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<title>"Neue Rheinische Zeitung" - Die Polendebatte in Frankfurt</title>
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</head>
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<p align="center"><a href="me05_315.htm"><font size="2">Der "Musterstaat" Belgien</font></a>
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<font size="2">|</font> <a href="../me_nrz48.htm"><font size="2">Inhalt</font></a> <font size=
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"2">|</font> <a href="me05_364.htm"><font size="2">Das deutsche Reichsbürgerrecht und die
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preußische Polizei</font></a></p>
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<small>Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx - Friedrich Engels - Werke, Band 5, S. 319-363<br>
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Dietz Verlag, Berlin/DDR 1959</small>
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<p class="RedNote">
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Am 27. Juli 1848 hatte die Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche nach einer
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dreitägigen Debatte beschlossen, den größten Teil des preußisch
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besetzten Teils von Polen in den Deutschen Bund aufzunehmen, d.h. zu annektieren. In der
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hier wiedergegebenen Artikelserie unterwarf die Neue Rheinische Zeitung die Debatte einer beißenden Kritik und
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wiederholte ihre strategische Position, wonach Polen als die "notwendige Nation" als
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wiedervereinigter und unabhängiger Staat wiederhergestellt werden müßte,
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durchzusetzen durch einen revolutionären Krieg gegen das zaristische Rußland,
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was wiederum untrennbar verbunden sei mit der Errichtung von Deutschland, Ungarn und
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Italien als Republiken.</p>
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<p class="RedNote">
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Ein halbes Jahrhundert später hat Franz Mehring in seinem Vorwort
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zu der dreibändigen Ausgabe von Schriften von Marx und Engels den historischen Kontext
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dieser im Jahre 1848 aktuellen Artikel dargestellt und einige kritische Anmerkungen dazu gemacht.
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Siehe den Artikel "<a href="http://www.mlwerke.de/me/me05/..\..\fm\fm07\fm07_035.htm">Die polnische Frage</a>" in unserem Archiv.</p>
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<p class="RedNote">Der von Engels kritisierte Ausschußbericht, der mündliche Bericht von Stenzel dazu
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sowie die Diskussionsbeiträge der Abgeordneten kann man online
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im Digitalisat des Wortprotokolls der Nationalversammlung bei der Bayerischen Staatsbibliothek nachlesen:
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<a href="http://daten.digitale-sammlungen.de/bsb00011909/image_354">
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Stenographischer Bericht über die Verhandlungen der
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deutschen constituirenden Nationalversammlung zu Frankfurt am Main.
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Hrsg. auf Beschluss der Nationalversammlung durch die Redactions-Commission
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und in deren Auftrag von Franz Wigard, Frankfurt a. M., Bd. 2 1848, S. 1124-1129</a>
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<em>Red. mlwerke.de</em>
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</p>
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<h1>Die Polendebatte in Frankfurt</h1>
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<p class="Autorinfo">Geschrieben von Friedrich Engels</p>
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<li><a href="me05_319.htm#NRhZ_1848-08-09">["Neue Rheinische Zeitung" Nr. 70 vom 9. August 1848]</a></li>
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<li><a href="me05_319.htm#NRhZ_1848-08-12">["Neue Rheinische Zeitung" Nr. 73 vom 12. August 1848]</a></li>
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<li><a href="me05_319.htm#NRhZ_1848-08-20">["Neue Rheinische Zeitung" Nr. 81 vom 20. August 1848]</a></li>
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<li><a href="me05_319.htm#NRhZ_1848-08-22">["Neue Rheinische Zeitung" Nr. 82 vom 22. August 1848]</a></li>
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<li><a href="me05_319.htm#NRhZ_1848-08-26">["Neue Rheinische Zeitung" Nr. 86 vom 26. August 1848]</a></li>
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<li><a href="me05_319.htm#NRhZ_1848-08-31">["Neue Rheinische Zeitung" Nr. 90 vom 31. August 1848]</a></li>
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<li><a href="me05_319.htm#NRhZ_1848-09-01">["Neue Rheinische Zeitung" Nr. 91 vom 1. September 1848]</a></li>
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<li><a href="me05_319.htm#NRhZ_1848-09-03">["Neue Rheinische Zeitung" Nr. 93 vom 3. September 1848]</a></li>
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<li><a href="me05_319.htm#NRhZ_1848-09-07">["Neue Rheinische Zeitung" Nr. 96 vom 7. September 1848]</a></li>
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</ol>
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<p class="FirstPub"><a name="NRhZ_1848-08-09">["Neue Rheinische Zeitung" Nr. 70 vom 9. August
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1848]</a></p>
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<p><b><a name="S319"><319></a></b> **<i>Köln</i>, 7. August. Die Frankfurter
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Versammlung, deren Debatten selbst in den erregtesten Momenten nie den Charakter einer echt
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deutschen Gemütlichkeit verloren, hat sich endlich bei der Posener Frage emporgerafft.
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Hier, wo preußische Schrapnells und gehorsame Bundestagsbeschlüsse ihr vorgearbeitet
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hatten, hier mußte sie einen entscheidenden Beschluß fassen; hier war keine
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Vermittlung möglich; sie mußte Deutschlands Ehre retten oder sie abermals beflecken.
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Die Versammlung hat unsern Erwartungen entsprochen; sie hat die sieben Teilungen Polens
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sanktioniert, sie hat die Schmach von 1772, 1794 und 1815 von den Schultern der deutschen
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Fürsten auf ihre eigenen Schultern gewälzt.</p>
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<p>Noch mehr! Die Frankfurter Versammlung hat die sieben Teilungen Polens für ebenso viele
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an die Polen verschwendete Wohltaten erklärt. Hat nicht das gewaltsame Eindringen der
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jüdisch-germanischen Race Polen zu einer Höhe der Kultur, zu einer Stufe der
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Wissenschaft emporgeschwungen, von der das Land früher keine Ahnung hatte? Verblendete,
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undankbare Polen! Hätte man euch nicht geteilt, ihr selbst müßtet bei der
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Frankfurter Versammlung um die Gnade nachsuchen, geteilt zu werden!</p>
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<p>Der Pfarrer Bonavita Blank im Kloster Paradies bei Schaffhausen erzog sich Elstern und Stare
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zum Aus- und Einfliegen. Er hatte ihnen die untere Hälfte des Schnabels ausgeschnitten,
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daß sie ihr Futter nicht selbst suchen, sondern es bloß aus seiner Hand empfangen
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konnten. Die Philister, welche von fern die Vögel auf die Schultern des Ehrwürdigen
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fliegen und vertraulich mit ihm verkehren sahen, bewunderten seine hohe Kultur und
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Wissenschaft. - Die Vögel, sagt sein Biograph, <i>liebten</i> ihn <i>wie ihren
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Wohltäter</i>.</p>
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<p>Und die gefesselten, verstümmelten, gebrandmarkten Polen wollen ihre Wohltäter
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nicht lieben!</p>
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<p><b><a name="S320"><320></a></b> Wir können die den Polen durch das
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Preußentum erwiesenen Wohltaten nicht besser schildern, als indem wir auf den
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völkerrechtlichen Ausschußbericht des gelehrten Historienschreibers, Herrn
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<i>Stenzel</i>, eingehen, den Bericht, der der Debatte als Text zugrunde liegt.</p>
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<p>Der Bericht erzählt zuerst, ganz im Stile der gewöhnlichsten diplomatischen
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Aktenstücke, die Entstehung des Großherzogtums Posen im Jahre 1815 durch
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"Einverleibung" und "Zusammenschlagung". Dann folgen die von Friedrich Wilhelm III. den
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Posenern zu gleicher Zeit gemachten Versprechungen: Aufrechthaltung der Nationalität,
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Sprache und Religion, Einsetzung eines eingebornen Statthalters, Teilnahme an der
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berühmten preußischen Konstitution.</p>
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<p>Was von diesen Versprechungen gehalten worden, ist bekannt. Die Verkehrsfreiheit zwischen
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den drei Bruchstücken Polens, die der Wiener Kongreß um so ruhiger beschließen
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konnte, je unausführbarer sie war, trat natürlich nie ins Leben.</p>
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<p>Jetzt kommt das Bevölkerungsverhältnis. Herr Stenzel rechnet heraus, daß
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1843 im Großherzogtum 790.000 Polen, 420.000 Deutsche und fast 80.000 Juden wohnten,
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zusammen fast 1.300.000 Einwohner.</p>
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<p>Der Behauptung des Herrn Stenzel stehen die polnischen Behauptungen, unter andern des
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Erzbischofs Przyluski entgegen, wonach weit über 800.000 Polen, und nach Abzug der Juden,
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Beamten und Soldaten, kaum 250.000 Deutsche in Posen leben.</p>
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<p>Bleiben wir jedoch bei der Behauptung des Herrn Stenzel. Sie reicht vollständig hin
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für unsere Zwecke. Geben wir zu, um uns alle weitere Debatte zu ersparen, daß
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420.000 Deutsche in Posen wohnen. Wer sind diese durch Hinzuziehung der Juden auf eine halbe
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Million gebrachten Deutschen?</p>
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<p>Die Slawen sind ein vorwiegend ackerbautreibendes Volk, wenig geschickt zum Betrieb
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städtischer Gewerbe, wie sie bisher in slawischen Ländern möglich waren. Der
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Handelsverkehr auf seiner ersten, rohesten Stufe, wo er noch bloßer Schacher war, wurde
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den hausierenden <i>Juden</i> überlassen. Als Kultur und Bevölkerung sich vermehrten,
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als das Bedürfnis städtischer Gewerbe und städtischer Konzentration fühlbar
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wurde, zogen <i>Deutsche</i> nach den slawischen Ländern. Die Deutschen, die
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überhaupt ihre höchste Blüte in der Kleinbürgerei der mittelalterlichen
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Reichsstädte, in dem trägen, karawanenmäßigen Binnenhandel und
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beschränkten Seehandel, im zünftigen Handwerksbetrieb des 14. und 15. Jahrhunderts
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erreichten, die Deutschen bewiesen ihren Beruf, die Pfahlbürger der Weltgeschichte zu
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werden, namentlich dadurch, daß sie bis auf den heutigen Tag den Kern der
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Kleinbürgerschaft von ganz Ost- und Nordeuropa, ja von Amerika bilden. In Petersburg, <a
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name="S321"></a><b><321></b> Moskau, Warschau und Krakau, in Stockholm und Kopenhagen, in
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Pest, Odessa und Jassy, in New York und Philadelphia sind die Handwerker, Krämer und
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kleinen Zwischenhändler zum großen, oft zum größten Teil Deutsche oder
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von deutscher Abkunft. In allen diesen Städten gibt es Stadtviertel, wo
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ausschließlich deutsch gesprochen wird; einzelne Städte, wie Pest, sind sogar fast
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ganz deutsch.</p>
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<p>Diese deutsche Einwanderung ist, namentlich in den slawischen Ländern, seit dem 12. und
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13. Jahrhundert fast ununterbrochen vor sich gegangen. Seit der Reformation wurden
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außerdem durch Sektenverfolgungen von Zeit zu Zeit ganze Massen von Deutschen nach Polen
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getrieben, wo sie mit offenen Armen aufgenommen wurden. In andern slawischen Ländern, in
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Böhmen, Mähren usw., wurde die slawische Bevölkerung durch Eroberungskriege der
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Deutschen dezimiert und die deutsche Bevölkerung durch Invasion vermehrt.</p>
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<p>Die Sachlage ist gerade in Polen am klarsten. Die deutschen Spießbürger, die dort
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seit Jahrhunderten ansässig sind, haben sich von jeher ebensowenig politisch zu
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Deutschland gerechnet wie die Deutschen in Nordamerika, wie die "französische Kolonie" in
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Berlin oder die 15.000 Franzosen in Montevideo zu Frankreich. Sie sind, soweit es in den
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dezentralisierten Zeiten des 17. und 18. Jahrhunderts möglich war, Polen geworden, deutsch
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redende Polen, sie hatten längst vollkommen verzichtet auf allen Zusammenhang mit dem
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Mutterlande.</p>
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<p>Aber sie haben Kultur, Bildung und Wissenschaft, Handel und Gewerbe nach Polen gebracht! -
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Allerdings den Kleinhandel und die Zunfthandwerke haben sie hingebracht; durch ihre Konsumtion
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und den beschränkten Verkehr, den sie herstellten, haben sie einigermaßen die
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Produktion gehoben. Von großer Bildung und Wissenschaft hat man bis 1772 in ganz Polen
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und seitdem auch in Östreichisch- und Russisch-Polen noch nicht viel gehört; vom
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preußischen werden wir noch näher sprechen. Dafür haben die Deutschen in Polen
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die Bildung polnischer Städte mit polnischer Bourgeoisie verhindert; sie haben die
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Zentralisation, das gewaltigste politische Mittel zur raschen Entwicklung eines Landes, durch
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ihre verschiedene Sprache, durch ihr Abschließen von der polnischen Bevölkerung,
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durch ihre tausendfach verschiedenen Privilegien und städtischen Rechtsverfassungen
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erschwert. Fast jede Stadt hatte ihr eigenes Recht, ja, in gemischten Städten bestand und
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besteht oft noch verschiedenes Recht für Deutsche, für Polen und für Juden. Die
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Deutschpolen sind auf der alleruntergeordnetsten Stufe der Industrie stehengeblieben, sie haben
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weder große Kapitalien gesammelt, noch haben sie sich die große Industrie
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anzueignen gewußt, noch haben sie sich der ausgedehnten <a name=
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"S322"></a><b><322></b> Handelsverbindungen bemächtigt. Der Engländer Cockerill
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mußte erst nach Warschau kommen, ehe die Industrie in Polen Wurzel fassen konnte.
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Kramhandel, Handwerk und höchstens Kornhandel und Manufaktur (Weberei etc.) im
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beschränktesten Maßstabe - das war die ganze Tätigkeit der Deutschpolen. Und
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daß sie deutsches Philistertum, deutsche spießbürgerliche Beschränktheit
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nach Polen importiert, daß sie die schlechten Eigenschaften beider Nationen ohne die
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guten in sich vereinigen, darf bei den Verdiensten der Deutschpolen ebenfalls nicht vergessen
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werden.</p>
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<p>Herr Stenzel sucht die Sympathie der Deutschen für die Deutschpolen rege zu machen:</p>
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<blockquote>
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"Als die Könige ... vorzüglich im 17. Jahrhundert immer ohnmächtiger wurden
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und auch die eingebornen polnischen Bauern gar nicht mehr gegen die härteste
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Unterdrückung durch den Adel schützen konnten, verfielen auch die deutschen
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Dörfer und Städte, von denen viele in den Besitz des Adels kamen. Nur die
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größern königlichen Städte retteten einen Teil ihrer alten Freiheiten"
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(lies: Privilegien).
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</blockquote>
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<p>Verlangt Herr Stenzel etwa, die Polen hätten die (übrigens auch "eingebornen")
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"Deutschen" (lies: Deutschpolen) besser schützen sollen als sich selbst? Es versteht sich
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doch wohl von selbst, daß die in ein Land eingewanderten Ausländer nichts mehr
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verlangen können, als gute und böse Tage mit der Urbevölkerung zu teilen!</p>
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<p>Kommen wir jetzt zu den Wohltaten, welche die Polen speziell der preußischen Regierung
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zu verdanken haben.</p>
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<p>1772 wurde der Netzdistrikt durch Friedrich II. geraubt und im folgenden Jahr der Bromberger
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Kanal angelegt, der zwischen der Oder und der Weichsel eine Binnenschiffahrt herstellte.</p>
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<blockquote>
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"Die seit Jahrhunderten zwischen Polen und Pommern streitigen, durch zahllose Verheerungen
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und große Moräste vielfach wüsten Umgebungen [...] wurden nun urbar gemacht
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und durch zahlreiche Kolonisten bevölkert."
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</blockquote>
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<p>Die erste Teilung Polens war also kein Raub. Friedrich II. bemächtigte sich nur eines
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"seit Jahrhunderten streitigen" Gebietes. Aber seit wie lange bestand kein selbständiges
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Pommern mehr, das dieses Gebiet hätte streitig machen <i>können</i>? Seit wie langen
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Jahrhunderten war es wirklich den Polen nicht mehr streitig gemacht worden? Und was soll
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überhaupt diese rostige und verrottete Theorie der "Streitigmachungen" und
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"Ansprüche", die gut genug war, im 17. und 18. Jahrhundert die Nacktheit der Handels- und
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Arrondierungsinteressen zu verhüllen, was soll sie im Jahre 1848, wo allem historischen
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Recht und Unrecht der Boden unter den Füßen weggezogen ist?</p>
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<p><b><a name="S323"><323></a></b> Übrigens sollte Herr Stenzel doch bedenken,
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daß nach dieser Rumpelkammerdoktrin die Rheingrenze zwischen Frankreich und Deutschland
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"seit Jahrtausenden streitig", ist und die Polen Ansprüche auf die Lehnshoheit über
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die Provinz Preußen und selbst Pommern geltend machen könnten!</p>
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<p>Genug. Der Netzdistrikt wurde preußisch und war somit nicht mehr "streitig". Friedrich
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II. ließ ihn von Deutschen kolonisieren, und so entstanden die in der posenschen
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Angelegenheit so ruhmvoll genannten <i>"Netzbrüder"</i>. Die Germanisierung von Staats
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wegen beginnt mit dem Jahre 1773.</p>
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"Die Juden in dem Großherzogtum sind allen <i>zuverlässigen Angaben</i> nach
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durchgehends Deutsche und wollen es auch sein ... Die religiöse Toleranz, welche ehemals
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in Polen vorherrschte, sowie mehrere Eigenschaften, welche den Polen abgingen, haben den
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Juden seit Jahrhunderten einen tiefeingreifenden" (in die Geldbeutel der Polen nämlich)
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"Wirkungskreis in Polen gegeben. In der Regel sind sie beider Sprachen mächtig, obgleich
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sie in ihren Familien, wie von Jugend auf ihre Kinder, <i>deutsch</i> sprechen."
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</blockquote>
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<p>Die unerwartete Sympathie und Anerkennung, welche die polnischen Juden in der letzten Zeit
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in Deutschland gefunden, hat hier ihren offiziellen Ausdruck erlangt. Verrufen, soweit der
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Einfluß der Leipziger Messe reicht, als der vollständigste Ausdruck des Schachers,
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der Filzigkeit und des Schmutzes, sind sie plötzlich deutsche Brüder geworden; der
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biedere Michel drückt sie unter Wonnetränen an sein Herz, und Herr Stenzel reklamiert
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sie im Namen der deutschen Nation als Deutsche, welche auch Deutsche sein <i>wollen</i>.</p>
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<p>Und warum sollten die polnischen Juden keine echten Deutschen sein? Sprechen sie nicht "in
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ihren Familien, sowie von Jugend auf ihre Kinder, deutsch"? Und welches Deutsch noch
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obendrein!</p>
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<p>Wir machen übrigens Herrn Stenzel darauf aufmerksam, daß er auf diese Weise ganz
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Europa und halb Amerika, ja einen Teil von Asien reklamieren kann. Deutsch ist bekanntlich die
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jüdische Weltsprache. In New York wie in Konstantinopel, in Petersburg wie in Paris
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"sprechen die Juden in ihren Familien, sowie von Jugend auf ihre Kinder, deutsch", und
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teilweise noch klassischeres Deutsch als die "stammverwandten" Bundesgenossen der
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Netzbrüder, die posenschen Juden.</p>
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<p>Der Bericht fährt nun fort, die Nationalitätsverhältnisse möglichst
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unbestimmt und möglichst zugunsten der aus Deutschpolen, Netzbrüdern und Juden
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bestehenden angeblichen halben Million Deutschen darzustellen. Der bäuerliche Grundbesitz
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der Deutschen sei größer als der der polnischen Bauern (wir werden sehen, wie das
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zugeht). Seit der ersten Teilung Polens sei der Haß zwischen Polen und Deutschen,
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namentlich Preußen, aufs höchste gestiegen.</p>
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<blockquote>
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<b><a name="S324"><324></a></b>"Preußen vorzüglich störte durch
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Einführung seiner besonders fest geregelten Staats- und Verwaltungsanordnungen" (welches
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Deutsch!) "und deren strenge Handhabung die alten Gewohnheiten <In der "Neuen Rheinischen
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Zeitung": Gerechtigkeiten> und herkömmlichen Einrichtungen der Polen auf das
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empfindlichste."
