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2022-08-25 20:29:11 +02:00

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<TITLE>Karl Marx - Der englische Bankakt von 1844</TITLE>
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<FONT SIZE=2><P>Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx/Friedrich Engels - Werke, (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Band 12, Berlin/DDR 1961. S. 539-543.</P>
</FONT><H2>Karl Marx</H2>
<H1>[Der englische Bankakt von 1844]</H1>
<FONT SIZE=2><P>Geschrieben am 6. August 1858.<BR>
Aus dem Englischen.</P>
</FONT><P><HR></P>
<FONT SIZE=2><P>["New-York Daily Tribune" Nr. 5409 vom 23. August 1858, Leitartikel]</P>
</FONT><B><P><A NAME="S539">&lt;539&gt;</A></B> <A HREF="me12_320.htm">Man wird sich daran erinnern</A>, da&szlig; 1857 das britische Parlament eilig einberufen wurde infolge der Suspension des Bank Charter Act, die der Premierminister und der Schatzkanzler mit Schreiben vom 12. November, als die Geldpanik in vollem Gange war, auf eigene Verantwortung angeordnet hatten. Nachdem die Indemnit&auml;ts-Bill einmal angenommen war, vertagte sich das Parlament und hinterlie&szlig; einen Sonderausschu&szlig; mit dem Auftrag, "sowohl das Wirken der Bankakts von 1844 und von 1845 als auch die Ursachen der j&uuml;ngsten Handelskrise zu untersuchen". Der Ausschu&szlig; hatte tats&auml;chlich seit Anfang 1857 getagt und bereits zwei dicke B&auml;nde ver&ouml;ffentlicht, einen Band mit Zeugenaussagen und einen Anhang, die beide das Wirken und die Folgen der Bankakts von 1844/845 behandeln. Ihre Arbeiten waren fast in Vergessenheit geraten, als das Ereignis der Handelskrise den Ausschu&szlig; wieder zum Leben erweckte und ihm ein "zus&auml;tzliches Untersuchungsmaterial" lieferte. In den zwei dicken B&auml;nden, die wir erw&auml;hnten, wurde der Handel gerade zwei Monate vor seinem gewaltigen Zusammenbruch f&uuml;r "gesund" und "sicher" erkl&auml;rt. Was das Wirken des Bankakts Sir Robert Peels betrifft, so &auml;u&szlig;erte sich Lord Overstone vor dem Ausschu&szlig; am 14. Juli 1857 in einer dithyrambischen Art:</P>
<FONT SIZE=2><P>"Durch strenge und prompte Einhaltung der Grunds&auml;tze des Akts von 1844", sagte er, "ist alles mit Regelm&auml;&szlig;igkeit und Leichtigkeit verlaufen, das Geldsystem ist sicher und unersch&uuml;ttert, die Prosperit&auml;t des Landes ist unbestritten, das &ouml;ffentliche Vertrauen in den Akt von 1844 gewinnt t&auml;glich an St&auml;rke. W&uuml;nscht der Ausschu&szlig; noch weitere praktische Belege f&uuml;r die Gesundheit der Prinzipien, auf denen dieser Akt beruht, und der wohlt&auml;tigen Folgen, die er sichergestellt hat, so ist die wahre und hin- <A NAME="S540"><B>&lt;540&gt;</A></B> reichende Antwort an den Ausschu&szlig;: Schauen Sie um sich; betrachten Sie die gegenw&auml;rtige Lage des Gesch&auml;fts unsres Landes, betrachten Sie die Zufriedenheit des Volkes; betrachten Sie den Reichtum und die Prosperit&auml;t aller Klassen der Gesellschaft; und dann, nachdem dies geschehn, wird der Ausschu&szlig; imstande sein, zu entscheiden, ob er die Fortdauer eines Akts verhindern will, unter dem solche Erfolge erreicht worden sind."</P>
</FONT><P>Der gleiche Ausschu&szlig; mu&szlig;te sechs Monate sp&auml;ter der Regierung zur Suspension eben dieses Akts gratulieren!</P>
