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2022-08-25 20:29:11 +02:00

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24 KiB
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<TITLE>Friedrich Engels - Offizi&ouml;ses Kriegsgeheul</TITLE>
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<META name="description" content="Offizi&ouml;ses Kriegsgeheul">
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<TD ALIGN="CENTER" width= 198 height=20 valign=middle bgcolor="#99CC99"><A HREF="http://www.mlwerke.de/index.shtml"><FONT size=2 color="#CC3333"><= MLWerke</A></TD>
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<TD ALIGN="CENTER" width= 199 height=20 valign=middle bgcolor="#99CC99"><A href="../default.htm"><FONT size=2 color="#CC3333"><= Marx/Engels</A></TD>
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<TD ALIGN="CENTER" width= 199 height=20 valign=middle bgcolor="#99CC99"><A HREF="../me_ak75.htm"><FONT size=2 color="#CC3333"><= Artikel und Korr. 1875</A></TD>
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</TR>
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<FONT SIZE=2><P>Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx/Friedrich Engels - Werke. (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Band 18, 5. Auflage 1973, unver&auml;nderter Nachdruck der 1. Auflage 1962, Berlin/DDR. S. 576-583.</P>
<P>1. Korrektur.<BR>
Erstellt am 04.03.1999</P>
</FONT><H2>Friedrich Engels </H2>
<H1>Offizi&ouml;ses Kriegsgeheul</H1>
<P><HR noshade size="1"></P>
<FONT SIZE=2><P>["Der Volksstaat" Nr. 46 vom 23. April 1875]</P>
</FONT><B><P><A NAME="S576">|576|</A></B> Die Pre&szlig;reptilien des Deutschen Reichs haben wieder einmal Befehl erhalten, in die Kriegstrompete zu tuten. Das gottlose verkommene Frankreich will das gottesf&uuml;rchtige und unter der Herrschaft des B&ouml;rsenschwindels, der Gr&uuml;ndungen und des Krachs so herrlich emporbl&uuml;hende Deutschland nun einmal um keinen Preis in Ruhe lassen. Frankreich r&uuml;stet auf kolossalstem Ma&szlig;stab, und die Hochdruckgeschwindigkeit, mit der diese R&uuml;stungen betrieben werden, ist der beste Beweis, da&szlig; es beabsichtigt, wom&ouml;glich schon im n&auml;chsten Jahr &uuml;ber das unschuldige friedfertige Bismarcksche Reich herzufallen, das bekanntlich nie das kleinste W&auml;sserchen getr&uuml;bt hat, das in einem fort abr&uuml;stet und von dem nur die reichsfeindliche Presse die Verleumdung verbreitet, es habe soeben erst durch ein Landsturmgesetz zwei Millionen B&uuml;rger in Reservesoldaten verwandelt.</P>
<P>Die Pre&szlig;reptile haben einen schweren Stand. W&auml;hrend sie im Dienst des Ausw&auml;rtigen Amtes das Reich als ein Lamm von unerh&ouml;rter Sanftmut darstellen m&uuml;ssen, findet es das Kriegsministerium in seinem Interesse, dem deutschen Bourgeois verst&auml;ndlich zu machen, da&szlig; f&uuml;r sein schweres Steuergeld auch etwas geschieht, da&szlig; die beschlossenen R&uuml;stungen auch wirklich ausgef&uuml;hrt, die Festungen gebaut, die Cadres und Mobilmachungspl&auml;ne f&uuml;r die vielen "Beurlaubten" fertiggemacht werden, da&szlig; die Schlagfertigkeit des Heeres sich mit jedem Tage erh&ouml;ht. Und da die in dieser Beziehung gemachten Mitteilungen authentisch sind und obendrein von sachverst&auml;ndigen Leuten herr&uuml;hren, so sind wir vollkommen imstande, das Kriegsgeheul der Pre&szlig;unken zu beurteilen.</P>
