt neu aufzurichten.
|
||
<P>
|
||
Diese Rechnung hat aber ein Loch. Die Militärs, das Bürgertum,
|
||
die heute den Ebert-Scheidemann aus der Patsche helfen, wollen
|
||
selber die Früchte der blutigen Ernte genießen. Diese Elemente
|
||
wollten die »sozialistische« Regierung nur so lange unterstützen,
|
||
als sie glauben konnten, durch die falsche Flagge die proletarischen
|
||
Massen im Zaume halten zu können, durch »moralische«
|
||
Wirkung die Revolution, den Sozialismus zu erdrosseln. Nun ist
|
||
der Bann gebrochen. Die letzte Woche hat den Abgrund aufgerissen,
|
||
der zwischen der Ebertschen Regierung und der Revolution
|
||
gähnt. Heute ist es klar, daß Ebert-Scheidemann nur durch Bajonette
|
||
herrschen können. Ist dem aber so, dann will das Bajonett
|
||
auch ohne Ebert-Scheidemann herrschen. Das Bürgertum geht aufs
|
||
Ganze und schreit nach offener Proklamierung der Säbeldiktatur,
|
||
nach gänzlicher Wiederherstellung der alten »Ordnung«:
|
||
<P> »Die Aufrührer gehören vor das Standgericht oder in das Zuchthaus« - ruft heiser die »Tägliche Rundschau« - »und ihnen gehört
|
||
nicht die Freiheit... Die Wiederherstellung von Ruhe und
|
||
Ordnung muß bis ins Kleinste durchgeführt werden; die Polizei,
|
||
die es seit dem 9. November kaum noch gegeben hat, muß in
|
||
ihrem alten Umfange und in ihrer alten Bedeutung wiederhergestellt,
|
||
die Schutzmannschaft muß wiederum bewaffnet und ihr
|
||
Machtvollkommenheit zugewiesen werden.«
|
||
<P>
|
||
Gleichzeitig erklärt der Leiter der Noske-Garde, <B>Oberst Reinhardt:
|
||
er werde das Standrecht verhängen, er habe von niemand -
|
||
auch nicht von der Regierung - Befehle entgegenzunehmen, er sei
|
||
Soldat und habe selbständig zu bestimmen.</B> Und das 3. Garde-Regiment
|
||
erklärt auf eigene Faust, es sei »entschlossen«, die
|
||
Nationalversammlung »mit Waffengewalt zustande zu bringen«.
|
||
In Berlin und den Vororten nehmen Offiziere auf eigene Faust
|
||
Verhaftungen vor.
|
||
<P>
|
||
So rebelliert das gegenrevolutionäre Offizierskorps gegen die
|
||
Regierung Eberts und läßt sie deutlich verstehen, daß die Sache
|
||
umgekehrt gemeint war: die Ebert-Scheidemann sollten für die
|
||
Bourgeoisie Kastanien aus dem Feuer holen und nicht die Bourgeoisie
|
||
für die Ebert-Scheidemann. Kommt es dazu, daß die Bourgeoisie
|
||
die »sozialistische« Regierung vor der revolutionären Arbeiterschaft
|
||
retten muß, dann ist das Spiel aus, dann denkt die
|
||
Bourgeoisie wohl nicht ohne Grund, daß sie für die Säbeldiktatur
|
||
befähigtere Kandidaten hat als die Emporkömmlinge Ebert und Noske.
|
||
<P>
|
||
Auf der dritten Seite aber sucht die Haase-Partei die Krise zur
|
||
Aufrichtung einer Koalitionsregierung »<B>aller sozialistischen
|
||
Richtungen</B>« zu verwerten, getreu der Feigenblattpolitik Haases alle
|
||
inneren Widersprüche der Revolution im unterschiedslosen Brei
|
||
zu ertränken, alle Gegensätze zu vertuschen, die Kampfenergie
|
||
der Massen im faulen Kompromiß aufzulösen. Nur die »kompromittierten Führer«, die Ebert, Scheidemann, Landsberg, Noske,
|
||
sollen von der Bühne abtreten, nur ein <B>Personenwechsel</B> soll stattfinden,
|
||
die Scheidemannsche <B>Politik</B> aber soll nach wie vor am
|
||
Ruder bleiben und mit ihr sollen »alle sozialistischen Richtungen« eine gemeinsame Regierung bilden.