<P>Der Ausschu&szlig; z&auml;hlte unter seinen Mitgliedern nicht weniger als f&uuml;nf Schatzkanzler oder ehemalige Schatzkanzler, n&auml;mlich: Herrn Disraeli, Sir C. C. Lewis, Herrn Gladstone, Sir Charles Wood, und Sir Francis Baring, unterst&uuml;tzt durch Herrn Wilson und Herrn Cardwell, zwei M&auml;nner, die bereits seit langem gewohnt sind, die Finanzminister mit Ideen zu versehen. Dazu kamen alle bedeutendsten Vertreter der englischen B&uuml;rokratie. In der Tat hatte der Ausschu&szlig; etwa zwei Dutzend Mitglieder, und war ein bemerkenswertes Konklave finanzieller und &ouml;konomischer Weisheit. Die zu entscheidenden Fragen waren: erstens die Prinzipien des Bankakts von 1844; zweitens der Einflu&szlig; auf die Handelskrisen durch die Emission von Banknoten, die auf Verlangen zahlbar sind, und schlie&szlig;lich die allgemeinen Ursachen der gegenw&auml;rtigen Krise. Wir beabsichtigen einen kurzen &Uuml;berblick der auf diese verschiedenen Fragen erteilten Antworten zu geben.</P>
<P>Sir Robert Peel, der parlamentarische Pate, und Lord Overstone, der geistige Vater des Akts von 1844, der der Bank von England verbot, Noten &uuml;ber den Betrag von 14.500.000 Pfd.St. hinaus, au&szlig;er gegen Deckung in Edelmetall, auszugeben, schmeichelten sich damit, da&szlig; sie solche Zeiten der Klemme und Panik, wie sie periodisch von 1815 bis 1844 aufgetreten waren, verhindert h&auml;tten. Im Verlaufe von zehn Jahren sind nun ihre Erwartungen zweimal get&auml;uscht worden, ungeachtet der au&szlig;erordentlichen und unerwarteten Hilfe, die das Wirken des Akts durch die gro&szlig;en Goldfunde erfuhr. Wie aus den vor dem Ausschu&szlig; gemachten Zeugenaussagen hervorgeht, war die Panik 1847 und 1857 sogar heftiger und vernichtender als je zuvor. Zweimal, 1847 und 1857, mu&szlig;te die Regierung den Bankakt &uuml;bertreten, um die Bank und die um sie rotierende Finanzwelt zu retten.</P>
<P>Der Ausschu&szlig; stand, wie es scheint, vor einer sehr einfachen Alternative: Entweder war die periodische Verletzung des Gesetzes durch die Regierung richtig, dann mu&szlig;te das Gesetz falsch sein, oder das Gesetz war richtig, dann mu&szlig;te der Regierung untersagt werden, sich willk&uuml;rlich einzumischen. Was soll man dazu sagen, da&szlig; der Ausschu&szlig; es fertiggebracht hat, gleichzeitig f&uuml;r die Fortdauer des Gesetzes und die periodische Wiederkehr seiner Verletzung <A NAME="S541"><B>&lt;541&gt;</A></B> einzutreten? Gesetze sind gew&ouml;hnlich dazu bestimmt, die unumschr&auml;nkte Macht einer Regierung zu begrenzen. Hier scheint man im Gegenteil das Gesetz aufrechtzuerhalten, um der Exekutive die unumschr&auml;nkte Macht zu erhalten, sich dar&uuml;ber hinwegzusetzen. Das Schreiben der Regierung, das die Bank von England erm&auml;chtigt, den Forderungen nach Diskontierung und Darlehen auf anerkannt beste Sicherheiten &uuml;ber die in dem Akt von 1844 vorgeschriebenen Grenzen hinaus nachzukommen, wurde am 12. November herausgegeben; und bis zum 30. mu&szlig;te die Bank im Tagesdurchschnitt rund eine halbe Million Noten &uuml;ber die gesetzliche Grenze hinaus in die Zirkulation werfen. Am 20. November war die ungesetzliche Surplus-Zirkulation auf etwa eine Million angestiegen. Welches weiteren Beweises