<P>Das neue franz&ouml;sische Cadresgesetz gibt den Vorwand ab zu dem ganzen L&auml;rm. Vergleichen wir also die dadurch in Frankreich - vorerst <A NAME="S577"><B>|577|</A></B> noch auf dem Papier - geschaffenen Einrichtungen mit den in Deutschland wirklich bestehenden, und halten wir uns dabei, der K&uuml;rze wegen, vorz&uuml;glich an die entscheidende Waffe, die Infanterie.</P>
<P>Im ganzen stellt sich heraus, da&szlig; das neue franz&ouml;sische Gesetz eine bedeutend verschlechterte Ausgabe des preu&szlig;ischen ist.</P>
<P>Die franz&ouml;sische Linieninfanterie soll bestehn aus 144 Linien-, 4 Zuaven- und 3 Turkos-Regimentern &agrave; 4 Bataillonen, 30 J&auml;gerbataillonen, 4 Fremden- und 5 Strafbataillonen, im ganzen 643 Bataillonen, wogegen die deutsche Linienarmee allerdings nur mit 468 Bataillonen figuriert. Diese &Uuml;berlegenheit der franz&ouml;sischen Linie ist jedoch purer Schein.</P>
<P>Erstens hat das franz&ouml;sische Bataillon, wie das preu&szlig;ische, zwar vier Kompanien, aber jede Kompanie nur vier Offiziere statt f&uuml;nf, und von diesen vieren ist einer ein Reserveoffizier, welche Spezies bis jetzt in Frankreich <I>noch gar nicht existiert</I>. In Frankreich kam bisher auf 35-40 Mann ein Offizier, und bei dem veralteten und umst&auml;ndlichen franz&ouml;sischen Exerzierreglement ist das auch n&ouml;tig, w&auml;hrend man in Preu&szlig;en mit einem Offizier auf 50 Mann ganz gut fertig wurde. Es ist dies aber auch das Maximum, und war man daher auch in dem Ausschu&szlig; der Nationalversammlung, der dies Gesetz beriet, dar&uuml;ber einig, da&szlig; man <I>h&ouml;chstens</I> 200 Mann in die Kompanie werde einstellen k&ouml;nnen. Die franz&ouml;sische Kompanie ist also gegen die preu&szlig;ische numerisch um 25 Prozent schw&auml;cher, und da der Reserveoffizier vorderhand nicht existiert und auch auf lange Jahre hinaus nicht existieren wird, ihr auch in organisatorischer Beziehung bei weitem nicht gewachsen. Da aber jetzt die Kompanie - durch die Hinterlader - die taktische Einheit im Gefecht geworden ist und das Gefecht der Kompaniekolonnen und der auf sie gest&uuml;tzte Tirailleurkampf starke Kompanien erfordert, so hat die Nationalversammlung hier der franz&ouml;sischen Armee den gr&ouml;&szlig;ten Schaden angetan, den sie ihr antun konnte.</P>
<P>Die franz&ouml;sische Linie z&auml;hlt demnach auf dem Kriegsfu&szlig;</P>
<P ALIGN="CENTER"><CENTER><TABLE CELLSPACING=0 BORDER=0 CELLPADDING=2 WIDTH=484>
<TR><TD WIDTH="69%" VALIGN="TOP">
<P>606 Linienbataillone &agrave; 800 Mann</TD>
<TD WIDTH="31%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="CENTER">484.800 Mann,</TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="69%" VALIGN="TOP">
<P>Zuaven, Turkos, Fremdenlegion, Strafbataillone</TD>
<TD WIDTH="31%" VALIGN="TOP">