|
||
<P>
|
||
Da die »Spartakisten« heute, angesichts der Leichen hingemordeter
|
||
Proletarier, angesichts der Blutorgien der Scheidemänner,
|
||
noch zehnmal mehr als je für diese erbärmlichste Politik des
|
||
Kompromisses und des Verrats an der Sache der Revolution nur einen
|
||
Blick der Verachtung und die geballte Faust übrig haben, so läuft
|
||
die Phrase der Haase-Leute von der Koalition »aller sozialistischen
|
||
Richtungen« in Wirklichkeit auf die frühere bekannte Kombination:
|
||
Scheidemänner und Unabhängige hinaus. Die Wiederauferstehung
|
||
der Regierung Ebert-Haase unter neuen Personennamen:
|
||
das ist alles, worauf der große »Einigungs«rummel der
|
||
USP hinaus will. Und je kräftiger man auf die Ebert-Scheidemann
|
||
heute in der »Freiheit« schimpft, um so sicherer bereitet man unter
|
||
dieser Scheinkanonade den schmählichen Umfall der USP vor,
|
||
die trotz aller Lehren, trotzdem sie schon gezwungen war, am
|
||
28. Dezember das Kompaniegeschäft mit den Scheidemännern
|
||
aufzugeben, einfach zu diesem Geschäft - nur unter anderen
|
||
Firmenträgern - zurückkehren will.
|
||
<P>
|
||
So ergeben sich aus der gegenwärtigen Krise drei Kombinationen:
|
||
<UL>
|
||
<LI>Die Ebert-Scheidemann wollen den status quo, ihre eigene
|
||
Herrschaft auf Bajonette der Bourgeoisie gestützt weiter erhalten,
|
||
<P>
|
||
<LI>die USP will die Entwicklung auf den 9. November, auf eine
|
||
Regierung Ebert-Haase unter anderem Namen zurückschrauben,
|
||
<P>
|
||
<LI>die Bourgeoisie endlich will die Dinge auf den Stand <B>vor</B> dem
|
||
9. November, auf die nackte Säbeldiktatur rückwärtsrevidieren.
|
||
</UL>
|
||
<P>
|
||
Alle drei Kombinationen sind Kartenhäuser schon deshalb,
|
||
weil sie alle drei auf überholte, überwundene Etappen hinauslaufen.
|
||
Die Revolution läßt sich nicht zurückschrauben, nicht zurückrevidieren,
|
||
weder auf den 9. November noch viel weniger
|
||
auf die schönen Zeiten vor dem 9. November, und ebensowenig
|
||
läßt sie sich unter Eberts Zepter auf einem toten Punkt festnageln.
|
||
<P>
|
||
Der ganze politische Sinn und historische Inhalt der Krise dieser
|
||
letzten Woche liegt gerade darin, daß die Revolution durch
|
||
ihre innere Kraft und logische Entwicklung vorwärtsgetrieben
|
||
wird, um mit der Machteroberung des Proletariats, mit der
|
||
Verwirklichung des Sozialismus Ernst zu machen, während sich ihr
|
||
heute noch hemmende Momente auf Schritt und Tritt in den Weg
|
||
stellen. Mögen diese gegnerischen Kräfte für den Augenblick durch
|
||
rohe Gewaltmittel Oberhand gewinnen: den weiteren Entwicklungsgang,
|
||
den Siegeszug der Revolution aufzuhalten, sind sie völlig machtlos.