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</blockquote>
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<p>Wie sehr die "festgeregelten" und "strenge gehandhabten" Maßregeln der löblichen
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preußischen Bürokratie nicht nur die alten Gewohnheiten und herkömmlichen
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Einrichtungen, sondern das ganze <i>gesellschaftliche</i> Leben, die industrielle und
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ackerbauende Produktion, den Handelsverkehr, den Bergbau, kurz alle gesellschaftlichen
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|
Beziehungen ohne Ausnahme <i>"störten"</i>, davon wissen nicht nur die Polen, sondern auch
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|
die übrigen Preußen, und ganz besonders wir Rheinländer, wunderbare Dinge zu
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erzählen. Herr Stenzel spricht aber hier nicht einmal von der Bürokratie von
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|
1807-1848, sondern von der von 1772-1806, von den Beamten des eigentlichsten
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Stockpreußentums, deren Gemeinheit, Bestechlichkeit, Habgier und Brutalität in den
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Verrätereien von 1806 so glänzend zutage kam. Diese Beamten hätten den
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polnischen Bauern gegen den Adel geschützt und puren Undank geerntet; freilich hätten
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die Beamten fühlen müssen, "daß alles, auch Gutes geben und aufzwingen, nicht
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für den Verlust nationaler Selbständigkeit entschädigt".</p>
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<p>Auch wir kennen die Art, in der die preußischen Beamten noch in letzter Zeit gewohnt
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waren, "alles zu geben und aufzuzwingen". Wo ist der Rheinländer, der nicht mit frisch
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importierten altpreußischen Beamten zu tun gehabt, der nicht Gelegenheit gehabt hat, dies
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unvergleichliche, naseweise Besserwissen, dies unverschämte Dreinreden, diese Vereinigung
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von Beschränktheit und Unfehlbarkeit, diese apodiktische Grobheit zu bewundern! Bei uns
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freilich haben die Herren Altpreußen ihre härtesten Ecken meist bald abgeschlissen;
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sie hatten keine Netzbrüder, keine geheime Inquisition, kein Landrecht und keine
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Stockprügel zu ihrer Verfügung, und an dem Mangel der letzteren ist mancher vor Gram
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gestorben. Wie sie aber erst in Polen gehaust haben mögen, wo sie nach Herzenslust
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|
prügeln und geheim inquirieren lassen konnten, das braucht uns nicht erst beschrieben zu
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werden.</p>
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<p>Genug, die preußische Willkürherrschaft wußte sich so beliebt zu machen,
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|
daß "schon nach der Schlacht von Jena sich der Haß der Polen durch einen
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allgemeinen Aufstand und Verjagung der preußischen Beamten zeigte". Damit hatte die
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Beamtenwirtschaft einstweilen ihr Ende erreicht.</p>
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<p>Aber im Jahr 1815 kam sie in etwas veränderter Gestalt wieder. Das "reformierte",
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"gebildete", "unbestechliche", "beste" Beamtentum versuchte sein Glück an diesen
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|
widerhaarigen Polen.</p>
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<blockquote>
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<b><a name="S325"><325></a></b>"Auch mit Errichtung des Großherzogtums Posen
|
|
konnte kein gutes Vernehmen hergestellt werden, indem ... der König von Preußen
|
|
damals unmöglich darauf eingehen konnte, eine einzelne Provinz ganz selbständig zu
|
|
organisieren und aus seinem Staate gewissermaßen einen Bundesstaat zu machen."
|
|
</blockquote>
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<p>Also der König von Preußen konnte nach Herrn Stenzel "unmöglich darauf
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|
eingehen", seine eigenen Versprechungen und die Wiener Verträge zu halten!</p>
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<blockquote>
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"Als im Jahre 1830 die Sympathien des polnischen Adels für den Aufstand in Warschau
|
|
Besorgnisse erregten und seitdem planmäßig dahin gearbeitet wurde, durch mehrere
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|
getroffene Einrichtungen (!), namentlich durch Aufkaufen, Zerschlagen und Verteilen
|
|
polnischer Rittergüter an Deutsche, vorzüglich den polnischen Adel nach und nach
|
|
völlig zu beseitigen, stieg die Erbitterung derselben gegen Preußen."
|
|
</blockquote>
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<p>"Durch mehrere getroffene Einrichtungen!" Durch das Verbot, subhastierte Grundstücke an
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Polen zu verkaufen und andere derartigen Maßregeln, die Herr Stenzel mit dem Mantel der
|
|
Liebe bedeckt.</p>
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<p>Was würden die Rheinländer dazu sagen, wenn bei uns die preußische Regierung
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ebenfalls verboten hätte, gerichtlich verkaufte Grundstücke an Rheinländer zu
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verkaufen! Vorwände genug wären dazu dagewesen: um die Bevölkerung der alten und
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neuen Provinzen zu verschmelzen; um die Eingeborenen der alten Provinzen an den Wohltaten der
|
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Parzellierung und der rheinischen Gesetzgebung teilnehmen zu lassen; um die Rheinländer zu
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veranlassen, ihre Industrie auch in den alten Provinzen durch Einwanderung einheimisch zu
|
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machen, usw. Gründe genug, um uns ebenfalls mit preußischen "Kolonisten" zu
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beglücken! Wie würden wir eine Bevölkerung betrachten, die unsern Grund und
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Boden, bei ausgeschlossener Konkurrenz, zu Spottpreisen aufkaufte und außerdem noch vom
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Staate dabei unterstützt würde; eine Bevölkerung, die uns ausdrücklich zu
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dem Zwecke aufgeladen würde, um den Begeisterungsfusel mit Gott für König und
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Vaterland bei uns einheimisch zu machen?</p>
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<p>Und wir sind doch noch Deutsche, wir sprechen dieselbe Sprache wie die alten Provinzen. In
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Posen aber wurden diese Kolonisten systematisch, mit unerbittlicher Regelmäßigkeit
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auf die Domänen, in die Wälder, auf die parzellierten polnischen Rittergüter
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geschickt, um die eingeborenen Polen und ihre Sprache von ihrem eigenen Lande zu
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verdrängen und eine echtpreußische Provinz zu bilden, die in schwarz-weißem
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Fanatismus selbst Pommern übertreffen sollte.</p>
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<p>Und damit die preußischen Bauern in Polen nicht ohne natürliche Vorgesetzte
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blieben, sandte man ihnen die Blüte der preußischen Ritterschaft, einen
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<i>Tresckow</i>, einen <i>Lüttichau</i>, nach, die dort ebenfalls Rittergüter zu
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Spott- <a name="S326"></a><b><326></b> preisen und mit Staatsvorschüssen aufkauften.
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Ja, nach dem Polenaufstande von 1846 bildete sich eine ganze Aktiengesellschaft in Berlin,
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unter dem gnädigen Schutze hoher, höchster und noch höherer Personen, die den
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Zweck hatte, polnische Güter für deutsche Ritter aufzukaufen. Die hungrigen Schlucker
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vom märkischen und pommerschen Adel sahen voraus, daß der Polenprozeß eine
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Menge polnischer Rittergutsbesitzer ruinieren, daß man ihre Güter nächstens
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spottwohlfeil verschleudern werde. Welch ein gefunden Futter für so manchen in Schulden
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ertrinkenden uckermärkischen Don Ranudo! Ein schönes Rittergut fast umsonst,
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polnische Bauern zum Prügeln und obendrein noch das Verdienst, König und Vaterland
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sich verpflichtet zu haben - welche brillante Aussicht!</p>
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<p>So entstand die dritte deutsche Einwanderung nach Polen: preußische Bauern und
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preußischer Adel, die sich überall in Posen festsetzten, und die, von der Regierung
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unterstützt, mit der offenen Absicht nicht der Germanisierung, sondern der
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<i>Verpommerung</i> hinkamen. Hatten die deutschpolnischen Bürger die Entschuldigung, zur
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Hebung des Handels ein Kleines beigetragen zu haben, konnten die Netzbrüder sich
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rühmen, einige Moräste urbar gemacht zu haben, so fehlte dieser letzten
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preußischen Invasion aller Vorwand. Nicht einmal die Parzellierung hatten sie konsequent
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eingeführt; der preußische Adel folgte den preußischen Bauern auf dem
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Fuß.</p>
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<p class="FirstPub"><a name="NRhZ_1848-08-12">["Neue Rheinische Zeitung" Nr. 73 vom 12. August
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1848]</a></p>
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<p>**<i>Köln</i>, 11. August. Wir haben im ersten Artikel die "historische Grundlage" des
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Stenzelschen Berichts untersucht, insoweit er auf die Lage Posens vor der Revolution eingeht.
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Wir kommen heute auf Herrn Stenzels Geschichte der Revolution und Kontrerevolution in
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Posen.</p>
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<blockquote>
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"Das deutsche Volk, immer voll Teilnahme für jeden Unglücklichen" (solange die
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Teilnahme nichts kostet), "hatte jederzeit das große Unrecht tief gefühlt, was von
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seinen Fürsten gegen die Polen begangen worden war."
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</blockquote>
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<p>Allerdings, "tief gefühlt" im stillen deutschen Herzen, wo die Gefühle so "tief"
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sitzen, daß sie nie in Taten herausbrechen! Allerdings, "Teilnahme" durch einige Almosen
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1831, durch Zweckessen und Polenbälle, solange es galt, zum Besten der Polen zu tanzen,
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Champagner zu trinken und zu singen: "Noch ist Polen nicht verloren!" Aber wirklich etwas
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Ernsthaftes tun, wirklich einmal ein Opfer bringen - wo ist das je der Deutschen Sache
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gewesen!</p>
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<blockquote>
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"Die Deutschen boten aufrichtig die Bruderhand, um zu sühnen, was ihre Fürsten
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früher verbrochen."
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</blockquote>
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<p><b><a name="S327"><327></a></b> Allerdings, wenn rührende Phrasen und träge
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Kannegießereien irgend etwas "sühnen" könnten, dann stände kein Volk so
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rein in der Geschichte da wie gerade die Deutschen.</p>
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<blockquote>
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"In demselben Augenblick aber, als die Polen einschlugen" (nämlich in die dargebotene
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Bruderhand), "trennten sich auch schon beider Nationen Interessen und Ziele. Die Polen
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dachten nur an die Wiederherstellung ihres alten Reichs, mindestens in der Landesausdehnung
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vor der ersten Teilung im Jahr 1772."
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</blockquote>
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<p>Wahrlich, nur der gedankenlose, wüste Enthusiasmus ins Blaue hinein, der von jeher eine
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Hauptzierde des deutschen Nationalcharakters war, konnte es zuwege bringen, daß die
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Deutschen von der Forderung der Polen überrascht waren! Die Deutschen wollten das an Polen
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begangene Unrecht <i>"sühnen"</i>. Womit begann dies Unrecht? Von früheren
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Verrätereien nicht zu sprechen, doch gewiß mit der ersten Teilung 1772. Wie war dies
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zu "sühnen"? Doch nur dadurch, daß der Status quo <i>vor</i> 1772 wiederhergestellt
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wurde, oder mindestens dadurch, daß die Deutschen den Polen das herausgaben, was sie seit
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1772 von ihnen geraubt hatten. Aber das Interesse der Deutschen war dagegen? Gut, sprechen wir
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von Interessen, so kann von den Sentimentalitäten wegen "Sühnen" usw. keine Rede mehr
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sein, so spreche man die Sprache der kalten, gefühllosen Praxis und verschone uns mit
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Toastphrasen und Großmutsempfindungen.</p>
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<p>Übrigens haben die Polen erstens keineswegs <i>"nur"</i> an die Wiederherstellung des
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Polens von 1772 "gedacht". Woran die Polen <i>"gedacht"</i> haben, geht uns überhaupt
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wenig an. Sie <i>verlangten</i> vorderhand nur Reorganisation des ganzen Posens und sprachen
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von weitern Eventualitäten nur für den Fall eines deutsch-polnischen Kriegs gegen
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Rußland.</p>
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<p>Zweitens "trennten sich beider Nationen Interessen und Ziele" nur so lange, als die
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"Interessen und Ziele" des revolutionierten Deutschlands in völkerrechtlicher Beziehung
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ganz dieselben blieben wie die des alten, absolutistischen Deutschlands. Russische Allianz,
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wenigstens Friede mit Rußland um jeden Preis, wenn das Deutschlands "Interesse und Ziel"
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ist, muß in Polen allerdings alles beim alten bleiben. Wir werden aber später sehen,
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wie sehr die <i>wirklichen</i> Interessen Deutschlands mit denen Polens identisch sind.</p>
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<p>Jetzt kommt ein breiter, verworrener, verlegener Passus, in welchem Herr Stenzel sich
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darüber ausläßt, wie recht die Deutschpolen hatten, wenn sie zwar Polen
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Gerechtigkeit widerfahren lassen, zugleich aber preußisch und deutsch bleiben wollten.
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Daß das Zwar das Aber und das Aber das Zwar unmöglich macht, geht Herrn Stenzel
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natürlich nichts an.</p>
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<p>Daran schließt sich eine ebenso breite und verworrene Geschichtserzählung, worin
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Herr Stenzel im einzelnen zu beweisen sucht, daß bei den "sich <a name=
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"S328"></a><b><328></b> trennenden Interessen und Zielen beider Nationen", bei der
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dadurch sich stets steigernden gegenseitigen Erbitterung ein blutiger Zusammenstoß
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un<i>vermeidlich</i> war. Die Deutschen hielten das <i>"nationale"</i> Interesse fest, die
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Polen das bloß <i>"territoriale"</i>. D.h., die Deutschen verlangten Scheidung des
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Großherzogtums nach den Nationalitäten, die Polen wollten ihr ganzes altes Gebiet
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für sich.</p>
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<p>Dies ist wieder nicht wahr. Die Polen verlangten Reorganisation, erklärten aber
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zugleich, sie seien mit Abtretung der gemischten Grenzbezirke, da wo die Mehrheit deutsch sei
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und zu Deutschland geschlagen sein wolle, vollständig einverstanden. Nur solle man die
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Leute nicht nach dem Belieben der preußischen <i>Beamten</i> deutsch oder polnisch
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machen, sondern nach ihrem eigenen Willen.</p>
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<p>Willisens Mission, fährt Herr Stenzel fort, mußte natürlich scheitern an dem
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(vorgegebenen, nirgends existierenden) Widerstand der Polen gegen die Abtretung der
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überwiegend deutschen Bezirke. Herrn Stenzel lagen die Erklärungen Willisens
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über die Polen und die der Polen über Willisen zur Einsicht vor. Diese
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<i>gedruckten</i> Erklärungen beweisen das Gegenteil. Aber das liegt daran, wenn man, wie
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Herr Stenzel sagt, "ein Mann ist, der seit vielen Jahren sich mit Geschichte beschäftigt
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und es sich zur Pflicht gemacht hat, nichts Unwahres zu sagen und nichts Wahres zu
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verhehlen"!</p>
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<p>Mit derselben Treue, die nichts Wahres verhehlt, geht Herr Stenzel über den in Posen
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verübten Kannibalismus, über den schnöden Treubruch der Konvention von
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Jaroslawiec, über die Metzeleien von Trzemeszno, Miloslaw und Wreschen, über das
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verheerende Wüten einer des Dreißigjährigen Krieges würdigen Soldateska
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leicht hinweg, ohne davon auch nur eine Silbe zu erwähnen.</p>
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<p>Herr Stenzel kommt nun zu den vier neuen Teilungen Polens durch die preußische
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Regierung. Zuerst wurde der Netzdistrikt nebst vier andern Kreisen abgerissen (14. April); dazu
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schlug man noch einige Teile anderer Kreise, zusammen mit einer Bevölkerung von 593.390
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Köpfen und ließ sie in den Deutschen Bund aufnehmen (22. April). Dann nahm man die
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Stadt und Festung Posen nebst dem Rest des linken Wartheufers hinzu - wieder 273.500 Seelen,
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also zusammen <i>mehr als doppelt</i> soviel, als selbst nach <i>preußischen</i> Angaben
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Deutsche in ganz Posen wohnen. Das geschah durch Kabinettsordre vom 26. April <In der "Neuen
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Rheinischen Zeitung" irrtümlich: 29. April>, und schon am 2. Mai erfolgte die Aufnahme
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in den Deutschen Bund. Herr Stenzel wimmert nun der Versammlung vor, wie es durchaus nötig
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sei, daß Posen in deutschen Händen bleibe, Posen, eine wich- <a name=
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"S329"></a><b><329></b> tige, gewaltige Festung, wo über 20.000 Deutsche (von denen
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die meisten polnische Juden) wohnen, denen <sup>2</sup>/<sub>3</sub> des gesamten Grundbesitzes
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gehört usw. Daß Posen mitten in rein polnischem Lande liegt, daß es gewaltsam
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germanisiert worden ist und daß polnische Juden keine Deutsche sind, das ist höchst
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gleichgültig für Leute, die "nie Unwahres berichten und nie Wahres verschwiegen",
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für Historiker von der Force eines Herrn Stenzel!</p>
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<p>Genug, aus militärischen Gründen durfte man Posen nicht aus den Händen geben.
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Als ob man diese Festung, die nach Willisen einer der größten strategischen Fehler
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ist, nicht hätte schleifen und dafür Breslau befestigen können. Aber man hatte
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zehn Millionen hineingesteckt (beiläufig wieder nicht wahr, kaum fünf Millionen), und
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es ist natürlich vorteilhafter, das teure Kunstwerk zu behalten und 20-30 Quadratmeilen
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polnischer Erde dazu.</p>
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<p>Hat man aber erst die "Stadt und Festung" Posen, so bietet sich die ungezwungenste
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Gelegenheit, noch mehr zu nehmen.</p>
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<blockquote>
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"Um aber die Festung zu behaupten, wird man genötigt sein, ihr auch die Zugänge von
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Glogau, Küstrin und Thorn sowie einen Festungsbezirk gegen Osten zu sichern" (der nur
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1.000 bis 2.000 Schritte zu sein brauchte, wie der von Maestricht gegen Belgien und Limburg).
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"Dadurch", schmunzelt Herr Stenzel weiter, "wird zugleich der ungestörte Besitz des
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Bromberger Kanals behauptet, es werden aber auch zahlreiche Striche, in denen die polnische
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Bevölkerung überwiegend ist, dem Deutschen Bunde einverleibt werden müssen."