<U><P ALIGN="CENTER">&nbsp;&nbsp;46.000 Mann,</U></TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="69%" VALIGN="TOP">
<P>zusammen</TD>
<TD WIDTH="31%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="CENTER">530.800 Mann,</TD>
</TR>
</TABLE>
</CENTER></P>
<P>wovon aber mindestens 40.000 Mann f&uuml;r Algier abgehn, die erst verwendbar werden, sobald neue Formationen imstande sind, sie abzul&ouml;sen. Es bleiben also zur Er&ouml;ffnung des Kriegs 490.800 Mann Infanterie. Die 468 Bataillone der deutschen Infanterie z&auml;hlen jedes 1.050 Mann auf dem Kriegsfu&szlig;, zusammen nach offizieller Angabe 490.480 Mann, fast genausoviel wie die franz&ouml;sische Linie.</P>
<B><P><A NAME="S578">|578|</A></B> Bis hierher also Gleichheit der Zahl, bessere und st&auml;rkere Organisation auf Seite Deutschlands. Jetzt aber kommt der Unterschied.</P>
<P>Auf Seite Frankreichs machen obige 643 schwache Bataillone die gesamte Infanterie aus, f&uuml;r welche &uuml;berhaupt eine kriegsm&auml;&szlig;ige Organisation besteht. Allerdings sollen die 318 Depotkompanien der Linie und der J&auml;ger im ganzen 249.480 &uuml;berz&auml;hlige Reservisten enthalten (eingeschlossen 50 resp. 40 Offiziere und Unteroffiziere per Kompanie), aber hiervon existieren bisher blo&szlig; die Leute, und zwar gr&ouml;&szlig;tenteils ganz unexerziert, und die Exerzierten mit meist nur sechsmonatlicher Dienstzeit. Von den Offizieren und Unteroffizieren ist h&ouml;chstens ein Viertel vorhanden. Bis diese 318 Depotkompanien sich in 318 mobile Bataillone verwandeln, kann der ganze Feldzug entschieden sein, und was davon ins Feuer kommt, wird an Qualit&auml;t die Mobilgarden von 1870 nicht &uuml;bertreffen. Dann bleibt noch die Territorialarmee, die die Leute vom 30. bis zum 40. Jahr umfa&szlig;t und die in 144 Regimentern zu 3 Bataillonen, also 432 Bataillonen, organisiert werden soll. Alles dies besteht nur auf dem Papier. Um eine solche Einrichtung wirklich durchzuf&uuml;hren, braucht man an 10.000 Offiziere und 20.000 Unteroffiziere, von denen bis jetzt fast buchst&auml;blich kein einziger vorhanden ist. Und woher sollen diese Offiziere kommen? Es hat fast zwei Generationen gedauert, bis in Preu&szlig;en die einj&auml;hrigen Freiwilligen brauchbare Reserve- und Landwehroffiziere lieferten; noch in den vierziger Jahren wurden sie in fast allen Regimentern als ein Schaden angesehen und demgem&auml;&szlig; behandelt. Und in Frankreich, wo eine solche Institution gegen alle Traditionen der revolution&auml;ren Gleichheit verst&ouml;&szlig;t, wo die Einj&auml;hrigen von den Offizieren verachtet und von den Soldaten geha&szlig;t werden, ist mit ihnen erst recht nichts anzufangen. Eine andere Quelle f&uuml;r Reserveoffiziere existiert aber nicht.</P>