|
||
<P>
|
||
Und das kommt am besten in der Tatsache zum Ausdruck, daß
|
||
keine einzige Kombination auf den Trümmern dieser Woche aufgerichtet
|
||
werden kann, die von irgendwelcher Dauerhaftigkeit
|
||
wäre. Was auch morgen oder übermorgen als Ergebnis und Lösung
|
||
der Krise zustande kommen mag: es wird ein <B>Provisorium</B>,
|
||
es wird ein Kartenhaus sein. Mag die nackte Gewalt der Maschinengewehre
|
||
oder die Zweideutigkeit des Verschleierungsplanes
|
||
der USP die Oberhand gewinnen, - nach kürzester Zeit werden
|
||
die Urgewalten der Revolution: die <B>wirtschaftlichen Kämpfe</B>,
|
||
einen Strich durch all diese Rechnungen machen. Die Revolution
|
||
wird wieder und immer wieder das Grundproblem: die Generalabrechnung
|
||
zwischen Arbeit und Kapital auf die Tagesordnung
|
||
stellen. Und diese Abrechnung ist eine welthistorische
|
||
Auseinandersetzung zwischen zwei Todfeinden, die nur in einem langen
|
||
Machtkampf, Auge in Auge, Brust gegen Brust ausgefochten werden kann.
|
||
<P>
|
||
Kaum werden die Trümmer und die Leichen dieser jüngsten
|
||
Episode hinweggetragen werden, tritt die Revolution an diese
|
||
ihre unermüdliche Tagesarbeit wieder. Die »Spartakisten« gehen
|
||
ihren Weg mit unerschütterlicher Festigkeit weiter. Die Zahl der
|
||
von ihnen gebrachten Opfer wächst mit jeder Woche, die Zahl
|
||
ihrer Anhänger wächst aber hundertfach. Unter dem Belagerungszustand
|
||
des Krieges füllten sie Gefängnisse und Zuchthäuser,
|
||
unter der »sozialistischen« Regierung Ebert-Scheidemann füllen
|
||
sie die Gräber im Friedrichshain. Aber um die Fahne des rücksichtslosen
|
||
revolutionären Kampfes scharen sich immer dichter die
|
||
Massen des Proletariats. Mögen sich momentan einzelne Schichten
|
||
von der Demagogie und der Phrase der »Einigung« berauschen
|
||
und einfangen lassen: desto fester und treuer werden sie morgen
|
||
schon, nach neuer Enttäuschung und Ernüchterung wieder zu der
|
||
einzigen Partei stehen, die keine Kompromisse, keine Schwankungen
|
||
kennt, die ihren historisch vorgezeichneten Weg geht, ohne
|
||
nach rechts oder nach links zu schauen, ohne den Feind und die
|
||
Gefahren zu zählen - bis zum Siege.</P>
|
||
<HR size="1" align="left" width="200">
|
||
<P><SMALL>Quelle: »die nicht mehr existierende Website "Unser Kampf" auf fr<66>her "http://felix2.2y.net/deutsch/index.html"«<BR>
|
||
Pfad: »../lu/«<BR>
|
||
Verknüpfte Dateien: »<A href="http://www.mlwerke.de/css/format.css">../css/format.css</A>«</SMALL></P>
|
||
<HR size="1">
|
||
<TABLE width="100%" border="0" align="center" cellspacing=0 cellpadding=0>
|
||
<TR>
|
||
<TD ALIGN="center" width="49%" height=20 valign=middle><A HREF="../index.shtml.html"><SMALL>MLWerke</SMALL></A></TD>
|
||
<TD ALIGN="center">|</TD>
|
||
<TD ALIGN="center" width="49%" height=20 valign=middle> <A HREF="default.htm"><SMALL>Rosa Luxemburg</SMALL></A></TD>
|
||
</TR>
|
||
</TABLE>
|
||
</BODY>
|
||
|
||
</HTML>
|
||
|