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|
</blockquote>
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<p>Aus allen diesen Gründen hat denn auch der bekannte Menschenfreund Pfuel von
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Höllenstein zwei neue Teilungen Polens vorgenommen, wodurch alle Wünsche des Herrn
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Stenzel befriedigt und drei Viertel des ganzen Großherzogtums zu Deutschland geschlagen
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werden. Herr Stenzel erkennt dies Verfahren um so dankbarer an, als er, der Historiker, in
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dieser potenzierten Erneuerung der Reunionskammern Ludwigs XIV. offenbar sehen muß,
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daß die Deutschen gelernt haben, die Lehren der Geschichte zu benutzen.</p>
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<p>Die Polen, meint Herr Stenzel, sollen sich damit trösten, daß ihr Anteil
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fruchtbarer ist als das einverleibte Gebiet, daß sie weit weniger Grundbesitz haben als
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die Deutschen und daß "kein Unbefangener leugnen wird, daß der polnische Landmann
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sich weit erträglicher unter einer deutschen Regierung als der deutsche unter einer
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polnischen befinden wird"!! Wovon die Geschichte merkwürdige Beweise liefert.</p>
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<p>Schließlich ruft Herr Stenzel den Polen zu, auch das kleine Stückchen, das ihnen
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geblieben, werde ihnen genügen, um sich durch Ausübung aller bürgerlichen
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Tugenden</p>
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<blockquote>
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"würdig auf den Augenblick vorzubereiten, den die Zukunft ihnen jetzt noch verhüllt
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und den sie in sehr verzeihlicher Weise vielleicht zu stürmisch herbeizurufen suchen. <a
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name="S330"></a><b><330></b> 'Es gibt', ruft einer ihrer einsichtsvollsten
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Mitbürger sehr treffend, 'eine Krone, welche auch würdig ist, euren Ehrgeiz zu
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reizen, es ist die <i>Bürgerkrone</i>!' Ein Deutscher darf hinzusetzen: Sie glänzt
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nicht, aber sie ist gediegen!"
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</blockquote>
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<p>"Sie ist gediegen!" Noch "gediegener" aber sind die wirklichen Gründe der erneuerten
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vier Teilungen Polens durch die preußische Regierung.</p>
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<p>Deutscher Biedermann! Du glaubst, die Teilungen seien vorgenommen, um deine deutschen
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Brüder von der polnischen Herrschaft zu retten? Um dir in der Festung Posen ein Bollwerk
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gegen jeden Angriff zu sichern? Um die Straßen von Küstrin, Glogau und Bromberg, um
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den Netzkanal sicherzustellen? Welche Täuschung!</p>
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<p>Man hat dich schmählich hintergangen. Die neuen Teilungen Polens sind gemacht worden
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aus keinem andern Grunde, als um die <i>Kassen des preußischen Staats zu
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füllen</i>.</p>
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<p>Die ersten Teilungen Polens bis 1815 waren ein Länderraub mit bewaffneter Hand, die
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Teilungen von 1848 sind ein <i>Diebstahl</i>.</p>
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<p>Und jetzt merke auf, deutscher Biedermann, wie man dich hintergangen hat!</p>
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<p>Nach der dritten Teilung Polens konfiszierte Friedrich Wilhelm II. die polnischen
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starosteilichen und die der katholischen Geistlichkeit gehörenden Güter zum Besten
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des Staats. Namentlich die Güter der Kirche machten "einen <i>sehr beträchtlichen</i>
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Teil des ganzen Landeigentums aus", wie die Besitzergreifungsdeklaration vom 28. Juli <In
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der "Neuen Rheinischen Zeitung" irrtümlich: März> 1796 selbst sagte. Diese neuen
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Domänen wurden für königliche Rechnung verwaltet oder verpachtet und waren so
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ausgedehnt, daß zu ihrer Administration 34 Domänenämter und 21
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Oberförstereien errichtet werden mußten. Zu jedem dieser Domänenämter
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gehörten eine Menge Ortschaften, z.B. zu den 10 Ämtern des Bromberger
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Regierungsbezirks zusammen 636 und zu dem einzigen Domänenamt Mogilno 127 Ortschaften.</p>
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<p>Außerdem hat Friedrich Wilhelm II. 1796 die Güter und Forsten des Nonnenklosters
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zu Owinsk konfisziert und dem Kaufmann von Tresckow (Vorfahren des tapfern preußischen
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Bandenführers Tresckow aus dem letzten Heldenkriege) verkauft; diese Güter bestehen
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aus 24 Ortschaften nebst Mühlen und 20.000 Morgen Forst, im Wert von mindestens 1.000.000
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Taler.</p>
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<p>Ferner wurden die Domänenämter Krotoschin, Rozdrazewo, Orpiszewo und Adelnau, im
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Wert von mindestens 2 Millionen Taler, 1819 dem Fürsten Thurn und Taxis zur
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Entschädigung für das Postregal in mehreren an Preußen gefallenen Provinzen
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abgetreten.</p>
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<p><b><a name="S331"><331></a></b> Die sämtlichen Güter hatte Friedrich Wilhelm
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II. unter dem Vorwande, sie besser zu verwalten, übernommen. Trotzdem aber sind sie, ein
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Eigentum der polnischen Nation, verschenkt, abgetreten, verkauft worden, und die Kaufgelder
|
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sind in die <i>preußische</i> Staatskasse geflossen.</p>
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<p>Die Domänenämter Gnesen, Skorzencin, Trzemeszno sind zerschlagen und
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veräußert worden.</p>
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<p>Es bleiben also noch 27 Domänenämter und die Oberförstereien in einem
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Kapitalwert von allermindestens <i>zwanzig Millionen Taler</i> in den Händen der
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preußischen Regierung. Wir sind erbötig, mit der Karte in der Hand zu beweisen,
|
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daß diese Domänen und Forsten sämtlich - mit sehr wenigen oder gar keinen
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Ausnahmen - in dem einverleibten Teil von Posen liegen. Um diesen reichen Schatz vor allem
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Rückfall an die polnische Nation zu retten, mußte er in den Deutschen Bund
|
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aufgenommen werden; und da er nicht zum Deutschen Bunde kommen konnte, so mußte der
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Deutsche Bund zu ihm kommen, und <sup>3</sup>/<sub>4</sub> von Posen wurden einverleibt.</p>
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<p>Das ist der wahre Grund der vier berühmten Teilungen Polens binnen zwei Monaten. Nicht
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die Reklamationen dieser oder jener Nationalität, nicht angeblich strategische Gründe
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haben entschieden: Die Lage der Domänen, die Habgier der preußischen Regierung
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allein hat die Grenzlinie bestimmt.</p>
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<p>Während die deutschen Bürger für die erdichteten Leiden ihrer armen
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Brüder in Posen blutige Tränen vergossen, während sie sich für die
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Sicherung der deutschen Ostmark begeisterten, während sie sich durch erlogene Berichte von
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polnischen Barbareien gegen die Polen in Harnisch jagen ließen, operierte die
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preußische Regierung ganz im stillen und brachte ihr Schäfchen ins trockene. Der
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grund- und zwecklose deutsche Enthusiasmus hat zu weiter nichts gedient, als die schmutzigste
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Handlung der neueren Geschichte zu bemänteln.</p>
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<p>So, deutscher Biedermann, wird dir von deinen verantwortlichen Ministern mitgespielt!</p>
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<p>Aber in der Tat, du konntest es vorher wissen. Wo Herr Hansemann beteiligt ist, handelt es
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sich nie um deutsche Nationalität, militärische Notwenigkeit und andere dergleichen
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leere Phrasen, sondern stets um bare Zahlung und klaren Profit.</p>
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<p class="FirstPub"><a name="NRhZ_1848-08-20">["Neue Rheinische Zeitung" Nr. 81 vom 20. August
|
|
1848]</a></p>
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<p>**<i>Köln</i>, 19. August. Wir haben den Bericht des Herrn Stenzel, die Grundlage der
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Debatte, in seinen Einzelnheiten verfolgt. Wir haben nachgewiesen, wie er die ältere und
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neuere Geschichte Polens und der Deutschen in Polen verfälscht, wie er die ganze Frage
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|
verrückt, wie der Historiker Stenzel nicht <a name="S332"></a><b><332></b> nur
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|
absichtliche Verfälschung, sondern sich auch grobe Unwissenheit hat zuschulden kommen
|
|
lassen.</p>
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<p>Ehe wir auf die Debatte selbst eingehen, müssen wir noch einen Blick auf die polnische
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Frage werfen.</p>
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<p>Die Posener Frage ist, für sich betrachtet, ohne allen Sinn, ohne Möglichkeit der
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Lösung. Sie ist ein Fragment der polnischen Frage, und nur in und mit dieser kann sie
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gelöst werden. Die Grenze zwischen Deutschland und Polen kann erst bestimmt werden, wenn
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Polen wieder existiert.</p>
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<p>Aber kann und wird Polen wieder bestehen? In der Debatte ist dies geleuguet worden.</p>
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<p>Ein französischer Historiker hat gesagt: Il y a des peuples nécessaires: es gibt
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<i>notwendige Völker</i>. Zu diesen notwendigen Völkern gehört im 19.
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Jahrhundert unbedingt das polnische Volk.</p>
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|
<p>Die nationale Existenz Polens ist aber für niemand notwendiger als gerade für uns
|
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Deutsche.</p>
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<p>Worauf stützt sich zunächst die Macht der Reaktion in Europa seit 1815, ja,
|
|
teilweise seit der ersten französischen Revolution? Auf die
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russisch-preußisch-östreichische <i>Heilige Allianz</i>. Und was hält diese
|
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Heilige Allianz zusammen? Die <i>Teilung Polens</i>, von der alle drei Alliierten Nutzen
|
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zogen.</p>
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<p>Der Riß, den die drei Mächte durch Polen zogen, ist das Band, das sie
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aneinanderkettet; der gemeinsame Raub hat sie einer für den andern solidarisch
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gemacht.</p>
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<p>Von dem Augenblick an, wo der erste Raub an Polen begangen wurde, war Deutschland in die
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|
Abhängigkeit Rußlands geraten. Rußland befahl Preußen und Östreich,
|
|
absolute Monarchien zu bleiben, und Preußen und Östreich mußten gehorchen. Die
|
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ohnehin schlaffen und schüchternen Anstrengungen, namentlich der preußischen
|
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Bourgeoisie, sich die Herrschaft zu erobern, scheiterten vollends an der Unmöglichkeit,
|
|
von Rußland loszukommen, an dem Rückhalt, den Rußland der
|
|
feudalistisch-absolutistischen Klasse in Preußen bot.</p>
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<p>Dazu kam, daß von dem ersten Unterdrückungsversuche der Alliierten an die Polen
|
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nicht nur insurrektionell für ihre Unabhängigkeit kämpften, daß sie
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|
zugleich <i>revolutionär</i> gegen ihre eigenen inneren gesellschaftlichen Zustände
|
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auftraten.</p>
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<p>Die Teilung Polens war zustande gekommen durch das Bündnis der großen
|
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Feudalaristokratie in Polen mit den drei teilenden Mächten. Sie war kein Fortschritt, wie
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der Ex-Poet Herr Jordan behauptet, sie war das letzte Mittel für die große
|
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Aristokratie, sich vor einer Revolution zu retten, sie war durch und durch reaktionär.</p>
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<p><b><a name="S333"><333></a></b> Die Folge schon der ersten Teilung war ganz
|
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natürlich eine Allianz der übrigen Klassen, d.h. des Adels, der Bürgerschaft der
|
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Städte und teilweise der Bauern, sowohl gegen die Unterdrücker Polens wie gegen die
|
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große Aristokratie des Landes selbst. Wie sehr die Polen es schon damals begriffen,
|
|
daß ihre Unabhängigkeit nach außen unzertrennlich sei von dem Sturz der
|
|
Aristokratie und von der agrarischen Reform im Innern, beweist die Konstitution von 1791.</p>
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<p>Die großen ackerbauenden Länder zwischen der Ostsee und dem Schwarzen Meere
|
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können sich aus der patriarchalisch-feudalen Barbarei retten nur durch eine agrarische
|
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Revolution, die die leibeigenen oder fronpflichtigen Bauern in freie Grundbesitzer verwandelt,
|
|
eine Revolution, die ganz dieselbe ist wie die französische von 1789 auf dem platten
|
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Lande. Die polnische Nation hat das Verdienst, unter allen ihren ackerbauenden
|
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Nachbarvölkern dies zuerst proklamiert zu haben. Der erste Reformversuch war die
|
|
Verfassung von 1791; in dem Aufstande von 1830 wurde die agrarische Revolution von Lelewel als
|
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einziges Mittel zur Rettung des Landes ausgesprochen, aber zu spät vom Reichstage
|
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anerkannt; in den Insurrektionen von 1846 und 1848 wurde sie offen proklamiert.</p>
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<p>Von dem Tage ihrer Unterdrückung an traten die Polen revolutionär auf und
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fesselten dadurch ihre Unterdrücker um so fester an die Kontrerevolution. Sie zwangen ihre
|
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Unterdrücker, den patriarchalisch-feudalen Zustand nicht nur in Polen, sondern auch in
|
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ihren übrigen Ländern aufrechtzuhalten. Und namentlich seit dem Krakauer Aufstand von
|
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1846 ist der Kampf für die Unabhängigkeit Polens zugleich der Kampf der
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<i>agrarischen Demokratie</i> - der in Osteuropa einzig möglichen - gegen den
|
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<i>patriarchalisch-feudalen Absolutismus</i>.</p>
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<p>Solange wir also Polen unterdrücken helfen, solange wir einen Teil von Polen an
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Deutschland schmieden, solange bleiben wir an Rußland und die russische Politik
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geschmiedet, solange können wir den patriarchalisch-feudalen Absolutismus bei uns selbst
|
|
nicht gründlich brechen. Die Herstellung eines demokratischen Polens ist die erste
|
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Bedingung der Herstellung eines demokratischen Deutschlands.</p>
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<p>Die Herstellung Polens und seine Grenzregulierung mit Deutschland ist aber nicht nur
|
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notwendig, sie ist bei weitem die lösbarste von all den politischen Fragen, die seit der
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Revolution in Osteuropa aufgetaucht sind. Die Unabhängigkeitskämpfe der Völker
|
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aller Stämme, die südlich von den Karpaten bunt durcheinandergewürfelt sind,
|
|
sind ganz anders verwickelt, werden weit mehr Blut, Verwirrung und Bürgerkrieg kosten als
|
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der polnische Unabhängigkeitskampf und die Feststellung der Grenze zwischen Deutschland
|
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und Polen.</p>
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<p><b><a name="S334"><334></a></b> Es versteht sich, daß es sich nicht von der
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Herstellung eines Scheinpolen handelt, sondern von der Herstellung eines Staats auf
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lebensfähiger Grundlage. Polen muß wenigstens die Ausdehnung von 1772 haben,
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muß nicht nur die Gebiete, sondern auch die Mündungen seiner großen
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Ströme und muß wenigstens an der Ostsee einen großen Küstenstrich
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besitzen.</p>
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<p>Alles das konnte ihm Deutschland garantieren und doch dabei seine Interessen und seine Ehre
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sicherstellen, wenn es nach der Revolution in seinem eignen Interesse den Mut hatte, von
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Rußland die Herausgabe Polens mit den Waffen in der Hand zu fordern. Daß bei dem
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Durcheinander von Deutsch und Polnisch an der Grenze und namentlich an der Küste beide
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Teile sich gegenseitig etwas nachgeben, daß mancher Deutsche polnisch, mancher Pole
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hätte deutsch werden müssen, verstand sich von selbst und hätte keine
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Schwierigkeit gemacht.</p>
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<p>Aber nach der halben deutschen Revolution hatte man den Mut nicht, so entschieden
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aufzutreten. Pomphafte Reden halten über die Befreiung Polens, die durchziehenden Polen an
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den Eisenbahnstationen empfangen und ihnen die glühendsten Sympathien des deutschen Volks
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anbieten (wem sind die nicht schon angeboten worden?) - das ließ sich hören; aber
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einen Krieg mit Rußland anfangen, das ganze europäische Gleichgewicht in Frage
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stellen und vollends irgendein Läppchen des geraubten Gebiets herausgeben - ja, da
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müßte man seine Deutschen nicht kennen!</p>
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<p>Und was war der Krieg mit Rußland? Der Krieg mit Rußland war der
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vollständige, offne und wirkliche Bruch mit unsrer ganzen schmachvollen Vergangenheit, war
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die wirkliche Befreiung und Vereinigung Deutschlands, war die Herstellung der Demokratie auf
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den Trümmern der Feudalität und des kurzen Herrschaftstraums der Bourgeoisie. Der
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Krieg mit Rußland war der einzig mögliche Weg, unsre Ehre und unsre Interessen
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gegenüber unsren slawischen Nachbarn und namentlich gegenüber den Polen zu
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retten.</p>
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<p>Aber wir waren Spießbürger und wir blieben Spießbürger. Wir machten
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ein paar Dutzend kleine und große Revolutionen, vor denen wir uns selbst fürchteten,
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noch ehe sie vollendet waren. Nachdem wir den Mund recht voll genommen hatten, führten wir
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gar nichts aus. Die Revolution, statt unsern Gesichtskreis zu erweitern, verengerte ihn. Mit
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der zaghaftesten, borniertesten, engherzigsten Philisterei wurden alle Fragen behandelt und
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damit natürlich unsre wirklichen Interessen wieder kompromittiert. Auf dem Standpunkte
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dieser kleinlichen Philisterei reduzierte sich denn auch die große Frage von der
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Befreiung Polens auf die winzige Phrase von der Reorganisation eines Teils der Provinz Posen,
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verwandelte sich unser Enthusiasmus für die Polen in Schrapnells und Höllenstein.</p>
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<p><b><a name="S335"><335></a></b> Die einzig mögliche, die einzige Lösung, die
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Deutschlands Ehre, Deutschlands Interessen gewahrt hätte, wir wiederholen es, war der
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Krieg mit Rußland. Man hat ihn nicht gewagt, und das Unvermeidliche ist erfolgt: Die
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Soldateska der Reaktion, in Berlin geschlagen, erhob ihr Haupt wieder in Posen; unter dem
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Scheine, Deutschlands Ehre und Nationalität zu retten, pflanzte sie das Banner der
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Kontrerevolution auf und erdrückte die revolutionären Polen, unsre Bundesgenossen -
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und das geprellte Deutschland jauchzte einen Augenblick seinen siegreichen Feinden Beifall zu.