<P>Was die Unteroffiziere und Leute angeht, so prahlten bekanntlich die Sieger von Sadowa 1866, da&szlig; das lange Bestehen des Landwehrsystems in Preu&szlig;en ihnen einen Vorsprung von zwanzig Jahren vor jedem andern Land gebe, welches dasselbe System annehme; erst wenn die &auml;ltesten Jahrg&auml;nge aus gedienten Leuten best&auml;nden, trete Gleichheit mit Preu&szlig;en ein. Das scheint man jetzt vergessen zu haben, wie auch, da&szlig; in Frankreich nur die H&auml;lfte des Jahreskontingents wirklich dient, die andere H&auml;lfte nach sechsmonatlichem Dienst (was bei den heutigen pedantischen Reglements g&auml;nzlich ungen&uuml;gend) entlassen wird, Reserve und Landwehr in Frankreich also gro&szlig;enteils, im Vergleich mit der preu&szlig;ischen, aus Rekruten besteht. Und da tut man, als ob man sich vor der jetzigen franz&ouml;sischen Territorialarmee f&uuml;rchte, die aus demselben unge&uuml;bten Kanonenfutter be- <A NAME="S579"><B>|579|</A></B> steht, das 1870 und 1871 an der Loire und bei Le Mans vor halb so starken aber disziplinierten deutschen Abteilungen sich nicht halten konnte!</P>
<P>Damit noch nicht genug. In Preu&szlig;en hat man, nach bittern Erfahrungen, das Mobilmachen endlich gelernt. In elf Tagen ist die ganze Armee schlagfertig, die Infanterie schon weit fr&uuml;her. Dazu geh&ouml;rt aber, da&szlig; alles auf die einfachste Weise eingerichtet und da&szlig; namentlich jeder einzelne Beurlaubte schon im voraus dem Truppenteil zugewiesen ist, in den er eintreten soll. Die Grundlage hierzu ist, da&szlig; jedes Regiment seinen st&auml;ndigen Rekrutierungsbezirk hat, aus dem sich auch das entsprechende Landwehrregiment in erster Linie erg&auml;nzt. Das neue franz&ouml;sische Gesetz dagegen weist die Rekruten und Reservisten demjenigen Regiment zu, das sich bei der Mobilmachung grade im Bezirk befindet. Es geschah dies einer seit Napoleon eingeb&uuml;rgerten Tradition zuliebe, nach der die einzelnen Regimenter abwechselnd in allen Teilen Frankreichs garnisonieren und sich m&ouml;glichst aus ganz Frankreich rekrutieren sollen. Mu&szlig;te man das letztere fallenlassen, so beharrte man um so entschiedener auf dem ersteren und machte damit jenen best&auml;ndigen organischen Zusammenhang zwischen Regimentskommando und Landwehr-Bezirkskommando unm&ouml;glich, der in Preu&szlig;en die Raschheit der Mobilmachung sicherstellt. Wenn diese sinnlose &Auml;nderung, die bei den Spezialwaffen noch viel mehr St&ouml;rungen anrichten mu&szlig; als bei der Infanterie, bei dieser letzteren die Mobilmachung auch nur um drei Tage verl&auml;ngern sollte, so sind das, einem aktiven Gegner gegen&uuml;ber, die drei wichtigsten Tage des ganzen Feldzugs.</P>
<P>Was bedeuten also alle die gewaltigen franz&ouml;sischen R&uuml;stungen? Eine der deutschen an Zahl gleiche, aber schlechter organisierte Linieninfanterie, die obendrein, um sich auf Kriegsfu&szlig; zu setzen, eine Anzahl Leute von nur sechsmonatlicher Dienstzeit einziehen mu&szlig;; eine erste Reserve, worin nur sechs Monate gediente Leute vorherrschen und f&uuml;r die h&ouml;chstens ein Viertel der Offiziere und Unteroffiziere vorhanden ist; eine zweite Reserve von vorwiegend ungedienten Leuten ohne alle und jede Offiziere, und f&uuml;r beide Reserven selbstredend totaler Mangel an festen Cadres. Dabei die sichere Aussicht, da&szlig; die fehlenden Offiziere mit den jetzigen Einrichtungen nie zu beschaffen sein werden, so da&szlig; beide Reserven im Kriegsfall keiner h&ouml;heren Leistungen f&auml;hig sein werden als die im Herbst und Winter 1870 in der Eile gebildeten Bataillone.</P>