bedarf es da f&uuml;r die Sinn- und Nutzlosigkeit des Versuches Sir Robert Peels, die Umlaufsmittel zu "regulieren"? Der Ausschu&szlig; hat ganz recht, wenn er feststellt, "da&szlig; kein Zirkulationssystem ein Handelsland gegen die Folgen seiner eigenen Unvernunft sch&uuml;tzen kann". Diese weise Bemerkung trifft aber nicht den Kern. Die Frage war vielmehr, ob die Geldpanik, welche nur eine Phase der Handelskrise darstellt, durch legislative Ma&szlig;nahmen k&uuml;nstlich versch&auml;rft wird oder nicht.</P>
<P>Zur Rechtfertigung des Bankakts sagt der Ausschu&szlig;:</P>
<FONT SIZE=2><P>"Zweifellos sollte die betreffende Gesetzgebung vor allem die Gew&auml;hr bieten, da&szlig; die Variationen der Notenzirkulation im K&ouml;nigreich nach den gleichen Gesetzen erfolgen, nach denen eine metallische Zirkulation variieren w&uuml;rde. Niemand bestreitet, da&szlig; das Ziel erreicht worden war."</P>
</FONT><P>Wir bemerken dazu als erstes, da&szlig; der Ausschu&szlig; es ablehnt, seine Meinung zu den Gesetzen zu &auml;u&szlig;ern, nach denen eine metallische Zirkulation zu variieren pflegt, da er bef&uuml;rchtete, "er w&uuml;rde nicht in der Lage sein, ohne gro&szlig;e Meinungsverschiedenheiten zu irgendeiner Schlu&szlig;folgerung gelangen". Nach Meinung der von Sir Robert Peel angef&uuml;hrten Bullionisten w&uuml;rde sich eine rein metallische Zirkulation entsprechend dem Stand des Wechselkurses verringern oder ausdehnen, d.h. Gold w&uuml;rde bei einem g&uuml;nstigen Wechselkurs einflie&szlig;en, w&auml;hrend es bei einem ung&uuml;nstigen das Land verlassen w&uuml;rde. Im ersteren Falle w&uuml;rde das allgemeine Preisniveau steigen, im letzteren w&uuml;rde es fallen. Wenn man nun annimmt, da&szlig; solche heftigen Preisschwankungen einer rein metallischen Zirkulation innewohnen, dann hatte Herr J. S. Mill sicher recht, als er vor dem Ausschu&szlig; behauptete, da&szlig; der Zustand, den es bei der Notenzirkulation zu erreichen gelte, nicht der sein sollte, solche unheilvollen Schwankungen nachzuahmen, sondern sie zu korrigieren und zu &uuml;berwinden.</P>
<B><P><A NAME="S542">&lt;542&gt;</A></B> Doch die Voraussetzungen, von denen die Bullionisten bei ihrer Beweisf&uuml;hrung ausgehen, haben sich als imagin&auml;r erwiesen. In L&auml;ndern, in denen es keine Kreditgesch&auml;fte und demzufolge keine Notenzirkulation gibt, wie es vergleichsweise bis vor kurzem in Frankreich der Fall war und in viel gr&ouml;&szlig;erem Ma&szlig;e noch jetzt in Asien der Fall ist, werden &uuml;berall private Sch&auml;tze an Gold und Silber gehortet. Wenn nun Edelmetall infolge eines ung&uuml;nstigen Wechselkurses abgezogen wird, so &ouml;ffnen sich diese Sch&auml;tze infolge eines Ansteigens des Zinsfu&szlig;es. Wendet sich der Wechselkurs, so absorbieren die Sch&auml;tze wieder den &Uuml;berschu&szlig; der Edelmetalle. In keinem Fall entsteht in der Zirkulation ein Vakuum oder das Gegenteil. Der Abflu&szlig; und Zuflu&szlig; des Edelmetalls ber&uuml;hrt den Stand der Schatzbildung, aber nicht den Stand der Umlaufmittel, und daher wird auch keinerlei Wirkung auf das allgemeine Preisniveau ausge&uuml;bt. Worauf l&auml;uft also die Verteidigung des Ausschusses hinaus? Darauf, da&szlig; der Bankakt von 1844 in Zeiten der Klemme zu pl&ouml;tzlichen Preisschwankungen f&uuml;hrt, die, wie der Ausschu&szlig; f&auml;lschlicherweise annimmt, auf der Grundlage rein metallischer Zirkulation vor sich gehen w&uuml;rde. Aber zumindest, so sagt der Ausschu&szlig;, sei durch den Akt Sir Robert Peels die Konvertibilit&auml;t der Banknoten garantiert, was zur ersten Pflicht der Bank geh&ouml;re, und er f&uuml;gt hinzu:</P>