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Die neue Teilung Polens wurde vollzogen, und es fehlte ihr nur noch die Sanktion der deutschen
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Nationalversammlung.</p>
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<p>Es war für die Frankfurter Versammlung noch ein Weg möglich, um die Sache wieder
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gutzumachen: Man hätte ganz Posen vom Deutschen Bunde ausschließen und die
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Grenzfrage für offen erklären müssen, bis man mit dem wiederhergestellten Polen
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darüber d'égal à égal <als Gleicher mit Gleichen> verhandeln
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könne.</p>
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<p>Aber das wäre zuviel verlangt gewesen von unsern Frankfurter Professoren, Advokaten und
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Pastören der Nationalversammlung! Die Lockung war zu groß: Sie, die ruhigen
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Bürger, die nie eine Flinte abgefeuert, sollten durch Aufstehen und Sitzenbleiben ein Land
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von 500 Quadratmeilen für Deutschland erobern, 800.000 Netzbrüder, Deutschpolen,
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Juden und Polen einverleiben, wenn auch auf Kosten der Ehre und der wirklichen, dauernden
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Interessen Deutschlands - welche Versuchung! - Sie sind ihr erlegen, sie haben die Teilung
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Polens bestätigt.</p>
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<p>Aus welchen Gründen, werden wir morgen sehn.</p>
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<p class="FirstPub"><a name="NRhZ_1848-08-22">["Neue Rheinische Zeitung" Nr. 82 vom 22. August
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1848]</a></p>
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<p>**<i>Köln</i>, 21. August. Wir übergehen die Vorfrage, ob die Posener Abgeordneten
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mitberaten und abstimmen sollen, und gehen gleich zur Debatte über die Hauptfrage.</p>
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<p>Herr <i>Stenzel</i>, der Berichterstatter, eröffnete sie mit einer erschrecklich
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konfusen und diffusen Rede. Er stellt sich als Historiker und gewissenhaften Mann hin, er
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spricht von Festungen und Feldschanzen, Himmel und Hölle, Sympathien und deutschen Herzen;
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er geht zurück auf das 11. Jahrhundert, um zu beweisen, daß der polnische Adel den
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Bauern immer unterdrückt habe; er benutzt einige spärliche Data der polnischen
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Geschichte als Entschuldigung für einen endlosen Strom der plattesten Gemeinplätze
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über Adel, Bauern, Städte, Wohltaten der absoluten Monarchie usw.; er entschuldigt in
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<a name="S336"></a><b><336></b> holpriger und verlegener Sprache die Teilung Polens; er
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setzt die Bestimmungen der Konstitution vom 3. Mai 1791 in einer so bunten Konfusion
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auseinander, daß die Mitglieder, die sie bisher nicht kannten, jetzt erst recht nicht
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wissen, woran sie sind; er will eben auf das Großherzogtum Warschau übergehen, als
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er durch den lauten Ruf: "Das geht zu weit!" und durch den Präsidenten unterbrochen
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wird.</p>
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<p>Der große Geschichtsforscher, gänzlich in Verwirrung gebracht, fährt fort in
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folgenden rührenden Worten:</p>
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<blockquote>
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"Ich werde kurz sein. Es fragt sich nun: Was wollen wir tun. Diese Frage ist ganz
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natürlich" (! buchstäblich). "Der Adel will das Reich wiederherstellen. Er
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behauptet, er sei demokratisch. Ich zweifle nicht dran, daß er's ehrlich meint. Allein,
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meine Herren, es ist natürlich (!), daß manche Stände sich große
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Illusionen machen. Ich glaube an die Aufrichtigkeit vollkommen, allein, wenn Fürsten und
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Grafen in das Volk übergehen sollen, so weiß ich nicht, wie die Verschmelzung
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stattfinden wird" (was geht das auch den Herrn Stenzel an!). "Das ist in Polen unmöglich
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etc."
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</blockquote>
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<p>Herr Stenzel tut, als ob in Polen Adel und Aristokratie ganz dasselbe sei. Lelewels
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"Histoire de Pologne", die er selbst zitierte, Mieroslawskis "Débat entre la
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révolution et la contrerévolution en Pologne" und eine Masse anderer neuerer
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Schriften könnten den "Mann, der sich seit Jahren mit Geschichte beschäftigt", eines
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Bessern belehren. Die meisten "Fürsten und Grafen", von denen Herr Stenzel spricht, sind
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ja gerade diejenigen, gegen welche die polnische Demokratie selbst ankämpft.</p>
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<p>Man soll also, meint Herr Stenzel, den Adel fallenlassen mit seinen Illusionen und ein Polen
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gründen für den Bauern (indem man ein Stück Polen nach dem andern zu Deutschland
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schlägt).</p>
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<blockquote>
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"Reichen Sie vielmehr den armen Bauern die Hände, damit diese emporkommen, damit es
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ihnen vielleicht (!) gelinge, ein freies Polen herzustellen, aber nicht nur herzustellen,
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sondern auch zu erhalten. Das, meine Herren, ist die Hauptsache!"
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</blockquote>
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<p>Und unter dem Jubelruf der Nationalsalbaderer der Zentren": "Sehr brav!" "Ausgezeichnet!"
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verläßt der siegestrunkne Geschichtsforscher die Tribüne. Die neue Teilung
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Polens als eine Wohltat für die polnischen Bauern darstellen, diese überraschend
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unsinnige Wendung mußte allerdings die im Zentrum der Versammlung vereinigte Masse von
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Gemütlichkeit und Menschenliebe bis zu Tränen rühren!</p>
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<p>Folgt Herr <i>Goeden</i> von <i>Krotoszyn</i>, ein Deutschpole vom reinsten Wasser. Nach ihm
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tritt Herr <i>Senff</i> von <i>Inowroclaw</i> auf, ein schönes Musterbild eines
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Netzbruders, an dem kein Falsch ist, der sich gegen den Ausschußantrag hatte einschreiben
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lassen und der dafür sprach, so daß ein Redner gegen den Antrag um seine Reihenfolge
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für das Wort geprellt war.</p>
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<p><b><a name="S337"><337></a></b> Die Art und Weise, wie die Herren Netzbrüder hier
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auftreten, ist die possierlichste Komödie von der Welt und zeigt abermals, wozu ein echter
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Preuße fähig ist. Wir alle wissen, die profitwütigen
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jüdisch-preußischen Winkelmänner aus Posen bekämpften die Polen in der
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innigsten Harmonie mit der Bürokratie, mit dem k[öniglich]-preußischen
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Offizierskorps und mit der märkischen und pommerschen Junkerschaft, kurz mit allem, was
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reaktionär, was altpreußisch war. Der Verrat an Polen war die erste Schilderhebung
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der Kontrerevolution, und niemand war kontrerevolutionärer als gerade die Herren
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Netzbrüder.</p>
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<p>Und nun sehe man diese preußenwütigen Schulmeister und Beamten mit Gott für
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König und Vaterland hier in Frankfurt, wie sie ihren kontrerevolutionären Verrat an
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der polnischen Demokratie für eine Revolution, für eine wirkliche und echte
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Revolution im Namen der souveränen Netzbrüderschaft erklären, wie sie das
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historische Recht mit Füßen treten und über der angeblichen Leiche Polens
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ausrufen: Nur der Lebende hat recht !</p>
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<p>Aber so ist der Preuße: An der Spree von Gottes Gnaden, an der Warta souveränes
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Volk; an der Spree Pöbelaufruhr, an der Warta Revolution; an der Spree historisches Recht,
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"das keinen Datum nicht hat" <Ausspruch Lichnowskis; siehe. <a href="me05_319.htm#S351">S. 351</a>>,
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an der Warta Recht der lebendigen Tatsache, die von gestern datiert - und trotz alledem ohne
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Falsch, ehrlich und brav im treuen preußischen Herzen!</p>
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<p>Hören wir den Herrn Goeden.</p>
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<blockquote>
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"Zum zweiten Male sollen wir eine Sache verteidigen, die von solcher Bedeutsamkeit, von
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solcher Folgewichtigkeit für unser Vaterland ist, daß, hätte sie sich nicht
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in sich selber als eine durchaus rechtliche für uns herausgearbeitet (!), sie
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<i>notwendig dazu gemacht werden müßte</i> (!!). Unser Recht hat weniger in der
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Vergangenheit als in den <i>heißen Pulsschlägen</i>" (und namentlich den
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Kolbenschlägen) "der <i>Gegenwart</i> seine Wurzeln."
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</blockquote>
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<p>"Der polnische Bauer und Bürger fühlte sich durch die" (preußische)
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"Besitzergreifung in einen solchen Zustand der Sicherheit und des Wohlseins versetzt, wie er
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ihn nie gekannt hatte." (Namentlich seit den polnisch-preußischen Kriegen und den
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Teilungen Polens nicht.)</p>
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<p>"Der Bruch der Gerechtigkeit, der in der Teilung Polens liegt, ist durch die Humanität
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Ihres" (des deutschen) "Volks" (und besonders durch die Stockprügel der preußischen
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Beamten), "durch seinen Fleiß" (auf geraubtem und verschenktem polnischem Grundeigentum),
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"und im April dieses Jahres auch durch sein <i>Blut</i> vollständig gesühnt
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worden!"</p>
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<p>Das Blut des Herrn Goeden von Krotoszyn!</p>
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<blockquote>
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"Die <i>Revolution</i> ist unser Recht, und kraft derselben sind wir hier!"
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|
</blockquote>
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<p><b><a name="S338"><338></a></b> "Die Beweistitel unsrer rechtmäßigen
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Einverleibung in Deutschland bestehen nun nicht in vergilbten Pergamenten, wir sind nicht
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angeheiratet, nicht angeerbt, nicht durch Kauf oder Tausch erworben worden; wir sind Deutsche
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und gehören unserem Vaterlande an, weil uns ein vernünftiger, rechtlicher, <i>ein
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souveräner Wille</i> dazu treibt, ein Wille, der bedingt ist durch unsre geographische
|
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Lage, unsre Sprache und Sitte, unsre Zahl (!), unsern Besitz, vor allem aber durch unsre
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deutsche Gesinnung und unsre Liebe zum Vaterlande."</p>
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<p>"Unsre Rechte sind so sichere, so tief im <i>modernen Weltbewußtsein</i> ruhende,
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daß nicht einmal ein deutsches Herz dazu gehört, sie anerkennen zu müssen!"</p>
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<p>Es lebe der im modernen Weltbewußtsein beruhende, auf die Schrapnell-Revolution
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gestützte, in den heißen Pulsschlägen der standrechtlichen Gegenwart wurzelnde
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souveräne Wille der preußisch-jüdischen Netzbrüderschaft! Es lebe das
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Deutschtum der posenschen Bürokratengehälter, des Kirchen- und
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Starosteigüterraubs und der Geldvorschüsse à la Flottwell!</p>
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<p>Nach dem deklamatorischen Ritter der höheren Berechtigung kommt der unverschämte
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Netzbruder. Für den Herrn Senff von Inowroclaw ist selbst der Stenzelsche Antrag noch zu
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höflich gegen die Polen, und daher schlägt er eine etwas gröbere Fassung vor.
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Mit derselben Stirn, mit der er sich unter diesem Vorwand als Redner gegen den Antrag
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einschreiben ließ, erklärte er, es sei ein himmelschreiendes Unrecht, die Posener
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von der Abstimmung auszuschließen:</p>
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<blockquote>
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"Ich glaube, daß die Posener Abgeordneten <i>erst recht</i> dazu berufen seien
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mitzustimmen, denn es handelt sich gerade um die wichtigsten Rechte derjenigen, die uns
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hergeschickt haben."
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</blockquote>
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<p>Herr Senff geht dann auf die Geschichte Polens seit der ersten Teilung ein und bereicherte
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sie mit einer Reihe absichtlicher Fälschungen und schreiender Unwahrheiten, wovor Herr
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Stenzel als der beklagenswerteste Stümper dasteht. Alles Erträgliche, was in Posen
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existiert, verdankt seinen Ursprung der preußischen Regierung und den
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Netzbrüdern.</p>
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<blockquote>
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"Das Großherzogtum Warschau entstand. An die Stelle der preußischen Beamten
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traten polnische, und im Jahre 1814 war kaum noch eine Spur dessen zu bemerken, was die
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|
preußische Regierung für diese Provinzen Gutes getan hatte."
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|
</blockquote>
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<p>Herr Senff hat recht. Weder von der Leibeigenschaft, noch von den etatsmäßigen
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Zahlungen polnischer Distrikte an preußische Bildungsanstalten, z.B. für die
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Universität Halle, noch von den Erpressungen und Brutalitäten preußischer, des
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Polnischen unkundiger Beamten war "noch eine Spur zu bemerken". Aber noch war Polen nicht
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verloren, denn Preußen kam von Rußlands Gnaden wieder in Flor, und Posen kam wieder
|
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an Preußen.</p>
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<blockquote>
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<b><a name="S339"><339></a></b> <font size="2">"Von da ab erneuerten sich die
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|
Bestrebungen der preußischen Regierung, gerichtet auf Verbesserung der
|
|
Verhältnisse der Provinz Posen."</font>
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|
</blockquote>
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<p>Wer darüber etwas Näheres wissen will, der lese die Flottwellsche Denkschrift von
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1841 nach. Bis 1830 geschah durch die Regierung gar <i>nichts</i>. Flottwell fand nur
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<i>vier</i> Meilen Chaussee im ganzen Großherzogtum vor! Und sollen wir die
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Flottwellschen Wohltaten aufzählen? Herr Flottwell, ein schlauer Bürokrat, suchte die
|
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Polen durch Chausseebauten, Schiffbarmachungen von Flüssen, Trockenlegungen von
|
|
Sümpfen etc. etc. zu bestechen; aber nicht mit dem Gelde der preuß[ischen]
|
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Regierung, sondern mit <i>ihrem eignen Gelde</i> bestach er sie. Alle jene Verbesserungen
|
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geschahen hauptsächlich aus Privat- oder Kreismitteln; und wenn die Regierung hie und da
|
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einige Gelder zuschoß, so war das nur der kleinste Teil der Summen, die sie an Steuern
|
|
und am Ertrag der polnischen National- und Kirchendomänen aus der Provinz zog. Ferner
|
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verdanken die Polen dem Herrn Flottwell nicht nur das Fortbestehen der Suspendierung der Wahl
|
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der Landräte durch die Kreise (seit 1826), sondern speziell noch die langsame
|
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Expropriation der polnischen Gutsbesitzer durch die Regierungsaufkäufe subhastierter
|
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Rittergüter, die nur an gutgesinnte Deutsche wieder verkauft wurden (Kabinettsordre von
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1833). Eine schließliche Wohltat der Flottwellschen Verwaltung war die Verbesserung des
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Schulwesens. Aber diese war wieder eine Verpreußungsmaßregel. Die höheren
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Schulen sollten die jungen Adligen und zukünftigen katholischen Geistlichen, die niederen
|
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sollten die Bauern durch preußische Lehrer verpreußen. Wie es mit den
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Bildungsanstalten gemeint war, hat der Bromberger Regierungspräsident, Herr Wallach, in
|
|
einer unbewachten Aufwallung verraten; er schreibt an den Oberpräsidenten Herrn Beurmann,
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die <i>polnische Sprache</i> sei ein <i>Haupthindernis</i> der Verbreitung von Bildung und
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Wohlstand unter der ländlichen Bevölkerung! Allerdings ganz richtig, wenn der
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Schulmeister kein Polnisch versteht. - Wer übrigens diese Schulen bezahlte, das waren
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wieder die Polen selbst, denn 1. wurden die meisten und wichtigsten, aber nicht gerade der
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Verpreußung dienenden Institute aus Privatbeiträgen oder von den
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Provinzialständen gegründet und dotiert, und 2. wurden selbst die
|
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Verpreußungsschulen von den Einkünften der am 31. März 1833
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säkularisierten Klöster erhalten, und die Staatskasse bewilligte nur 21.000 Taler
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jährlich auf zehn Jahre. - Im übrigen gesteht Herr Flottwell zu, daß alle
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Reformen von den Polen selbst ausgegangen. Daß die größten Wohltaten der
|
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preußischen Regierung in der Einziehung bedeutender Renten und Steuern und in der
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Verwendung der jungen Leute für den preußischen Kriegsdienst bestanden, verschweigt
|
|
Herr Flottwell nicht minder als Herr Senff.</p>
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<p><b><a name="S340"><340></a></b> Kurz, die sämtlichen Wohltaten der
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preußischen Regierung reduzieren sich auf die Versorgung von preußischen
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Unteroffizieren im Posenschen, sei es als Exerziermeister, Schulmeister, Gendarmen oder
|
|
Steuereintreiber.</p>
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<p>Auf die weiteren grundlosen Verdächtigungen der Polen sowie auf die falschen
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statistischen Angaben des Herrn Senff können wir weiter nicht eingehen. Genug, Herr Senff
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spricht bloß, um die Polen bei der Versammlung gehässig zu machen.</p>
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<p>Es folgt Herr <i>Robert Blum</i>. Wie gewöhnlich hält er einen sogenannten
|
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ge<i>diegenen</i> Vortrag, d.h. einen Vortrag, der mehr Gesinnung als Gründe und mehr
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|
Deklamation als Gesinnung enthält, und der übrigens als Deklamatorium - wir
|
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müssen es gestehen - keinen größeren Effekt macht als das moderne
|
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Weltbewußtsein des Herrn Goeden von Krotoszyn. Polen, der Wall gegen nordische Barbarei
|
|
-- wenn die Polen Laster haben, so ist das die Schuld ihrer <In der "Neuen Rheinischen
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Zeitung" seiner> Unterdrücker -- der alte Gagern erklärt die Teilung Polens
|
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für den Alp, der auf unserer Zeit laste -- die Polen lieben ihr Vaterland warm, und wir
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könnten ein Beispiel dran nehmen -- Gefahren, die von Rußland drohen ---- wenn nun
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in Paris die rote Republik siegte und Polen mit Gewalt der Waffen befreien wollte, wie dann,
|
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meine Herren? - Seien wir unparteiisch usw. usw.</p>
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<p>Es tut uns leid für Herrn Blum, aber wenn man alle diese schönen Sachen ihres
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deklamatorischen Flitters beraubt, so bleibt nichts übrig als die allertrivialste
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Kannegießerei, wenn auch - was wir gern zugeben - Kannegießerei auf großem
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Fuß und in erhabener Arbeit. Selbst wenn Herr Blum meint, die Nationalversammlung
|
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müsse in Schleswig, Böhmen, Welschtirol, den russischen Ostseeprovinzen und dem
|
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Elsaß konsequenterweise nach demselben Prinzip verfahren wie in Posen, so ist das ein
|
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Grund, der nur berechtigt ist gegenüber den gedankenlosen Nationalitätslügen und
|
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der bequemen Inkonsequenz der Majorität. Und wenn er meint, nur mit einem schon
|
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existierenden Polen könne Deutschland anständigerweise wegen Posens verhandeln, so
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werden wir ihm das nicht leugnen, aber doch bemerken, daß dieser einzige triftige Grund
|
|
in seiner Rede schon hundertmal und viel besser von den Polen selbst entwickelt ist,
|
|
während er bei Herrn Blum als stumpfer rhetorischer Pfeil mit "Mäßigung und
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|
schonender Milde" auf die verhärtete Brust der Majorität fruchtlos abgeschossen
|
|
wird.</p>
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<p>Herr Blum hat recht, wenn er sagt, Schrapnells sind keine Gründe, aber er hat unrecht -
|
|
und er weiß es -, wenn er sich unparteiisch auf einen "gemäßigten" höhern
|
|
Standpunkt stellt. Mag Herr Blum über die Polenfrage <a name="S341"></a><b><341></b>
|
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nicht im klaren sein, das ist seine eigne Schuld. Aber daß er 1. glaubt, bei der
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Majorität durchzusetzen, auch nur daß sie von der Zentralgewalt Bericht einverlange,
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und 2. daß er sich einbildet, durch den Bericht dieser Zentralgewaltsminister, die sich
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bei Gelegenheit des 6. August so schmählich vor den preußischen
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Souveränetätsgelüsten gebeugt haben - durch den Bericht dieser Minister werde er
|
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auch nur das geringste gewinnen, das ist schlimm für Herrn Blum. Will man auf der
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"entschiednen Linken" sitzen, so ist das erste Erfordernis, daß man alle schonende Milde