<P>Und nun sehen wir uns einmal das lammfromme Deutsche Reich an, das angeblich keine Z&auml;hne hat und noch weniger solche zeigt. Eine Linieninfanterie von 468 Bataillonen mit, auf Kriegsfu&szlig;, 490.480 Mann haben wir bereits nachgewiesen. Dazu kommen aber noch folgende Neubildungen:</P>
<B><P><A NAME="S580">|580|</A></B> Man hat seit Anfang 1872 in jedes Bataillon 36 Rekruten mehr eingestellt, macht rund 17.000 Mann j&auml;hrlich. Ferner hat man nach zweij&auml;hriger Dienstzeit ein volles Viertel der Leute entlassen, daf&uuml;r aber ebenfalls eine gleiche Anzahl neuer Rekruten eingestellt, macht rund 28.000 Mann. Es werden also j&auml;hrlich im ganzen 45.000 Mann mehr eingestellt und ausgebildet als vorher; macht bis Ende 1875, in drei Jahren, 135.000 Mann, wozu noch 12.000 einj&auml;hrige Freiwillige (&agrave; 4.000 per Jahr) kommen; zusammen 147.000 Mann oder gerade genug, um f&uuml;r jedes der 148 Regimenter ein viertes Bataillon zu bilden. Die &uuml;berz&auml;hligen Ersatzkompanien zu diesem Zweck sind bei allen Linienregimentern bereits seit derselben Zeit "organisatorisch vorbereitet", d.h. die Linien- und Reserveoffiziere und Unteroffiziere, die in diese Bataillone eintreten sollen, sind bereits festgestellt. Die vierten Bataillone k&ouml;nnen also l&auml;ngstens zwei bis drei Tage nach den ersten dreien sich auf den Marsch begeben und die Armee um 148 Bataillone &agrave; 1.050 Mann = 155.400 Mann verst&auml;rken. Diese Zahlen aber dr&uuml;cken noch bei weitem nicht den Machtzuwachs aus, den die Feldarmee damit erh&auml;lt. Wer 1866 die preu&szlig;ischen vierten Bataillone gesehen hat, der wei&szlig;, da&szlig; sie, vorwiegend aus kr&auml;ftigen, k&ouml;rperlich gesetzten Leuten von 24-27 Jahren bestehend, die Kerntruppe der Armee ausmachen.</P>
<P>Neben der Bildung der vierten Bataillone geht die Organisation der Ersatzbataillone - 148 an der Zahl, von den Ersatzkompanien der J&auml;ger gar nicht zu sprechen - ihren Gang voran. Sie setzen sich zusammen aus den &uuml;berz&auml;hligen gedienten Reservisten und den ungedienten Leuten der Ersatzreserve. Ihre St&auml;rke wurde 1871 auf 188.690 Mann offiziell angegeben. Dies ist aber so zu verstehn, da&szlig; die bereits in Friedenszeiten festgestellten Cadres an Offizieren und Unteroffizieren imstande sind, eine solche Anzahl von Leuten einzuexerzieren, denn die Ersatzreserve allein, in deren erste Klasse jetzt j&auml;hrlich zirka 45.000 Mann eingestellt werden, liefert auf sieben Jahrg&auml;nge weit mehr als obige Anzahl. Die Ersatzbataillone sind n&auml;mlich die Beh&auml;lter, aus denen die im Felde stehenden, durch K&auml;mpfe und mehr noch durch Strapazen geschw&auml;chten Bataillone die n&ouml;tigen Verst&auml;rkungen an mehr oder weniger ausgebildeten Leuten erhalten. und die sich dann selbst immer wieder aus der Ersatzreserve erg&auml;nzen.</P>