<FONT SIZE=2><P>"Die Deckung, die in den Tresoren dieses Unternehmens nach den Bestimmungen des Acts von 1844 vorbanden sein mu&szlig;, ist gr&ouml;&szlig;er als die, welche jemals zuvor in Zeiten der Klemme vorhanden war. W&auml;hrend der Krise von 1825 sank der Edelmetallvorrat auf 1.261.000 Pfd.St., 1837 auf 3.831.000 Pfd.St. und 1839 auf 2.406.000 Pfd.St., wogegen der niedrigste Stand, auf den er seit 1844 gesunken ist, 8.313.000 Pfd.St. im Jahre 1847 und 6.080.000 Pfd.St. im Jahre 1857 betragen hat."</P>
</FONT><P>Vor allem wurde die Konvertibilit&auml;t der Banknoten in all diesen Perioden der Panik aufrechterhalten, nicht weil die Bank gen&uuml;gend Edelmetall besa&szlig;, um ihre Noten einzul&ouml;sen, sondern einfach deshalb, weil man an sie nicht die Forderung gestellt hatte, in Gold zu zahlen. 1825 z.B. hielt die Bank dem Ansturm von Zahlungsforderungen durch die Ausgabe von 1-Pfund-Noten stand. Wenn die verh&auml;ltnism&auml;&szlig;ig gr&ouml;&szlig;eren Edelmetallreserven 1847 und 1857 einfach als Auswirkungen des Akts von 1844 angesehen werden, dann mu&szlig; man auch diesem Akt aus gleichen Gr&uuml;nden die Tatsache zuschreiben, da&szlig; die Edelmetallreserven 1857, trotz Kalifornien und Australien, um mehr als 2.000.000 Pfd.St. unter den Stand von 1847 gesunken sind. Und obwohl sie im Vergleich zu 1825 und 1836 den zwei- oder dreifachen Goldbetrag besa&szlig;, schwebte die Bank von England 1847 und 1857 am Rande des Bankrotts, dank der Bestimmungen des Sir Robert Peelschen Bankakts. Laut Aussage des <A NAME="S543"><B>&lt;543&gt;</A></B> Gouverneurs der Bank betrug die gesamte Reserve des Bank-Departments am 12. November 1857, dem. Tag, an dem das Schreiben des Schatzamtes herauskam, nur 580.751 Pfd.St., w&auml;hrend sich ihre Depositen zur gleichen Zeit auf 22.500.000 Pfd.St. beliefen, von denen fast 6.500.000 Pfd.St. Londoner Bankiers geh&ouml;rten.</P>
<P>Ohne das Schreiben vom Schatzamt h&auml;tte der Laden geschlossen werden m&uuml;ssen. Den Zinsfu&szlig; zu erh&ouml;hen oder zu senken - und die Bank gibt zu, da&szlig; sie kein anderes Mittel zur Einflu&szlig;nahme auf die Zirkulation hatte - ist eine Ma&szlig;nahme, die vor der Annahme des Akts von 1844 angewandt wurde und die nat&uuml;rlich auch nach seiner Suspension h&auml;tte angewandt werden k&ouml;nnen. Aber, sagt die Bank, die Direktoren m&ouml;chten, da&szlig; ihre W&uuml;rde durch den Akt gest&auml;rkt wird, und es w&auml;re nicht angebracht, "sie ihrer eigenen unwiderstehlichen Weisheit und Entschlossenheit zu &uuml;berlassen". In normalen Zeiten, in denen der Akt offenkundig ein toter Buchstabe ist, m&ouml;chten die Direktoren durch die Fiktion seines gesetzlichen Wirkens gest&auml;rkt werden und in Zeiten der Klemme, den einzigen Zeitpunkten, wo er &uuml;berhaupt wirken kann, m&ouml;chten sie ihn durch einen Regierungserla&szlig; loswerden,</P>
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