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beiseite legt und daß man darauf verzichtet, irgend etwas, sei es auch noch so gering,
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bei der Majorität durchzusetzen.</p>
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<p>Überhaupt ergeht sich in der Polenfrage, wie immer, fast die ganze Linke in
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Deklamationen oder gar in phantastischen Schwärmereien, ohne auf das tatsächliche
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Material, auf den praktischen Inhalt der Frage auch nur im entferntesten einzugehn. Und doch
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war gerade hier das Material so reichhaltig, die Tatsachen so schlagend. Dazu gehört
|
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freilich, daß man die Frage studiert, und das kann man sich natürlich sparen, wenn
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man einmal durch das Fegefeuer der Wahl passiert und keinem Menschen weiter verantwortlich
|
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ist.</p>
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<p>Auf die wenigen Ausnahmen kommen wir im Verlauf der Debatte zurück. Morgen ein
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Wörtchen mit Herrn Wilhelm Jordan, der keine Ausnahme ist, sondern diesmal im
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buchstäblichen Sinne, und aus Gründen, mit dem großen Haufen läuft.</p>
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<p class="FirstPub"><a name="NRhZ_1848-08-26">["Neue Rheinische Zeitung" Nr. 86 vom 26. August
|
|
1848]</a></p>
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<p>**<i>Köln</i>, 25. August. Endlich verlassen wir, gottlob, die platte Sandebene der
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alltäglichen Kannegießerei, um die erhabenern Alpenpartien der großen Debatte
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zu betreten! Endlich besteigen wir jenen wolkenteilenden Gipfel, wo die Adler horsten, wo der
|
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Mensch dem Göttlichen Aug ins Auge blickt, von wo er verächtlich herabsieht auf das
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kleine Gewürm, das tief, tief unten sich mit den wenigen Argumenten des gewöhnlichen
|
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Menschenverstandes herumschlägt! Endlich, nach den Scharmützeln eines Blum mit einem
|
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Stenzel, einem Goeden, einem Senff von Inowroclaw, eröffnet sich die große Schlacht,
|
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in der ariostische Helden mit den Lanzensplittern ihres Geistes das Blachfeld
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übersäen!</p>
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<p>Die Reihen der Kämpfer eröffnen sich ehrfurchtsvoll, und mit geschwungenem Schwert
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sprengt vor Herr <i>Wilhelm Jordan</i> von Berlin.</p>
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<p>Wer ist Herr Wilhelm Jordan von Berlin?</p>
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<p>Herr Wilhelm Jordan von Berlin war zur Zeit der Blüte deutschen Literatentums Literat
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in Königsberg. Man hielt halberlaubte Versammlungen <a name="S342"></a><b><342></b>
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auf dem Böttchershöfchen; Herr Wilhelm Jordan ging hin, las ein Gedicht vor: "Der
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Schiffer und sein Gott", und wurde ausgewiesen.</p>
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<p>Herr Wilhelm Jordan von Berlin ging nach Berlin. Dort hielt man Studentenversammlungen. Herr
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Wilhelm Jordan las ein Gedicht vor: "Der Schiffer und sein Gott", und wurde ausgewiesen.</p>
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<p>Herr Wilhelm Jordan von Berlin ging nach Leipzig. Dort waren ebenfalls irgendwelche
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unschuldige Zusammenkünfte. Herr Wilhelm Jordan las ein Gedicht vor: "Der Schiffer und
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sein Gott", und wurde ausgewiesen.</p>
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<p>Herr Wilhelm Jordan gab ferner mehrere Schriften heraus: Ein Gedicht "Glocke und Kanone";
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eine Sammlung litauischer Volkslieder, darunter auch eigenes Fabrikat, namentlich
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selbstverfaßte Polenlieder; Übersetzungen von George Sand; eine Zeitschrift, die
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unbegreifliche "begriffene Welt" usw. im Dienst des rühmlichst bekannten Herrn Otto
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Wigand, der es noch nicht so weit gebracht hat wie sein französisches Original, Herr
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Pagnerre; ferner eine Übersetzung von Lelewels "Histoire de Pologne" mit
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polenschwärmender Vorrede usw.</p>
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<p>Die Revolution kam. En un lugar de la Mancha, cuyo nombre no quiero acordarme <In einem
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Flecken des Ländchens la Mancha, an dessen Namen ich mich nicht erinnern mag (Anfangsworte
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des Romans "Don Quijote von Cervantes)> - in einem Ort der deutschen Mancha, der Mark
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Brandenburg, wo die Don Ouixoten wachsen, einem Ort, auf dessen Namen ich mich nicht besinnen
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mag, präsentierte sich Herr Wilhelm Jordan von Berlin als Kandidat für die deutsche
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Nationalversammlung. Die Bauern des Kreises waren gemütlich-konstitutionell. Herr Wilhelm
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Jordan hielt mehrere eindringliche Reden, voll der konstitutionellsten Gemütlichkeit Die
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entzückten Bauern wählten den großen Mann zum Deputierten. Kaum in Frankfurt
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angekommen, setzt sich der edle Unverantwortliche auf die "entschiedene" Linke und stimmt mit
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den Republikanern. Die Bauern, die in ihrer Eigenschaft als Wahlmänner diesen
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parlamentarischen Don Ouixote gezeugt hatten, senden ihm ein Mißtrauensvotum, erinnern
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ihn an seine Versprechungen, rufen ihn zurück. Aber Herr Wilhelm Jordan hält sich an
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sein Wort ebensowenig gebunden wie ein König und fährt fort, bei jeder Gelegenheit
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seine "Glocke und Kanone" in der Versammlung ertönen zu lassen.</p>
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<p>Jedesmal, wenn Herr Wilhelm Jordan auf die Kanzel der Paulskirche trat, hat er im Grunde nur
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ein Gedicht vorgelesen: "Der Schiffer und sein Gott", - womit jedoch nicht gesagt ist,
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daß er damit verdient hätte, ausgewiesen zu werden.</p>
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<p>Hören wir das letzte Glockengeläute und den neuesten Kanonendonner des
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großen Wilhelm Jordan über Polen.</p>
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<blockquote>
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<b><a name="S343"><343></a></b> <font size="2">"Vielmehr glaube ich, daß wir uns
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erheben müssen auf den <i>weltgeschichtlichen Standpunkt,</i> auf dem die Posener
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Angelegenheit zu untersuchen ist in ihrer Bedeutung als Episode des großen polnischen
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Dramas."</font>
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</blockquote>
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<p>Mit einem Ruck hebt uns der gewaltige Herr Wilhelm Jordan weit über die Wolken, auf den
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schneebedeckten, himmelanstrebenden Chimborazo des "weltgeschichtlichen Standpunkts" und
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eröffnet uns die unermeßlichste Aussicht.</p>
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<p>Vorab aber ergeht er sich noch einen Augenblick auf dem alltäglichen Gebiet der
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"speziellen" Beratung, und zwar mit vielem Glück. Einige Proben:</p>
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<blockquote>
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"Später kam er" (der Netzdistrikt) "durch den Vertrag von Warschau" (d.h. die erste
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Teilung) "an Preußen und ist seitdem bei Preußen geblieben, wenn man von der
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kurzen Zwischenexistenz des Herzogtums Warschau absehen will."
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</blockquote>
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<p>Herr Jordan spricht hier vom Netzdistrikt im <i>Gegensatz</i> zum übrigen Posen. Er,
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der Ritter des welthistorischen Standpunkts, der Kenner polnischer Geschichte, der
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Übersetzer Lelewels, welcher Quelle folgt er hier? Keiner andern, als der Rede des Herrn
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Senff von Inowroclaw! Er folgt ihr so sehr, daß er sogar ganz vergißt, wie auch der
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übrige, großpolnische Teil von Posen 1794 "an Preußen kam und seitdem, wenn
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man von der kurzen Zwischenexistenz des Herzogtums Warschau absehen will, bei Preußen
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geblieben ist". Aber davon hatte der Netzbruder Senff nicht gesprochen, und daher weiß
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[es] der "weltgeschichtliche Standpunkt" nicht anders, als daß der Regierungsbezirk Posen
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erst 1815 "an Preußen kam".</p>
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<blockquote>
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"Ferner sind die Westkreise Birnhaum, Meseritz, Bornst, Fraustadt seit <i>urdenklicher</i>
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Zeit, wie Sie schon aus den <i>Namen</i> dieser Städte entnehmen können, in der
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überwiegenden Mehrzahl ihrer Bewohner deutsch gewesen."
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</blockquote>
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<p>Und der Kreis Miedzychod, Herr Jordan, war "seit urdenklicher Zeit", wie Sie schon aus dem
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Namen entnehmen können, in der überwiegenden Mehrzahl seiner Bewohner "polnisch",
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nicht wahr, Herr Jordan?</p>
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<p>Der Kreis Miedzychod ist aber kein anderer als der Kreis Birnbaum. Die Stadt heißt auf
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polnisch Miedzychod.</p>
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<p>Welch eine Stütze werden diese etymologischen Reunionskammern des "weltgeschichtlichen
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Standpunktes" der "begriffenen Welt" erst an dem christlich-germanischen Herrn <i>Leo</i>
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finden! Davon nicht zu sprechen, daß Mailand, Lüttich, Genf, Kopenhagen, "wie Sie
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schon aus den Namen entnehmen, seit urdenklicher Zeit deutsch" sind; ersieht der
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"weltgeschichtliche Standpunkt" nicht auch "schon aus den Namen" die urdenkliche Deutschheit
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von Haimons-Eichicht, Welsch-Leyden, Jenau und Kaltenfelde? Der weltgeschichtliche Standpunkt
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wird freilich verlegen sein, diese <a name="S344"></a><b><344></b> urdenklichen deutschen
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Namen auf der Karte zu finden, und er verdankte es bloß dem Herrn Leo, der sie selbst
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fabriziert hat, wenn er erfährt, daß darunter Le Quesnoi, Lyon, Genua und Campo
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Freddo gemeint sind.</p>
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<p>Was wird der weltgeschichtliche Standpunkt sagen, wenn die Franzosen nächstens Cologne,
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Coblence, Mayence und Francfort <französische Namen für Köln, Koblenz, Mainz
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und Frankfurt> als urdenklich französisches Land reklamieren, und dann wehe dem
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welthistorischen Standpunkt!</p>
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<p>Doch verweilen wir nicht länger bei diesen petites misères de la vie humaine
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<kleinen Mißgeschicken des irdischen Lebens>, die auch schon Größeren
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passiert sind. Folgen wir Herrn Wilhelm Jordan von Berlin in die höheren Regionen seines
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Fluges. Da heißt es von den Polen, man habe sie "desto mehr lieb, je weiter man von ihnen
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entfernt ist und je weniger man sie kennt, und desto weniger, je näher man ihnen
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rückt", und daher beruhe "diese Zuneigung nicht sowohl auf einem wirklichen Vorzuge des
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polnischen Charakters, als auf einem gewissen <i>kosmopolitischen Idealismus</i>".</p>
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<p>Wie aber wird es der weltgeschichtliche Standpunkt erklären, daß die Völker
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der Erde ein anderes Volk, weder wenn man sich "von ihm entfernt", noch wenn man ihm
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"näher rückt", "lieb haben", daß sie mit einer seltnen Übereinstimmung
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dies Volk verachten, exploitieren, verspotten und mit Füßen treten? Dies Volk sind
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die <i>Deutschen</i>.</p>
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<p>Der weltgeschichtliche Standpunkt wird sagen, dies beruhe auf einem <i>"kosmopolitischen
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Materialismus"</i>, und damit ist er gerettet.</p>
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<p>Aber unbekümmert um solche kleinen Einwände, schwingt der weltgeschichtliche Aar
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seine Fittiche immer kühner, immer höher, bis er endlich im reinen Äther der
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an-und-für-sich-seienden Idee in folgenden heroisch-weltgeschichtlich-hegelschen Hymnus
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ausbricht:</p>
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<blockquote>
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"Mag man immerhin der Geschichte recht geben, die auf ihrem von der Notwendigkeit
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vorgezeichneten Gange ein Volkstum, das nicht mehr stark genug ist, sich zu erhalten unter
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ebenbürtigen Nationen, mit ehernem Fuße stets unerbittlich zertritt, so wäre
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es doch unmenschlich und barbarisch, sich gegen alle Teilnahme zu verschließen beim
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Anblick der langen Passion eines solchen Volks, und ich bin weit entfernt von solcher
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Gefühllosigkeit." (Gott wird's Euch nicht unbelohnt lassen, edler Jordan!) "Ein andres
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aber ist es, ergriffen zu sein von einem Trauerspiel, und ein andres, dies Trauerspiel
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gleichsam rückgängig machen zu wollen. Eben nur die eiserne Notwendigkeit, welcher
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der Held unterliegt, macht sein Geschick zur <i>wahren Tragödie</i>, und in den Gang
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dieses Schicksals eingreifen, aus menschlicher Teilnahme das umrollende Rad der Geschichte
|
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aufhalten und noch einmal zurückdrehen zu wollen, das <a name=
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"S345"></a><b><345></b> hieße sich selbst der Gefahr preisgeben, von ihm zermalmt
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zu werden. Polen bloß deswegen herstellen zu wollen, weil sein Untergang mit gerechter
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Trauer erfüllt - das nenne ich eine schwachsinnige Sentimentalität!"
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</blockquote>
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<p>Welche Gedankenfülle! Welch eine Tiefe der Weisheit! Welche schwunghafte Sprache! So
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spricht der weltgeschichtliche Standpunkt, wenn er seine stenographierten Reden
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nachträglich verbessert hat.</p>
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<p>Die Polen haben die Wahl: Wollen sie eine "wahre Tragödie" spielen, dann müssen
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sie demütig unter dem ehernen Fuß und dem umrollenden Rad der Geschichte sich
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zerreiben lassen und zu Nikolaus sprechen: Herr, dein Wille geschehe! Oder wollen sie
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rebellieren und versuchen, ob sie nicht auch einmal ihren Unterdrückern den "ehernen
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Fuß der Geschichte" auf den Nacken setzen können, dann spielen sie keine "wahre
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Tragödie", und Herr Wilhelm Jordan von Berlin kann sich nicht mehr für sie
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interessieren. So spricht der vom Professor Rosenkranz ästhetisch gebildete
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weltgeschichtliche Standpunkt.</p>
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<p>Worin lag die unerbittliche, die eiserne Notwendigkeit, die Polen momentan vernichtete? In
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dem Verfall der auf der Leibeigenschaft beruhenden Adelsdemokratie, d.h. im Aufkommen einer
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großen Aristokratie <i>innerhalb</i> des Adels. Das war ein Fortschritt, insofern es der
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einzige Weg war, aus dem überlebten Zustand der Adelsdemokratie herauszukommen. Was war
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die Folge davon? Daß der eherne Fuß der Geschichte, d.h. daß die drei
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Autokraten des Ostens Polen erdrückten. Die Aristokratie war zum Bund mit dem Ausland
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gezwungen, um mit der Adelsdemokratie fertig zu werden. Die polnische Aristokratie blieb bis
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vor kurzem, ja teilweise bis heute, der redliche Bundesgenosse der Erdrücker Polens.</p>
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<p>Und worin liegt die unerbittliche, die eherne Notwendigkeit, daß Polen sich wieder
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befreit? Darin, daß die Herrschaft der Aristokratie in Polen, die seit 1815 wenigstens in
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Posen und Galizien, und selbst teilweise in Russisch-Polen nicht aufgehört hat, heute
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ebenso überlebt und untergraben ist wie 1772 die Demokratie des kleinen Adels; darin,
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daß die Herstellung der agrarischen Demokratie für Polen nicht nur eine politische,
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sondern auch eine gesellschaftliche Lebensfrage geworden ist; darin, daß die
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Existenzquelle des polnischen Volks, der Ackerbau, zugrunde geht, wenn der leibeigene oder
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robotpflichtige Bauer nicht freier Grundbesitzer wird; darin, daß die agrarische
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Revolution unmöglich ist ohne die gleichzeitige Eroberung der nationalen Existenz, des
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Besitzes der Ostseeküste und der Mündungen der polnischen Flüsse.</p>
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<p>Und das nennt Herr Jordan von Berlin das umrollende Rad der Geschichte aufhalten und noch
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einmal zurückdrehen wollen!</p>
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<p><b><a name="S346"><346></a></b> Allerdings, das alte Polen der Adelsdemokratie ist
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längst tot und begraben, und die "wahre Tragödie" dieses Polens rückgängig
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zu machen, kann nur Herr Jordan jemanden zumuten; aber dieser "Held" des Trauerspiels hat einen
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robusten Sohn gezeugt, vor dessen näherer Bekanntschaft es allerdings manchem geckenhaften
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Berliner Literaten grausen mag; und dieser Sohn, der sich erst anschickt, <i>sein</i> Drama
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aufzuführen und Hand zu legen an das "umrollende Rad der Geschichte", dem aber der Sieg
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gewiß ist - dieser Sohn ist das Polen der Bauerndemokratie.</p>
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<p>Etwas abgenutzter belletristischer Pomp, etwas nachaffektierte Weltverachtung - die bei
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Hegel eine Kühnheit war, bei Herrn Jordan eine wohlfeile plattgetretene Albernheit wird -
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kurz, etwas Glocke und etwas Kanone, Schall und Rauch in schlechte Sätze gebracht, und
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dazu eine namenlose Verwirrung und Unwissenheit über die gewöhnlichen geschichtlichen
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Verhältnisse - darauf reduziert sich der ganze weltgeschichtliche Standpunkt!</p>
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<p>Es lebe der weltgeschichtliche Standpunkt mit seiner begriffenen Welt!</p>
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<p class="FirstPub"><a name="NRhZ_1848-08-31">["Neue Rheinische Zeitung" Nr. 90 vom 31. August
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1848]</a></p>
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<p>**<i>Köln</i>, 26. August. Der zweite Schlachttag bietet ein noch großartigeres
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Bild als der erste. Freilich fehlt uns ein Wilhelm Jordan von Berlin, dessen Lippen die Herzen
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aller Hörer fesseln; aber bescheiden wir uns: ein Radowitz, ein Wartensleben, ein Kerst
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und ein Rodomont-Lichnowski sind auch nicht zu verachten.</p>
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<p>Herr <i>Radowitz</i> besteigt zuerst die Tribüne. Der Chef der Rechten spricht kurz,
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bestimmt, berechnet. Nicht mehr Deklamation, als gerade nötig. Falsche Voraussetzungen,
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aber zusammengedrängte raschfolgende Schlüsse aus diesen Voraussetzungen. Appell an
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die <i>Furcht</i> der Rechten. Kaltblütige Gewißheit des Erfolgs, fußend auf
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der Feigheit der Majorität. Gründliche Verachtung der ganzen Versammlung, rechts wie
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links. Das sind die Grundzüge der kurzen Rede, die Herr Radowitz gehalten hat, und wir
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begreifen sehr wohl den Effekt, den diese eiskalten und prunklosen wenigen Worte in einer
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Versammlung machen mußten, die die pomphaftesten und hohlsten rhetorischen Übungen
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zu hören gewohnt ist. Herr Wilhelm Jordan von Berlin würde glücklich sein, wenn
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er mit all seiner "begriffenen" und unbegriffenen Bilderwelt nur den zehnten Teil des Effekts
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hervorgebracht hätte, wie Herr Radowitz mit seiner kurzen und im Grunde auch ganz
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gehaltlosen Rede.</p>
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<p>Herr Radowitz ist kein "Charakter", kein gesinnungstüchtiger Biedermann, aber er ist
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eine Figur mit scharfen, bestimmten Umrissen, von dem man nur eine Rede zu lesen braucht, um
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ihn vollständig zu kennen.</p>
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<p><b><a name="S347"><347></a></b> Wir haben nie nach der Ehre gegeizt, ein Organ
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irgendeiner parlamentarischen Linken zu sein. Wir haben es bei den vielfachen verschiedenen
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Elementen, aus denen sich die demokratische Partei in Deutschland gebildet hat, im Gegenteil
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für dringend nötig gehalten, niemanden schärfer zu überwachen als gerade
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die Demokraten. Und bei dem Mangel an Energie, an Entschiedenheit, an Talent und an
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Kenntnissen, der uns mit sehr wenigen Ausnahmen bei den Führern aller Parteien
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gegenübertritt, muß es uns freuen, in Herrn Radowitz wenigstens einen
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ebenbürtigen <i>Gegner</i> zu finden.</p>
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<p>Nach Herrn Radowitz Herr Schuselka. Trotz aller vorher[ge]gangenen Warnungen dennoch ein
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rührender Appell ans Herz. Unendlich breiter Vortrag, unterbrochen durch seltene
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historische Einwände und hie und da durch etwas östreichischen praktischen Verstand.