<P>Gleichzeitig mit Linie und Ersatztruppen wird die Landwehr mobil gemacht. Die ebenfalls im Frieden schon festgestellten Cadres der Landwehr umfassen 287 Bataillone (die auf 301 gebracht werden sollen). In den beiden letzten Kriegen wurden die Landwehrbataillone nur auf 800 Mann gebracht; nehmen wir nur diese geringe Sollst&auml;rke an, so stellt das Deutsche Reich an Landwehrinfanterie 229.600 Mann organisierter Truppen, wobei <A NAME="S581"><B>|581|</A></B> aber noch eine j&auml;hrlich wachsende Zahl &Uuml;berz&auml;hliger zur sp&auml;teren Verf&uuml;gung bleibt.</P>
<P>Damit nicht genug, ist denn auch noch der Landsturm wieder ins Leben gerufen worden. Nach offizi&ouml;sen Nachrichten war Ende 1874 die Kriegsst&auml;rke der deutschen Infanterie bereits vermehrt worden um 234 Bataillone Landsturm (&agrave; 800 Mann = 187.200 Mann), die J&auml;gerkompanien ungerechnet; was doch nur hei&szlig;en kann, da&szlig; die Cadres f&uuml;r diese Bataillone wenigstens notd&uuml;rftig festgestellt sind. Damit ist aber der Landsturm noch lange nicht ersch&ouml;pft, denn nach der triumphierenden &Auml;u&szlig;erung Voigts-Rhetz's im Reichstage umfa&szlig;t er "f&uuml;nf Prozent der Bev&ouml;lkerung, zwei Millionen Mann"!.</P>
<P>Wie stellt sich nun die Rechnung?</P>
<P>Frankreich hat an Linieninfanterie, einschlie&szlig;lich der in Algier dienenden Truppen, 530.800 Mann, und das ist seine gesamte organisierte Infanterie. Rechnen wir aber auch noch die ganze erste Reserve hinzu, soweit sie irgendwelche Scheinorganisation besitzt - 254.600 Mann (288 Depotkompanien &agrave; 800 Mann, 30 J&auml;gerdepots &agrave; 540 Mann und 8.000 &uuml;berz&auml;hlige Str&auml;flinge), so gibt das im ganzen nur 785.400 Mann zu Fu&szlig;.</P>
<P>Das Deutsche Reich tritt auf, elf Tage nach dem Mobilmachungsbefehl,</P>
<P ALIGN="CENTER"><CENTER><TABLE CELLSPACING=0 BORDER=0 CELLPADDING=2 WIDTH=414>
<TR><TD WIDTH="66%" VALIGN="TOP" COLSPAN=2>
<P>mit einer Linieninfanterie von</TD>
<TD WIDTH="34%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">490 480 Mann,</TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="5%" VALIGN="TOP"><P></P></TD>
<TD WIDTH="61%" VALIGN="TOP">
<P>zwei bis drei Tage sp&auml;ter</TD>
<TD WIDTH="34%" VALIGN="TOP"><P></P></TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="66%" VALIGN="TOP" COLSPAN=2>
<P>mit 148 weiteren Bataillonen</TD>
<TD WIDTH="34%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">155.400 Mann,</TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="5%" VALIGN="TOP"><P></P></TD>
<TD WIDTH="61%" VALIGN="TOP">
<P>nach weiteren vierzehn Tagen</TD>
<TD WIDTH="34%" VALIGN="TOP"><P></P></TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="66%" VALIGN="TOP" COLSPAN=2>
<P>mit 287 Landwehrbataillonen &agrave; 800 Mann</TD>
<TD WIDTH="34%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">229.600 Mann,</TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="5%" VALIGN="TOP"><P></P></TD>
<TD WIDTH="61%" VALIGN="TOP">
<P>und nach noch vierzehn Tagen</TD>
<TD WIDTH="34%" VALIGN="TOP"><P></P></TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="66%" VALIGN="TOP" COLSPAN=2>
<P>mit 234 Landsturmbataillonen &agrave; 800 Mann</TD>
<TD WIDTH="34%" VALIGN="TOP">
<U><P ALIGN="RIGHT">&nbsp;&nbsp;&nbsp;187.200 Mann,</U></TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="66%" VALIGN="TOP" COLSPAN=2>
<P ALIGN="RIGHT">zusammen mit einer Infanterie von</TD>
<TD WIDTH="34%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">1.062.680 Mann,</TD>
</TR>
</TABLE>
</CENTER></P>
<P>die bereits in Friedenszeiten fix und fertig organisiert und im voraus mit allem N&ouml;tigen versehen ist und die 148 Ersatzbataillone von der St&auml;rke (s. oben) von 188.690 Mann zur Erg&auml;nzung der durch den Feldzug verursachten L&uuml;cken hinter sich hat. Im ganzen eine organisierte Infanterie-Masse von 1.251.370 Mann.</P>
<P>Glaubt man etwa, wir &uuml;bertreiben? Keineswegs. Wir bleiben noch hinter der Wahrheit zur&uuml;ck, indem wir verschiedene kleine Faktoren vernachl&auml;ssigen, die aber bei der Zusammenz&auml;hlung eine ganz respektable Summe ergeben. Hier der Beweis.</P>
<P>Die "K&ouml;lnische Z[ei]t[un]g" vom 27. Dez. 1874 enth&auml;lt eine aus dem Kriegsministerium stammende "milit&auml;rische Mitteilung", aus der wir <A NAME="S582"><B>|582|</A></B> folgendes ersehen: Ende 1873 betrug der Kriegsfu&szlig; der deutschen Armee</P>
<P ALIGN="CENTER"><CENTER><TABLE CELLSPACING=0 BORDER=0 CELLPADDING=2 WIDTH=455>
<TR><TD WIDTH="59%" VALIGN="TOP">
<P>1.361.400 M[ann], wovon Infanterie</TD>
<TD WIDTH="41%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">994.900 Mann.</TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="59%" VALIGN="TOP">
<P>Dazu kamen 1874 die vierten Bataillone</TD>
<TD WIDTH="41%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">155.400 Mann.</TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="59%" VALIGN="TOP">
<P>und 234 Bataillone Landsturm</TD>
<TD WIDTH="41%" VALIGN="TOP">
<U><P ALIGN="RIGHT">&nbsp;&nbsp;&nbsp;187.200 Mann.</U></TD>
</TR>
<TR><TD WIDTH="59%" VALIGN="TOP">
<P>total Infanterie</TD>
<TD WIDTH="41%" VALIGN="TOP">
<P ALIGN="RIGHT">1.337.500 Mann,</TD>
</TR>
</TABLE>
</CENTER></P>
<P>also noch fast 100.000 Mann mehr als unser Anschlag. Derselbe Artikel berechnet den gesamten Kriegsfu&szlig; aller Waffen auf 1.723.148 Mann, worunter 39.948 Offiziere; und die Franzosen haben dagegen h&ouml;chstens 950.000 Mann im voraus organisierter Truppen, worunter 785.000 Mann Infanterie!</P>
<P>Was die Qualit&auml;t der Truppen angeht, so ist - gleiche durchschnittliche kriegerische Anlagen bei beiden Nationen angenommen - die der franz&ouml;sischen Armee seit dem Krieg sicher nicht gehoben worden. Die Regierung hat alles getan, um die Truppen zu demoralisieren, namentlich durch deren Verlegung in Barackenlager, wo der Soldat im Winter weder exerzieren noch sonst etwas treiben konnte und sozusagen ausschlie&szlig;lich aufs Absinthtrinken angewiesen war. Es fehlt an Unteroffizieren, die Kompanien sind schwach, die Kavallerieregimenter haben lange nicht Pferde genug. Die "Nordd[eutsche] Allg[emeine] Z[ei]t[un]g" hob dies selbst noch am 14. Januar hervor; damals predigte sie noch Frieden!</P>