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Im ganzen ist der Eindruck ermattend.</p>
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<p>Herr Schuselka ist nach Wien gegangen, wohin er auch in den Reichstag gewählt wurde.
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Dort ist er an seinem Platze. Wenn er in Frankfurt auf der Linken saß, gerät er dort
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ins Zentrum; wenn er in Frankfurt eine gewisse Rolle spielen konnte, macht er in Wien mit der
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ersten Rede Fiasko. Das ist das Schicksal aller dieser belletristischen, philosophischen und
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kannegießernden Größen, die die Revolution nur dazu benutzt haben, sich
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Positionen zu verschaffen; setzt sie einen Augenblick auf wirklich revolutionären Boden,
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und im Nu sind sie verschwunden.</p>
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<p>Es folgt der ci-devant <ehemalige> Graf <i>v. Wartensleben</i>. Herr Wartensleben
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tritt als behäbiger, von Wohlwollen überfließender Biedermann auf, erzählt
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Anekdoten über seinen Zug als Landwehrmann an die polnische Grenze im Jahre 1830, spielt
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über in den Sancho Pansa, indem er den Polen Sprüchwörter zuruft: Ein Sperling
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in der Hand sei besser als hundert auf dem Dache, und weiß dabei recht unschuldig die
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perfide Bemerkung einzuschmuggeln:</p>
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<blockquote>
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"Woher kommt es, daß sich nicht einmal polnische Beamte fanden, welche die
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Reorganisation in dem abzutretenden Teil übernehmen wollten? Ich fürchte, sie
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fürchten sich vor sich selbst, sie fühlen, daß sie noch nicht so weit sind,
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daß sie die Bevölkerung ruhig organisieren könnten, und sie schieben aus
|
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diesem Grunde nur vor, daß es die Vaterlandsliebe gegen Polen sei, welche sie
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verhindere, auch nur den Keim zu legen zu einem fröhlichen Auferstehen!"
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</blockquote>
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<p>Mit andern Worten, die Polen kämpfen seit achtzig Jahren mit Aufopferung ihres Lebens
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und ihres Vermögens unaufhörlich für eine Sache, die sie selbst für
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unmöglich und unsinnig halten.</p>
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<p>Schließlich ist Herr Wartensleben der Meinung des Herrn Radowitz.</p>
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<p><b><a name="S348"><348></a></b> Herr Janiszewski aus Posen, Mitglied des Posenschen
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Nationalkomitees, besteigt die Tribüne.</p>
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<p>Die Rede des Herrn Janiszewski ist das erste Stück wirklicher parlamentarischer
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Beredsamkeit, das von der Tribüne der Paulskirche herab vorgetragen wurde. Endlich einmal
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hören wir einen Redner, der nicht bloß nach dem Beifall des Saales hascht, der die
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Sprache der wirklichen, lebendigen Leidenschaft spricht und der eben deshalb einen ganz andern
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Effekt macht als alle Redner vor ihm. Blums Appell an das Gewissen der Versammlung, Jordans
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wohlfeiler Bombast, Radowitz' kalte Konsequenz, Schuselkas gemütliche Breite verschwinden
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|
gleichmäßig vor diesem Polen, der die Existenz seiner Nation verteidigt und sein
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gutes Recht zurückfordert. Janiszewski spricht erregt, heftig, aber er deklamiert nicht,
|
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er trägt nur die Tatsachen vor mit der gerechten Indignation, in der allein eine richtige
|
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Schilderung solcher Tatsachen möglich ist, und die doppelt gerecht ist nach den schamlosen
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Entstellungen, die in der bisherigen Debatte vorgebracht waren. Seine Rede, die in der Tat den
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Mittelpunkt der Debatte bildet, widerlegt alle früheren Angriffe auf die Polen, macht alle
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|
Fehler der Polenfreunde wieder gut, führt die Debatte auf ihren einzig praktischen und
|
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richtigen Boden zurück und schneidet den späteren Rednern der Rechten die
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volltönendsten Argumente von vornherein ab.</p>
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<blockquote>
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"Ihr habt die Polen verschluckt, verdauen werdet Ihr sie bei Gott nicht!"
|
|
</blockquote>
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<p>Dies schlagende Resumé der Rede Janiszewskis wird bleiben, ebenso wie der Stolz, mit
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|
dem er auf all die Betteleien der Polenfreunde erklärt:</p>
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<blockquote>
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"Ich komme nicht als Bettler zu Ihnen, ich komme mit meinem guten Rechte; nicht Sympathien
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|
rufe ich an, nur die Gerechtigkeit."
|
|
</blockquote>
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<p>Nach Herrn Janiszewski Herr Direktor Kerst aus Posen. Nach dem Polen, der für die
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Existenz, für die soziale und politische Freiheit seines Volks kämpft, der nach Posen
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eingewanderte preußische Schulmeister, der für seinen Gehalt kämpft. Nach der
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|
schönen indignierten Leidenschaft des Unterdrückten die platte Unverschämtheit
|
|
des Bürokraten, der von der Unterdrückung zehrt.</p>
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<p>Die Teilung Polens, "die man heute eine Schmach nennt", war seinerzeit "ein <i>ganz
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|
gewöhnliches Ereignis</i>".</p>
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<blockquote>
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"Das Recht der Völker, sich nach Nationalitäten zu sondern, ist ein nagelneues und
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nirgends anerkanntes Recht ... In der Politik entscheidet nur der <i>faktische
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Besitzstand</i>."
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|
</blockquote>
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<p>Das sind einige von den Kraftsprüchen, auf die Herr Kerst seine Argumentation basiert.
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|
Dann folgen die plumpesten Widersprüche:</p>
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<blockquote>
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<b><a name="S349"><349></a></b> <font size="2">"Mit Posen ist ein Strich Landes zu
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Deutschland gekommen, der allerdings überwiegend polnisch ist" - und nicht lange
|
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nachher: "Was den polnischen Teil Posens betrifft, so hat er nicht um den Anschluß an
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Deutschland gebeten, und soviel ich weiß, sind Sie, meine Herren, nicht gesonnen,
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|
diesen Teil wider seinen Willen aufzunehmen!"</font>
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|
</blockquote>
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|
|
<p>Daran knüpfen sich statistische Angaben über die
|
|
Bevölkerungsverhältnisse - Angaben nach den berühmten netzbrüderlichen
|
|
Aufnahmen, wonach nur diejenigen für Polen gelten, die kein Deutsch verstehen, und alle
|
|
diejenigen für Deutsche, die etwas Deutsch radbrechen. Und endlich eine höchst
|
|
künstliche Kalkulation, worin er nachrechnet, daß bei der Abstimmung des Posener
|
|
Provinziallandtags die Minorität von 17 gegen 26, die <i>für</i> den Anschluß
|
|
an Deutschland stimmte, eigentlich die Majorität war.</p>
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|
<blockquote>
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"Nach dem Provinzialgesetz wäre allerdings notwendig, daß die Majorität 2/3
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sein müßte, wenn sie beschlußfähig sein sollte. Nun ist allerdings 17
|
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nicht voll 2/3 zu 26, aber der Bruchteil, der dazu fehlt, ist so klein, daß er bei
|
|
einer so ernsten Frage nicht wohl in Betracht kommen kann."!!
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|
</blockquote>
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|
<p>Also wenn die Minorität <sup>2</sup>/<sub>3</sub> von der Majorität ist, so ist
|
|
sie "nach dem Provinzialgesetz" die Majorität! Das Altpreußentum wird Herrn Kerst
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krönen für diese Entdeckung. - In der Tat aber steht die Sache so: Um einen
|
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<i>Antrag</i> zu machen, mußten <sup>2</sup>/<sub>3</sub> der Stimmen dafür sein.
|
|
Aufnahme in den Deutschen Bund war ein solcher Antrag. Die Aufnahme war also erst gesetzlich
|
|
beantragt, wenn <sup>2</sup>/<sub>3</sub> der Versammlung, <sup>2</sup>/<sub>3</sub> von 43
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Stimmenden dafür stimmten. Statt dessen stimmen fast <sup>2</sup>/<sub>3</sub> dagegen.
|
|
Aber was hilft das? 17 sind ja beinahe "<sup>2</sup>/<sub>3</sub> zu 43"!</p>
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<p>Daß die Polen keine so "gebildete" Nation sind wie die Bürger des "Staats der
|
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Intelligenz", ist sehr begreiflich, wenn der Staat der Intelligenz ihnen solche Rechenmeister
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|
zu Lehrern gibt.</p>
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<p>Herr <i>Clemens</i> aus Bonn macht die richtige Bemerkung, daß es der
|
|
preußischen Regierung nicht darauf angekommen sei, Posen zu germanisieren, sondern zu
|
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<i>verpreußen</i>, und vergleicht mit den Verpreußungsversuchen Posens die
|
|
ähnlichen Versuche im Rheinlande.</p>
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<p>Herr <i>Ostendorf</i> von Soest. Der Sohn der roten Erde verliest ein Repertorium von
|
|
politischen Plattheiten und Kannegießereien, ergeht sich in Möglichkeiten,
|
|
Wahrscheinlichkeiten und Vermutungen, die vom Hundertsten ins Tausendste gehn, von Herrn Jordan
|
|
zu den Franzosen, von der roten Republik zu den Rothäuten von Nordamerika, mit denen er
|
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die Polen auf eine Stufe stellt, wie die Netzbrüder mit den Yankees. Kühne Parallele,
|
|
würdig der roten Erde! Herr Kerst, Herr Senff, Herr Goeden als Hinterwäldler mit
|
|
Blockhaus, Büchse und Schaufel - welche unvergleichliche Komödie!</p>
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<p><b><a name="S350"><350></a></b> Herr <i>Franz Schmidt</i> von Löwenberg besteigt
|
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die Tribüne. Er spricht ruhig und ohne Prunk, was um so mehr anzuerkennen ist, als Herr
|
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Schmidt einem Stande angehört, der sonst die Deklamation über alles liebt, dem Stand
|
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der deutsch-katholischen Geistlichen. Herr Schmidt, dessen Rede nach der von Janiszewski
|
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jedenfalls die beste, weil die schlagendste und sachkundigste in der ganzen Debatte ist, Herr
|
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Schmidt weist dem Ausschuß nach, wie hinter seinem scheinbaren Aufwand von Gelehrsamkeit
|
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(deren Gehalt wir untersucht haben <Siehe <a href="me05_319.htm#S319">S. 319-331</a>>) die
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grenzenloseste Unwissenheit über die tatsächlich vorliegenden Verhältnisse
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versteckt liegt. Herr Schmidt hat jahrelang im Großherzogtum Posen gelebt und weist dem
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Ausschuß selbst für den kleinen Distrikt, den er genauer kennt, die gröbsten
|
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Schnitzer nach. Er zeigt, wie der Ausschuß gerade in allen entscheidenden Punkten die
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Versammlung ohne Aufklärung gelassen hat, wie er sie geradezu auffordert, ohne irgendein
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Material, ohne alle Kenntnis der Sache ins Blaue hinein zu beschließen. Er verlangt vor
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allem Aufklärung über die faktische Lage der Dinge. Er weist nach, wie die
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Ausschußanträge mit ihren eigenen Voraussetzungen im Widerspruch stehen; er zitiert
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Flottwells Denkschrift und fordert ihn, der auch als Deputierter gegenwärtig ist,
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aufzutreten, wenn dies Aktenstück unecht sei. Er denunziert endlich dem Publikum, wie die
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Netzbrüder zu Gagern gekommen seien und ihn durch die falsche Nachricht von einem in Posen
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ausgebrochenen Aufstand zum raschen Schluß der Debatte bewegen wollten. Gagern leugnet
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dies zwar, indes Herr Kerst hat sich dessen laut gerühmt.</p>
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<p>Die Majorität hat sich an Herrn Schmidt für diese mutige Rede dadurch
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gerächt, daß sie für Verfälschung derselben in den stenogr[aphischen]
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Berichten Sorge getragen hat. An einer Stelle hat Herr Schmidt den hineingeschriebenen Unsinn
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dreimal selbst korrigiert, und dennoch ist er im Druck stehengeblieben. Trommeln gegen
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Schlöffel <Siehe <a href="me05_014.htm#S16">"Die Frankfurter Versammlung", S.
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16</a>>, offene Gewalttat gegen Brentano, Fälschung gegen Schmidt - in der Tat, die
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Herren von der Rechten sind feine Kritiker!</p>
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<p>Herr Lichnowski schließt die Sitzung. Diesen Freund indes behalten wir uns für
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den nächsten Artikel vor; einen Redner vom Kaliber des Herrn Lichnowski bricht man nicht
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übers Knie!</p>
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<p class="FirstPub"><a name="NRhZ_1848-09-01">["Neue Rheinische Zeitung" Nr. 91 vom 1. September 1848]</a></p>
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<p>**<i>Köln</i>, 31. August. Auf die Tribüne schreitet mit ritterlich-galantem
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Anstand und selbstgefälligem Lächeln der bel-homme <schöne Mann> der
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Versammlung, der deutsche Bayard ohne Furcht und Tadel, der Ex-Fürst (§ 6 der Grund-
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<a name="S351"></a><b><351></b> rechte) von <i>Lichnowski</i>. Mit dem reinsten Akzent
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des preußischen Lieutenants und mit verächtlicher Nonchalance debitiert er die
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wenigen Gedankenspäne, die er der Versammlung mitzuteilen hat.</p>
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<p>Der schöne Ritter bildet in dieser Debatte ein durchaus notwendiges Moment. Wer an den
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Herren Goeden, Senff und Kerst sich noch nicht hinlänglich genug davon überzeugt hat,
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welche achtungswerten Leute die Deutschpolen sind, der kann an dem Ritter Lichnowski sehen,
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welche unästhetische Erscheinung - trotz der netten Figur - der verpreußte Slawe
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ist. Herr Lichnowski ist der Stammverwandte der Deutschpolen, er vervollständigt die Akten
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durch sein bloßes Auftreten auf der Tribüne. Der in den preußischen
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Krautjunker aufgegangene Slachcic <polnische Adlige> aus der Wasserpolackei liefert uns
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ein lebendes Exempel von dem, was die liebevolle preußische Regierung aus dem posenschen
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Adel zu machen gedenkt. Herr Lichnowski ist trotz aller seiner Beteuerungen kein Deutscher, er
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ist ein "reorganisierter" Pole; er spricht auch kein Deutsch, sondern Preußisch.</p>
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<p>Herr Lichnowski beginnt mit der Beteuerung seiner ritterlichsten Sympathie für die
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Polen, er macht Herrn Janiszewski Komplimente, er vindiziert den Polen "die große Poesie
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des Märtyrertums" und schlägt dann plötzlich um: Warum haben diese Sympathien
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abgenommen? Weil in allen Insurrektionen und Revolutionen "die Polen in erster Linie auf den
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Barrikaden waren"! Das ist allerdings ein Verbrechen, das nicht mehr vorkommt, sobald die Polen
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"reorganisiert" sind; wir können übrigens dem Herrn Lichnowski die beruhigende
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Versicherung geben, daß auch unter der "polnischen Emigration", auch unter dem nach ihm
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so tief gesunkenen polnischen Adel in der Verbannung Leute sind, die sich von aller
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Berührung mit den Barrikaden gänzlich unbefleckt erhielten.</p>
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<p>Jetzt folgt eine heitere Szene.</p>
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<blockquote>
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<i>Lichnowski</i><font size="2">: "Die Herren von der Linken, welche die vergilbten
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Pergamente mit Füßen treten, haben auf eine auffallende Weise das historische
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Recht heraufbeschworen. Es gibt kein Recht, ein Datum für die polnische Sache mehr als
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ein anderes in Anspruch zu nehmen. Für das historische Recht gibt es kein Datum nicht."
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(Großes Gelächter auf der Linken.)</font>
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</blockquote>
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<blockquote>
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"Für das historische Recht gibt es keinen Datum nicht." (Großes Gelächter auf
|
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der Linken.)
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</blockquote>
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<blockquote>
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<i>Präsident</i>: "Meine Herren, lassen Sie doch den Redner den Satz ausführen,
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unterbrechen Sie ihn nicht."
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</blockquote>
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<blockquote>
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<i>Lichnowski</i>: "Das historische Recht hat keinen Datum nicht." (Gelächter auf der
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Linken.)
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</blockquote>
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<blockquote>
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<b><a name="S352"><352></a></b> <i>Präsident</i>: "Ich bitte den Redner nicht zu
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unterbrechen, ich bitte um Ruhe!" (Unruhe.)
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</blockquote>
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<blockquote>
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<i>Lichnowski</i>: "Es gibt für das historische Recht keinen Datum" (Bravo und
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Heiterkeit auf der Linken), "welches einem früheren Datum gegenüber ein
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größeres Recht vindizieren könnte!"
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|
</blockquote>
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<p>Hatten wir nicht recht, zu sagen, der edle Ritter spreche kein Deutsch, sondern
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Preußisch?</p>
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<p>Das historische Recht, das keinen Datum nicht hat, findet einen furchtbaren Gegner an unserm
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edlen Paladin:</p>
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<blockquote>
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"Gehen wir in der Geschichte weiter zurück, so finden wir" (in Posen) "viele Kreise, die
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schlesisch und deutsch waren; gehen wir noch weiter, kommen wir auf die Zeit, wo Leipzig und
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Dresden durch Slawen erbaut worden sind, und dann kommen wir auf Tacitus, und Gott
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weiß, wohin uns die Herren führen würden, wenn wir auf dies Thema eingingen."
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</blockquote>
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<p>Es muß schlimm in der Welt stehen. Die Güter der preußischen Ritterschaft
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müssen unrettbar verpfändet, die jüdischen Gläubiger müssen furchtbar
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dringend geworden sein, die Verfalltage der Solawechsel müssen sich überstürzen,
|
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Subhastation, Körperhaft, Entlassung aus dem Dienst wegen leichtsinnigen Schuldenmachens,
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|
alle diese Schrecken der blassen Finanznot müssen die preußische Ritterschaft mit
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unaufhaltsamem Ruin bedrohen, ehe es dahin kommen konnte, daß ein Lichnowski dasselbe
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historische Recht bekämpft, für das er sich in der Tafelrunde des Don Carlos die
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Rittersporen verdiente!</p>
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<p>Allerdings, Gott weiß, wohin die Herren Gerichtsvollzieher die magere Ritterschaft
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führen würden, wenn wir auf das Thema des historischen Schuldenrechts eingehen
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wollten! Und doch, sind die Schulden nicht die beste, die einzig entschuldigende Eigenschaft
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der preußischen Paladine?</p>
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<p>Auf sein Thema übergehend, meinte der bel-homme, man dürfe den Deutschpolen
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gegenüber nicht "mit dem unklaren Bilde einer in fernstem Dunkel liegenden Zukunft Polens
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(!) auftreten"; er meint, die Polen würden sich an Posen nicht genügen lassen:</p>
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<blockquote>
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"Wenn ich die <i>Ehre</i> hätte, ein Pole zu sein, dann dächte ich alle Morgen und
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|
alle Abend daran, das alte Königreich Polen wiederherzustellen."