<P>Aber die neue Armeegesetzgebung stellt dem franz&ouml;sischen Kriegsminister zur Verf&uuml;gung: an Linie 704.714 Mann, Reserve 510.294 Mann, Territorialarmee 582.523 und Reserve derselben 625.633 Mann, zusammen 2.423.164 Mann, die im Notfall auf 2.600.000 Mann gebracht werden k&ouml;nnen! Allerdings, obwohl General Lewal nach genauer Untersuchung der betreffenden Dokumente erkl&auml;rt, diese Summe auf 2.377.000 Mann herabsetzen zu m&uuml;ssen. Und auch diese sind noch genug, um dem besten Kriegsminister den Kopf toll zu machen. Was in aller Welt soll er mit dieser Masse zu fast zwei Dritteln unge&uuml;bter Menschen anfangen? Wo die Offiziere und Unteroffiziere herbekommen, ohne die er sie nicht ein&uuml;ben, geschweige organisieren kann?</P>
<P>In Deutschland sieht es ganz anders aus. Die St&auml;rke des Kriegsfu&szlig;es wird schon in den Motiven des Reichsmilit&auml;rgesetzes angenommen gleich 1.500.000 Mann. Dazu kommen aber infolge dieses Gesetzes selbst die f&uuml;nf Jahrg&auml;nge der Ersatzreserve, deren Dienstpflicht vom 27. bis zum vollendeten 31. Jahre ausgedehnt wurde - 45.000 Mann jedes Jahr - also zirka 200.000 Mann. Mindestens 200.000 Mann &Uuml;berz&auml;hlige &uuml;ber den Kriegs- <A NAME="S583"><B>|583|</A></B> fu&szlig; hinaus waren schon vorher auf den Registern gef&uuml;hrt. Und dazu kommt der Landsturm mit vollen zwei Millionen Mann; so da&szlig; der deutsche Kriegsminister 3.900.000, wo nicht <I>vier Millionen</I> Mann zu seiner Disposition hat, wobei die Armee, wie der angef&uuml;hrte Offizi&ouml;se sagt,</P>
<FONT SIZE=2><P>"auch bei einem Aufgebot bis 1.800.000 Mann <I>und dar&uuml;ber</I>, mit Ausnahme der in die Ersatzarmee eingestellten Rekruten, durchgehend aus gedienten und vollkommen milit&auml;risch vorge&uuml;bten Soldaten bestehen wird, was in Frankreich bis zur Territorialreserve aufw&auml;rts erst <I>binnen zwanzig Jahren</I> bewirkt werden m&ouml;chte".</P>
</FONT><P>Man sieht, nicht Frankreich, sondern das Deutsche Reich preu&szlig;ischer Nation ist der wahre Repr&auml;sentant des Militarismus. Vier Millionen Soldaten, zehn Prozent der Bev&ouml;lkerung! Nur zu. Uns kann es ganz recht sein, da&szlig; das System bis auf die &auml;u&szlig;erste Spitze getrieben wird. Nicht von au&szlig;en durch einen &auml;ndern siegreichen Milit&auml;rstaat, nur von innen, durch seine eignen notwendigen Konsequenzen, kann dies System endg&uuml;ltig gebrochen werden. Und je mehr es &uuml;bertrieben wird, desto eher mu&szlig; es zusammenbrechen. Vier Millionen Soldaten! Auch die Sozialdemokratie wird es Bismarck Dank wissen, wenn er die Zahl auf f&uuml;nf oder sechs Millionen erh&ouml;ht und dann baldm&ouml;glichst auch noch die M&auml;dchen einstellt.</P>
<I><P ALIGN="RIGHT">F. E.</P></I>
<HR noshade size="1"><P>
<TABLE width=600 border=0 align=center cellspacing=0 cellpadding=0>
<TR>
<TD bgcolor="black" width=1 rowspan=3></TD>
<TD bgcolor="black" height=1 colspan=7></TD>
</TR>
<TR>
<TD ALIGN="CENTER" width= 198 height=20 valign=middle bgcolor="#99CC99"><A HREF="http://www.mlwerke.de/index.shtml"><FONT size=2 color="#CC3333"><= MLWerke</A></TD>
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