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</blockquote>
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<p>Da aber Herr Lichnowski nicht "die Ehre hat", da er nur ein reorganisierter Wasserpolack
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ist, so denkt er "alle Morgen und alle Abend" an ganz andere, weniger vaterländische
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Dinge.</p>
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<blockquote>
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"Um ehrlich zu sein, muß ich sagen, einige 100.000 Polen müssen Deutsche werden,
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|
was, aufrichtig gesagt, auch für sie kein Unglück wäre nach den jetzigen
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Verhältnissen."
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|
</blockquote>
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<p><b><a name="S353"><353></a></b> Im Gegenteil, wie schön, wenn die
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preußische Regierung eine neue Pflanzschule anlegte, um noch mehr von dem Holze wachsen
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zu lassen, woraus man die Lichnowkis schneidet.</p>
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<p>In gleicher liebenswürdig-nonchalanter Weise, die im Grunde für die Damen auf der
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Galerie berechnet, aber auch für die Versammlung selbst immer noch gut genug ist, plaudert
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der schnurrbartkräuselnde Ritter noch eine Zeitlang weiter und schließt dann:</p>
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<blockquote>
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"Ich habe nichts mehr zu sagen, beschließen Sie jetzt; nehmen Sie 500.000 Deutsche
|
|
unter uns auf, oder geben Sie sie weg, ... aber dann streichen Sie auch das Lied unsers alten
|
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Volkssängers: 'So weit die deutsche Zunge klingt, und Gott im Himmel Lieder singt.'
|
|
Streichen Sie dies Lied!"
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</blockquote>
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<p>Es ist allerdings schlimm, daß der alte Arndt bei seinem Liede nicht an die polnischen
|
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Juden und ihr Deutsch gedacht hat. Aber glücklicherweise ist unser oberschlesischer
|
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Paladin da. Wer kennt nicht die alten, im Laufe der Jahrhunderte ehrwürdig gewordenen
|
|
Verpflichtungen des Adels gegen die Juden? Was der alte Plebejer übersah, dessen erinnert
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sich der Ritter Lichnowski.</p>
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<div style="margin-left: 4em">
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<p>So weit ein polnischer Jude deutsch kauderwelscht,<br>
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Auf Wucher leiht, Münz und Gewicht verfälscht -</p>
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</div>
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<p>so weit reicht das Vaterland des Herrn Lichnowski!</p>
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<p class="FirstPub"><a name="NRhZ_1848-09-03">["Neue Rheinische Zeitung" Nr. 93 vom 3.
|
|
September 1848]</a></p>
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<p>**<i>Köln</i>, 2. September. Der dritte Tag der Debatte zeigt eine allgemeine
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Ermattung. Die Argumente wiederholen sich, ohne sich zu verbessern, und wenn nicht der erste
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|
ehrenwerte Redner, der Bürger <i>Arnold Ruge</i>, seinen reichen Schatz neuer Gründe
|
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vorbrächte, so wäre der stenographische Bericht vollends zum Einschlafen.</p>
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<p>Der Bürger Ruge [kennt] aber auch seine Verdienste besser als sonst irgend jemand. Er
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verspricht:</p>
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<blockquote>
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"<i>Alle</i> meine <i>Leidenschaft,</i> die ich habe, und <i>alle</i> meine
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|
<i>Kenntnisse</i>, die ich besitze, will ich anwenden."
|
|
</blockquote>
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|
<p>Er macht einen Antrag, der aber kein gewöhnlicher, kein Antrag im allgemeinen, sondern
|
|
der einzig richtige, der <i>wahre</i> Antrag, der absolute Antrag ist:</p>
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<blockquote>
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"<i>Es ist gar nichts anderes zu beantragen und zulässig</i>. Man kann etwas anderes
|
|
tun, meine Herren, denn es ist dem Menschen gegeben, vom Richtigen abzuweichen. <a name=
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|
"S354"></a><b><354></b> Dadurch, daß er vom Richtigen abweicht, dadurch hat der
|
|
Mensch einen freien Willen ... darum hört aber das Richtige nicht auf, richtig zu sein.
|
|
Und in unseren Falle ist, was ich beantrage, das einzig <i>Richtige,</i> was geschehen kann."
|
|
(Der Bürger Ruge opfert also diesmal seinen "freien Willen" dem "Richtigen".)
|
|
</blockquote>
|
|
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|
<p>Sehen wir uns die Leidenschaft, die Kenntnisse und das einzig Richtige des Bürgers Ruge
|
|
näher an.</p>
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<blockquote>
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"Die Aufhebung Polens ist darum ein schmachvolles Unrecht, weil eine wertvolle Entwickelung
|
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der Nation unterdrückt wurde, die um die europäische Völkerfamilie sich
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große Verdienste erworben hat und die eine Phase der mittelalterlichen Existenz, das
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|
ritterliche Wesen, zu einer glanzvollen Gestalt entwickelt hatte. Die Adelsrepublik ist
|
|
unterbrochen worden durch den Despotismus, ihre eigene innerliche (!) Aufhebung zu
|
|
vollziehen, die möglich gewesen wäre durch die Verfassung, welche in der
|
|
Revolutionszeit angebahnt wurde."
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|
</blockquote>
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|
|
<p>Die südfranzösische Nationalität war im Mittelalter mit der
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nordfranzösischen nicht verwandter, als die polnische es jetzt mit der russischen ist. Die
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südfranzösische, vulgo provenzalische Nation hatte im Mittelalter nicht nur eine
|
|
"wertvolle Entwickelung", sie stand sogar an der Spitze der europäischen Entwickelung. Sie
|
|
hatte zuerst von allen neueren Nationen eine gebildete Sprache. Ihre Dichtkunst diente
|
|
sämtlichen romanischen Völkern, ja den Deutschen und Engländern zum damals
|
|
unerreichten Vorbild. In Ausbildung der feudalen Ritterlichkeit wetteiferte sie mit den
|
|
Castilianern, Nordfranzosen und englischen Normannen; in der Industrie und dem Handel gab sie
|
|
den Italienern nichts nach. Nicht nur "eine Phase der mittelalterlichen Existenz" entwickelte
|
|
sie "zur glanzvollen Gestalt", sie brachte sogar einen Abglanz des alten Hellenentums im
|
|
tiefsten Mittelalter hervor. Die südfranzösische Nation hat sich also nicht nur
|
|
große, sondern unendliche "Verdienste um die europäische Völkerfamilie
|
|
erworben". Dennoch wurde sie, wie Polen, erst geteilt zwischen Nordfrankreich und England und
|
|
später ganz von den Nordfranzosen unterjocht. Von den Albigenserkriegen bis auf Ludwig XI.
|
|
führten die Nordfranzosen, die in der Bildung ebensosehr hinter ihren südlichen
|
|
Nachbarn zurückstanden wie die Russen hinter den Polen, ununterbrochene
|
|
Unterjochungskriege gegen die Südfranzosen und endigten mit der Unterwerfung des ganzen
|
|
Landes. Die südfranzösische "Adelsrepublik" (die Benennung ist ganz richtig für
|
|
die Blütezeit) "ist unterbrochen worden durch den Despotismus" (Ludwig XI.), "ihre eigene
|
|
innerliche Aufhebung zu vollziehen", die wenigstens ebenso möglich gewesen wäre durch
|
|
die Entwickelung der Bürgerschaft der Städte, wie die der polnischen durch die
|
|
Verfassung von 1791.</p>
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<p>Jahrhundertelang kämpften die Südfranzosen gegen ihre Unterdrücker an. Aber
|
|
die geschichtliche Entwickelung war unerbittlich. Nach dreihundert- <a name=
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|
"S355"></a><b><355></b> jährigem Kampf war ihre schöne Sprache zum Patois
|
|
herabgedrängt, und sie selbst waren Franzosen geworden. Dreihundert Jahre dauerte der
|
|
nordfranzösische Despotismus über Südfrankreich, und dann erst machten die
|
|
Nordfranzosen ihre Unterdrückung wieder gut - durch die Vernichtung der letzten Reste
|
|
südfranzösischer Selbständigkeit. Die Konstituante zerschlug die
|
|
unabhängigen Provinzen, die eiserne Faust des Konvents machte die Bewohner des
|
|
südlichen Frankreichs erst zu <i>Franzosen</i> und gab ihnen zur Entschädigung
|
|
für ihre Nationalität die Demokratie. Aber während der dreihundert Jahre der
|
|
Unterdrückung paßt wörtlich auf sie, was der Bürger Ruge von den Polen
|
|
sagt:</p>
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<blockquote>
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"Der Despotismus Rußlands hat die Polen nicht befreit, die Zerstörung des
|
|
polnischen Adels und die Verbannung so vieler edlen Familien aus Polen, das alles hat in
|
|
Rußland keine Demokratie, keine humane Existenz gegründet."
|
|
</blockquote>
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|
<p>Und dennoch hat man nie die Unterdrückung Südfrankreichs durch die Nordfranzosen
|
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"ein schmachvolles Unrecht" genannt. Wie kommt das, Bürger Ruge? Entweder ist die
|
|
Unterdrückung Südfrankreichs ein schmachvolles Unrecht, oder die Unterdrückung
|
|
Polens ist kein schmachvolles Unrecht. Der Bürger Ruge möge wählen.</p>
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|
|
<p>Worin liegt aber nun der Unterschied zwischen den Polen und den Südfranzosen? Warum
|
|
wurde Südfrankreich bis zur völligen Vernichtung seiner Nationalität von den
|
|
Nordfranzosen als hülfloser Ballast ins Schlepptau genommen, während Polen alle
|
|
Aussicht hat, sehr bald an der Spitze aller slawischen Stämme zu stehen?</p>
|
|
|
|
<p>Südfrankreich wurde - infolge von sozialen Verhältnissen, die wir hier nicht
|
|
weiter entwickeln können - der reaktionäre Teil von Frankreich. Seine Opposition
|
|
gegen Nordfrankreich wurde sehr bald zur Opposition gegen die progressiven Klassen des ganzen
|
|
Frankreichs. Es wurde der Hauptrückhalt des Feudalismus und ist bis heute die Stärke
|
|
der Kontrerevolution von Frankreich geblieben.</p>
|
|
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|
<p>Polen dagegen wurde, infolge von sozialen Verhältnissen, die wir oben (Nr. 81 <Siehe
|
|
<a href="me05_319.htm#S331">S. 331-335</a>>) entwickelt haben, der revolutionäre Teil von
|
|
Rußland, Östreich und Preußen. Seine Opposition gegen seine Unterdrücker
|
|
war zugleich die Opposition gegen die hohe Aristokratie in Polen selbst. Sogar der Adel, der
|
|
zum Teil noch auf feudalem Boden stand, schloß sich mit einer beispiellosen Aufopferung
|
|
der demokratisch-agrarischen Revolution an. Polen war schon der Herd der osteuropäischen
|
|
Demokratie geworden, als Deutschland noch in <a name="S356"></a><b><356></b> der
|
|
plattesten konstitutionellen und der überschwenglichsten philosophischen Ideologie
|
|
umhertappte.</p>
|
|
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|
<p>Darin, und nicht in der glanzvollen Entwickelung des längst begrabnen ritterlichen
|
|
Wesens, liegt die Garantie, die Unvermeidlichkeit der Wiederherstellung Polens.</p>
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|
<p>Aber Herr Ruge hat noch ein zweites Argument für die Notwendigkeit eines
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|
unabhängigen Polens in der "europäischen Völkerfamilie":</p>
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<blockquote>
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"Die Gewalt, die an Polen verübt worden ist, diese Gewalt hat die Polen in ganz Europa
|
|
zerstreut, sie sind überall hingeworfen worden mit ihrem Zorn über das erlittene
|
|
Unrecht ... der polnische Geist hat sich in Frankreich, in Deutschland (!?) humanisiert und
|
|
geläutert: Die polnische Emigration ist die <i>Propaganda der Freiheit</i> geworden"
|
|
(Nr. 1). " ... Die Slawen sind fähig geworden, in die große europäische
|
|
Völkerfamilie" (die "Familie" ist unvermeidlich!) "einzutreten, weil ... ihre Emigration
|
|
ein wahres <i>Apostelamt der</i> Freiheit ausübt" (Nr. 2). " ... Die ganze russische
|
|
Armee (!!) ist von den Ideen der Neuzeit infiziert durch diese <i>Apostel der Freiheit</i>,
|
|
die Polen" (Nr. 3). " ... Ich achte die ehrenhafte Gesinnung der Polen, die sie überall
|
|
in Europa an den Tag gelegt haben, um mit Gewalt <i>Propaganda</i> zu machen für die
|
|
Freiheit" (Nr. 4). " ... Sie werden, solange die Geschichte reden kann, in derselben
|
|
dafür geehrt werden, daß sie die <i>Vorkämpfer</i> waren" (Nr. 5), "<i>wo sie
|
|
es gewesen sind</i> (!!!) ... Die Polen sind das <i>Element der Freiheit</i>" (Nr. 6), "das
|
|
in das Slawentum geworfen wurde; sie haben den Slawenkongreß in Prag zur <i>Freiheit
|
|
angeführt</i>" (Nr. 7), "sie haben in Frankreich, Rußland und Deutschland gewirkt.
|
|
Die Polen sind also ein wirkendes Element auch noch in der jetzigen Bildung, sie wirken gut,
|
|
und weil sie gut wirken, weil sie notwendig sind, sind sie keineswegs tot."
|
|
</blockquote>
|
|
|
|
<p>Der Bürger Ruge soll beweisen, daß die Polen 1. notwendig und 2. nicht tot sind.
|
|
Er tut dies, indem er sagt: "Weil sie notwendig sind, sind sie keineswegs tot."</p>
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|
<p>Man nehme aus dem obigen langen Passus, der siebenmal dasselbe sagt, die paar Worte heraus:
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Polen - Element - Freiheit - Propaganda - Bildung - Apostelamt, und man sehe, was von dem
|
|
ganzen Bombast übrigbleibt.</p>
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|
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<p>Der Bürger Ruge soll beweisen, daß die Wiederherstellung Polens notwendig ist.
|
|
Dies beweist er wie folgt: Die Polen sind nicht tot, sie sind im Gegenteil sehr lebendig, sie
|
|
wirken gut, sie sind die Apostel der Freiheit in ganz Europa. Wie kommen sie dazu? Die Gewalt,
|
|
das schmachvolle Unrecht, das an ihnen verübt, hat sie über ganz Europa zerstreut mit
|
|
ihrem Zorn über das erlittene Unrecht, ihrem gerechten revolutionären Zorn. Diesen
|
|
Zorn haben sie in der Verbannung "geläutert", und dieser geläuterte Zorn
|
|
befähigte sie zum Apostolat der Freiheit und stellte sie "zuvörderst auf die
|
|
Barrikaden". Was folgt daraus? Nehmt das schmachvolle Unrecht, die verübte Gewalt hinweg,
|
|
stellt Polen wieder her, so fällt der "Zorn" fort, so kann er <a name=
|
|
"S357"></a><b><357></b> nicht mehr geläutert werden, so gehen die Polen nach Hause
|
|
und hören auf, die "Apostel der Freiheit" zu sein. Wenn nur der "Zorn über das
|
|
erlittene Unrecht" sie zu Revolutionären macht, so wird die Hinwegnahme des Unrechts sie
|
|
zu Reaktionären machen. Ist der Gegendruck gegen die Unterdrückung das Einzige, was
|
|
die Polen am Leben erhält, so hebt die Unterdrückung auf, und sie sind tot.</p>
|
|
|
|
<p>Bürger Ruge beweist also das gerade Gegenteil von dem, was er beweisen will; seine
|
|
Gründe führen dahin, daß Polen im Interesse der Freiheit und der
|
|
europäischen Völkerfamilie <i>nicht wiederhergestellt</i> werden darf.</p>
|
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|
|
<p>Es wirft übrigens ein sonderbares Licht auf die "Kenntnisse" des Bürgers Ruge,
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|
daß er bei Polen nur die Emigration erwähnt, nur die Emigration auf den Barrikaden
|
|
sieht. Wir sind weit entfernt, der polnischen Emigration, die ihre Energie und ihren Mut auf
|
|
dem Schlachtfeld und in achtzehn Jahren Konspiration für Polen bewiesen, zu nahe treten zu
|
|
wollen. Aber wir können es nicht leugnen: Wer die polnische Emigration kennt, der
|
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weiß, daß sie lange nicht so freiheitsapostolisch und barrikadensüchtig war,
|
|
als der Bürger Ruge dem Exfürsten Lichnowski in gutem Glauben nachschwatzt. Die
|
|
polnische Emigration hat standhaft ausgehalten, hat viel gelitten und viel gearbeitet für
|
|
die Herstellung Polens. Aber haben die Polen in Polen selbst etwa weniger getan, haben sie
|
|
nicht größeren Gefahren getrotzt, setzten sie sich nicht den Kerkern von Moabit und
|
|
dem Spielberg <Berg mit Zitadelle bei Brünn>, der Knute und den sibirischen
|
|
Bergwerken, den galizischen Metzeleien und den preußischen Schrapnells aus? Aber alles
|
|
das existiert für Herrn Ruge nicht. Er hat ebensowenig bemerkt, wie die nichtemigrierten
|
|
Polen viel mehr die allgemeine europäische Bildung in sich aufgenommen, viel besser die
|
|
Bedürfnisse Polens, das sie fortwährend bewohnten, erkannt haben, als mit Ausnahme
|
|
von Lelewel und Mieroslawski fast die gesamte Emigration. Der Bürger Ruge schiebt alle
|
|
Intelligenz, die in Polen existiert, oder, um seine Sprache zu reden, die "unter die Polen und
|
|
über die Polen gekommen ist", auf ihren Aufenthalt im Ausland. Wir haben in Nr. [81]
|
|
<Siehe <a href="me05_319.htm#S331">S. 331-335</a>> nachgewiesen, daß die Polen die Erkenntnis
|
|
der Bedürfnisse ihres Landes weder bei den französischen politischen Schwärmern,
|
|
die seit Februar an ihren eigenen Phrasen gescheitert sind, noch bei den deutschen tiefsinnigen
|
|
Ideologen, die noch keine Gelegenheit zum Scheitern finden konnten, zu suchen brauchten;
|
|
daß Polen selbst die beste Schule war, um zu lernen, was Polen not tut. Das Verdienst der
|
|
Polen besteht darin, die agrarische Demokratie als die einzig mögliche Form der Befreiung
|
|
für alle slawischen Nationen zuerst erkannt und verbreitet, nicht aber darin, wie der <a
|
|
name="S358"></a><b><358></b> Bürger Ruge sich einbildet, allgemeine Phrasen, wie
|
|
"den großen Gedanken der politischen Freiheit, der in Frankreich reif wurde, und selbst
|
|
(!) die Philosophie, die in Deutschland aufgetaucht" (und in der Herr Ruge untergetaucht) "ist,
|
|
nach Polen und Rußland hinübergetragen zu haben".</p>
|
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<p>Gott bewahre uns vor unsern Freunden, vor unsern Feinden werden wir uns selbst wahren! -
|
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können die Polen nach dieser Rede des Bürgers Ruge ausrufen. Aber es ist von jeher
|
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das größte Unglück der Polen gewesen, von ihren nichtpolnischen Freunden mit
|
|
den schlechtesten Gründen von der Welt verteidigt zu werden.</p>
|
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<p>Es spricht sehr für die Frankfurter Linke, daß sie mit wenig Ausnahmen von der
|
|
Polenrede des Bürgers Ruge vollkommen entzückt war, von einer Rede, in der es
|
|
heißt:</p>
|
|
|
|
<blockquote>
|
|
"Wir wollen uns nicht darüber entzweien, meine Herren, ob wir die demokratische
|
|
Monarchie, die demokratisierte Monarchie (!) oder die reine Demokratie meinen, <i>im ganzen
|
|
wollen wir dasselbe</i>, die Freiheit, die Volksfreiheit, die Herrschaft des Volks!"
|
|
</blockquote>
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<p>Und wir sollen uns für eine Linke begeistern, die davon hingerissen wird, wenn man
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sagt, sie wolle im "ganzen dasselbe" wie die Rechte, wie Herr Radowitz, Herr Lichnowski, Herr
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Vincke und die übrige fette oder magere Ritterschaft? für eine Linke, die sich selbst
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vor Entzücken nicht mehr kennt, die alles vergißt, sobald sie so ein paar hohle
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Schlagworte hört wie "Volksfreiheit" und "Herrschaft des Volks"?</p>
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<p>Doch lassen wir die Linke und kehren wir zum Bürger Ruge zurück.</p>
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<blockquote>
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"Noch ist keine größere Revolution über den Erdball hingegangen als die
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Revolution von 1848."
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</blockquote>
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<p>"Sie ist die humanste in ihren Prinzipien" - weil diese Prinzipien aus der Vertuschung der
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entgegengesetztesten Interessen entstanden sind.</p>
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<p>"Die humanste in ihren Dekreten und Proklamationen" - weil diese ein Kompendium der
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philanthropischen Schwärmereien und sentimentalen Brüderlichkeitsphrasen aller
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Hohlköpfe von Europa sind.</p>
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<p>"Die humanste in ihrer Existenz" - nämlich in den Metzeleien und Barbareien von Posen,
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in den Mordbrennereien Radetzkys, in den kannibalischen Grausamkeiten der Pariser Junisieger,
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in den Schlächtereien von Krakau und Prag, in der allgemeinen Herrschaft der Soldateska,
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kurz, in all den Infamien, welche heute, am 1. September 1848, die "Existenz" dieser Revolution
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ausmachen und mehr Blut in vier Monaten gekostet haben als 1793 und 1794 zusammen.</p>
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<p>Der "humane" Bürger Ruge!</p>
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<p class="FirstPub"><font size="2"><b><a name="S359"><359></a></b></font><a name=
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"NRhZ_1848-09-07">["Neue Rheinische Zeitung" Nr. 96 vom 7. September 1848]</a></p>
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<p>**<i>Köln</i>, 6. September. Wir haben den "humanen" Bürger Ruge auf dem Wege
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seiner geschichtlichen Untersuchungen über die Notwendigkeit Polens verfolgt. Bisher hat
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der Bürger Ruge von der schlechten Vergangenheit, von der Zeit des Despotismus gesprochen,
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er hat die <i>Ereignisse</i> der <i>Unvernunft</i> redigiert; jetzt kommt er zur Gegenwart, zum
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glorreichen Jahr 1848, zur Revolution, jetzt betritt er heimischen Boden, jetzt redigiert er
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die "<i>Vernunft</i> der Ereignisse".</p>
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<blockquote>
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"Wie kann die Freilassung Polens geschehen? Sie kann durch Verträge geschehen, an
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welchen die beiden großen zivilisierten Nationen Europas teilnehmen, die mit
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Deutschland, dem befreiten Deutschland, zusammen notwendig eine neue Tripelallianz
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<i>darum</i> bilden müssen, weil sie dasselbe denken und <i>im ganzen</i> dasselbe
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wollen."
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</blockquote>
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<p>Da haben wir in <i>einem</i> kühnen Satz die ganze Vernunft der Ereignisse für die
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auswärtige Politik. Allianz zwischen Deutschland, Frankreich und England, die alle drei
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"dasselbe denken und im ganzen dasselbe wollen", neuer Rütlibund zwischen den modernen
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drei Schweizern Cavaignac, Leiningen und John Russell! Allerdings sind Frankreich und
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Deutschland mit Gottes Hülfe inzwischen wieder so weit rückwärts gekommen,
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daß ihre Regierungen über allgemeine politische Prinzipien ziemlich "dasselbe
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denken" wie das offizielle England, jener unerschütterte kontrerevolutionäre Fels im
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Meer.</p>
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<p>Aber die Länder "denken" nicht nur dasselbe, sie "wollen auch im ganzen dasselbe".
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Deutschland will Schleswig, und England will es ihm nicht überlassen; Deutschland will
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Schutzzölle, und England will Handelsfreiheit; Deutschland will Einheit, und England
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wünscht ihm Zersplitterung; Deutschland will selbständig sein, und England strebt
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darnach, es industriell zu unterjochen - aber was tut das? "Im ganzen" wollen sie doch
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"dasselbe"! Und Frankreich, Frankreich erläßt Zollgesetze gegen Deutschland, sein
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Minister Bastide moquiert sich über den Schulmeister Raumer, der dort Deutschland vertritt
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- also will es offenbar "im ganzen dasselbe" wie Deutschland! In der Tat, England und
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Frankreich beweisen aufs schlagendste, daß sie dasselbe wollen wie Deutschland, indem sie
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es, England wegen Schleswigs, Frankreich wegen der Lombardei, mit Krieg bedrohen!</p>
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<p>Der Bürger Ruge hat die ideologische Naivetät, zu glauben, Nationen, denen gewisse
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politische Vorstellungen gemeinsam seien, würden schon deshalb eine Allianz eingehen. Der
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Bürger Ruge hat überhaupt nur zwei Farben <a name="S360"></a><b><360></b> auf
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seiner politischen Palette: schwarz und weiß, Sklaverei und Freiheit. Die Welt teilt sich
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für ihn in zwei große Hälften: in zivilisierte Nationen und Barbaren, in Freie
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und in Knechte. Die Grenzlinie der Freiheit, die vor sechs Monaten jenseits des Rheines lag,
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fällt jetzt mit der russischen Grenze zusammen, und diesen Fortschritt nennt man die
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Revolution von 1848. In dieser wüsten Gestalt spiegelt sich die gegenwärtige Bewegung
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im Kopfe des Bürgers Ruge wider. Das ist die pommersche Übersetzung des
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Barrikadenschlachtrufs vom Februar und März.</p>
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<p>Übersetzen wir aus dem Pommerschen ins Deutsche zurück, so stellt sich heraus,
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daß die drei zivilisierten Nationen, die drei freien Völker, diejenigen sind, bei
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denen in verschiedenen Formen und Entwicklungsstufen die Bourgeoisie herrscht, während die
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"Sklaven und Knechte" die Völker sind, die unter der Herrschaft des
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patriarchalisch-feudalen Absolutismus stehen. Unter Freiheit versteht der farouche
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<wilde> Republikaner und Demokrat Arnold Ruge den ganz gewöhnlichen "seichten"
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Liberalismus, die Herrschaft der Bourgeoisie, allenfalls mit etwas scheindemokratischen Formen
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- das des Pudels Kern!</p>
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<p>Weil in Frankreich, England und Deutschland die Bourgeoisie herrscht, darum sind sie
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natürliche Alliierte, so räsoniert der Bürger Ruge. Und wenn die materiellen
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Interessen der drei Länder einander schnurstracks entgegenlaufen, wenn Handelsfreiheit mit
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Deutschland und Frankreich eine unumgängliche Lebensbedingung für die englische, wenn
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Schutzzölle gegen England eine unumgängliche Lebensbedingung für die
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französische und deutsche Bourgeoisie sind, wenn ähnliche Verhältnisse in vieler
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Hinsicht wieder zwischen Deutschland und Frankreich stattfinden, wenn diese Tripelallianz in
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der Praxis auf die industrielle Unterjochung Frankreichs und Deutschlands hinausliefe? -
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"bornierter Egoismus, schäbige Krämerseelen", brummt der pommersche Denker Ruge in
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seinen blonden Bart.</p>
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<p>Herr Jordan hat in seiner Rede von der tragischen Ironie der Weltgeschichte gesprochen. Der
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Bürger Ruge liefert ein schlagendes Exempel davon. Er, sowie die ganze mehr oder weniger
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ideologische Linke, sieht seine teuersten Lieblingsschwärmereien, seine höchsten
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Gedankenefforts <Gedankenanstrengungen> scheitern an der Klasse, deren Repräsentant
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er ist. Sein philanthropisch-kosmopolitisches Projekt scheitert an den schäbigen
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Krämerseelen, und er muß gerade, ohne es selbst zu wissen und zu wollen, diese
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Krämerseelen in mehr oder weniger ideologisch-verdrehter Weise vertreten. Der Ideologe
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denkt und der Krämer lenkt. Tragische Ironie der Weltgeschichte!</p>
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<p><b><a name="S361"><361></a></b> Der Bürger Ruge entwickelt nun, wie Frankreich
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"gesagt hat, die Verträge von 1815 sind zwar zerrissen, allein es wolle den
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Territorialbestand anerkennen, wie er gegenwärtig ist". "Dies ist sehr richtig <Im
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stenographischen Bericht: wichtig> ", denn was bisher niemand in dem Manifest Lamartines
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gesucht hat, das findet der Bürger Ruge darin: Es ist die Grundlage eines neuen
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Völkerrechts. Dies wird folgendermaßen entwickelt:</p>
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<blockquote>
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"Aus diesem Verhältnis mit Frankreich muß das neue <i>historische</i> (!) Recht"
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(Nr. 1) "hervorgehen. Das historische Recht ist das <i>Recht</i> der <i>Völker"</i> (!
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Nr. 2). "Es ist in dem Fall, wovon wir sprechen (?), das neue <i>Völkerrecht</i>"(! Nr.
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3). "Das ist die allein richtige Auffassung des <i>historischen Rechts</i>" (! Nr. 4). "Jede
|
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andere Auffassung des <i>historischen Rechts</i>" (! Nr. 5) "ist absurd. Es gibt kein anderes
|
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<i>Völkerrecht</i>" (! Nr. 6). "Das <i>historische Recht</i>" (Nr. 7) "ist das Recht"
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(endlich!), "welches die <i>Historie herbeiführt</i> und die <i>Zeit sanktioniert</i>,
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indem sie" (wer?) "die bisherigen Verträge aufhebt, zerreißt und neue an ihre
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Stelle setzt."
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</blockquote>
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<p>Mit <i>einem</i> Wort: Das historische Recht ist - die Redaktion der Vernunft der
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Ereignisse!</p>
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<p>So steht geschrieben buchstäblich in der Apostelgeschichte der deutschen Einheit, in
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den stenogr[aphischen] Berichten von Frankfurt, pag. 1186, erste Spalte. Und man beschwert
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sich, daß die "Neue Rheinische Zeitung" Herrn Ruge durch Ausrufungszeichen kritisiert!
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Aber natürlich, bei diesem schwindelnden Wirbeltanz von historischem Recht und
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Völkerrecht mußte der biedermännischen Linken Hören und Sehen vergehen,
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und sie mußte in Bewunderung aufgehen, als der Philosoph von Pommern ihr mit
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apodiktischer Gewißheit in die Ohren rief: "Das historische Recht ist das Recht, welches
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die Historie herbeiführt und die Zeit sanktioniert" usw.</p>
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<p>Die "Historie" hat ja stets das gerade Gegenteil von dem "herbeigeführt", was die "Zeit
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sanktioniert" hatte, und die Sanktion der "Zeit" bestand immer gerade darin, daß sie das
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umstieß, was die "Historie herbeigeführt" hatte.</p>
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<p>Jetzt stellt der Bürger Ruge den "einzig richtigen und zulässigen" Antrag:</p>
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<blockquote>
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"Die Zentralgewalt zu beauftragen, in Gemeinschaft mit England und Frankreich einen
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Kongreß zur Wiederherstellung eines freien und unabhängigen Polens, bei welchem
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alle beteiligten Mächte durch Gesandte zugezogen werden, einzuleiten."
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</blockquote>
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<p>Welche braven, biedermännischen Gesinnungen! Lord John Russell und Eugen Cavaignac
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sollen Polen wiederherstellen; die englische und französische Bourgeoisie sollen
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Rußland mit einem Kriege drohen, um die Freiheit Polens zu erzwingen, an der ihnen in
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|
diesem Augenblick vollends gar nichts liegt! In dieser <a name="S362"></a><b><362></b>
|
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Zeit der allgemeinen Verwirrung und Verwicklung, wo jede beruhigende Nachricht, die die Kurse
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ein Achtel Prozent steigen macht, durch sechs störende Schläge wieder vereitelt wird,
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die Industrie mit dem langsamen Bankerutt kämpft, wo der Handel stockt, wo das
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unbeschäftigte Proletariat mit unerschwinglichen Geldsummen unterstützt werden
|
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muß, um nicht in einen allgemeinen, letzten Verzweiflungskampf hineingejagt zu werden -
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da sollen die Bourgeois der drei zivilisierten Nationen noch eine neue Schwierigkeit schaffen?
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Und welche Schwierigkeit! Einen Krieg mit Rußland, das seit Februar der intimste
|
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Bundesgenosse Englands ist! Einen Krieg mit Rußland, einen Krieg, der, wie jedermann
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weiß, der Sturz der deutschen und französischen Bourgeoisie wäre! Und um welche
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Vorteile zu erlangen? Gar keine. In der Tat, das ist mehr als pommersche Naivetät!</p>
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<p>Aber der Bürger Ruge schwört darauf, daß die "friedliche Lösung" der
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polnischen Frage möglich sei. Immer besser! Und warum? Weil es sich jetzt darum
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handelt:</p>
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<blockquote>
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"Was die Wiener Verträge <i>wollen</i>, muß jetzt realisiert und wirklich
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ausgeführt werden ... Die Wiener Verträge, sie wollten das Recht <i>aller</i>
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Nationen gegen die <i>große</i> Nation der Franzosen, ... wollten die Wiederherstellung
|
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der deutschen Nation."
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</blockquote>
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<p>Jetzt erklärt es sich, weshalb Herr Ruge "im ganzen dasselbe will - wie die Rechte. Die
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Rechte will auch die Ausführung der Wiener Verträge.</p>
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<p>Die Wiener Verträge sind das Resumé des großen Siegs des reaktionären
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Europa über das revolutionäre Frankreich. Sie sind die klassische Form, in der die
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europäische Reaktion unter der Restaurationszeit 15 Jahre herrschte. Sie stellen die
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Legitimität, das Königtum von Gottes Gnaden, den Feudaladel, die Pfaffenherrschaft,
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die patriarchalische Gesetzgebung und Verwaltung wieder her. Da aber der Sieg erkämpft war
|
|
mit Hülfe der englischen, deutschen, italienischen, spanischen und namentlich der
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französischen <i>Bourgeoisie</i>, so mußten der Bourgeoisie ebenfalls Konzessionen
|
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gemacht werden. Während Fürsten, Adel, Pfaffen und Bürokraten nun die fetten
|
|
Bissen der Beute unter sich teilten, wurde die Bourgeoisie mit Wechseln auf die Zukunft
|
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abgespeist, die nie honoriert wurden und die niemand beabsichtigte zu honorieren. Und statt den
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wirklichen, praktischen Inhalt der Wiener Verträge zu betrachten, glaubt Herr Ruge, diese
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leeren Versprechungen seien der eigentliche Inhalt derselben, während die reaktionäre
|
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Praxis nur mißbräuchlich hineingedeutet sei!</p>
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<p>In der Tat, man muß merkwürdig gutmütiger Natur sein, um nach 33 Jahren,
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nach den Revolutionen von 1830 und 1848 noch an die Auszahlung dieser Wechsel zu glauben, um
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sich einzubilden, daß die sentimentalen Phrasen, <a name="S363"></a><b><363></b> in
|
|
welche die Wiener Scheinversprechungen gehüllt sind, noch im Jahre 1848 irgendeinen Sinn
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|
haben!</p>
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<p>Der Bürger Ruge als Don Quixote der Wiener Verträge!</p>
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<p>Schließlich enthüllt der Bürger Ruge der Versammlung das tiefe Geheimnis:
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Die Revolutionen von 1848 seien bloß dadurch hervorgerufen, daß man 1846 in Krakau
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die Verträge von 1815 gebrochen. Zur Warnung für alle Despoten!</p>
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<p>Kurzum, der Bürger Ruge hat sich, seit wir ihm zuletzt auf literarischem Felde
|
|
begegneten, in keinem Punkte verändert. Es sind noch immer dieselben Phrasen, die er
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einstudiert und wiederholt hat, seitdem er bei den "Hallischen" und "Deutschen
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|
Jahrbüchern" den Portier der deutschen Philosophie vorstellte; noch immer dieselbe
|
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Wirrnis, dasselbe Tohuwabohu der Anschauung, derselbe Mangel an Gedanken; dasselbe Talent, die
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hohlköpfigsten und widersinnigsten Gedanken in pomphafter Form vorzutragen; derselbe
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Mangel an "Kenntnissen", und namentlich dieselben Ansprüche auf den Beifall des deutschen
|
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Philisters, der so etwas in seinem Leben noch nicht gehört hat.</p>
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<p>Hiermit schließen wir unser Resumé der Polendebatte. Auf Herrn Löw aus
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Posen und die andern großen Geister, die noch folgen, einzugehen, wäre zu viel
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verlangt.</p>
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<p>Die ganze Debatte hinterläßt einen wehmütigen Eindruck. So viel lange Reden
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und so wenig Inhalt, so wenig Bekanntschaft mit dem Gegenstande, so wenig Talent! Die
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schlechteste Debatte der ehemaligen oder jetzigen französischen Kammer oder des englischen
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Unterhauses enthält mehr Geist, mehr Sachkenntnis, mehr wirklichen Inhalt als dies
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dreitägige Gespräch über einen der interessantesten Gegenstände der
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modernen Politik. Es war <i>alles</i> daraus zu machen, und die Nationalversammlung hat reine
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Kannegießerei darüber gemacht.</p>
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<p>In der Tat, eine Versammlung wie diese hat noch nie und nirgends gesessen!</p>
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<p>Die Beschlüsse sind bekannt. Man hat <sup>3</sup>/<sub>4</sub> von Posen erobert; man
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hat sie erobert weder durch Gewalt noch durch "deutschen Fleiß", noch durch den "Pflug",
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sondern durch Kannegießerei, erlogene Statistik und furchtsame Beschlüsse.</p>
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<p>"Ihr habt die Polen verschluckt, verdauen werdet Ihr sie bei Gott nicht!"</p>
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<p class="AutorInfo">Geschrieben von Friedrich Engels.</p>
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</body>
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</html> |