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2022-08-25 20:29:11 +02:00

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<TITLE>Karl Marx/Friedrich Engels - Die grossen Maenner des Exils</TITLE>
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<P><SMALL>Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx/Friedrich Engels - Werke, (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Band 8, 3. Auflage 1972, unveränderter Nachdruck der 1. Auflage 1960, Berlin/DDR. S. 299-303</SMALL>
<P ALIGN="CENTER"><A HREF="me08_292.htm"><FONT SIZE=2>IX.</FONT></A><FONT SIZE=2> | </FONT><A HREF="me08_233.htm"><FONT SIZE=2>Inhalt</FONT></A><FONT SIZE=2> | </FONT><A HREF="me08_304.htm"><FONT SIZE=2>XI.</FONT></A></P>
<P ALIGN="CENTER">X</P>
<B><P><A NAME="S299">&lt;299&gt;</A></B> Trotz seiner bisherigen unverhofften Erfolge war Arnold noch nicht am Ziel seiner M&uuml;hen angelangt. Vertreter Deutschlands von Mazzinis Gnaden, hatte er die Verpflichtung, einerseits sich in dieser Eigenschaft wenigstens von der deutschen Emigration best&auml;tigen zu lassen, andrerseits dem Zentralkomitee Leute vorzuf&uuml;hren, die sich seiner F&uuml;hrung unterwarfen. Er behauptete zwar, in Deutschland stehe "ein klar umschriebener Volksteil hinter ihm", aber dieser Hinterteil konnte Mazzini und Ledru unm&ouml;glich Vertrauen einfl&ouml;&szlig;en, solange sie blo&szlig; den Rugeschen Vorderteil zu Gesicht bekamen. Genug, Arnold mu&szlig;te sich nach einem "klar umschriebenen" Schwanz unter der Emigration umsehn.</P>
<P>In dieser Zeit kam Gottfried Kinkel nach London, und mit oder bald nach ihm eine Anzahl andrer Exilierten, teils aus Frankreich, teils aus der Schweiz und Belgien: Schurz, Strodtmann, Oppenheim, Schimmelpfennig, Techow pp. Diese neuen Ank&ouml;mmlinge, die sich teilweise schon in der Schweiz in Bildung provisorischer Regierungen versucht hatten, brachten neues Leben in die Londoner Emigration, und der Moment schien f&uuml;r unsern Arnold g&uuml;nstiger als je. Gleichzeitig &uuml;bernahm Heinzen wieder die "Schnellpost" in New York und so konnte Arnold jetzt au&szlig;er in d. Bl&auml;ttchen von Bremen auch jenseits des Ozeans seine "wiederholte Erscheinung" vorf&uuml;hren. Sollte auch Arnold einmal seinen Strodtmann finden, so w&uuml;rde dieser die Monatsg&auml;nge der "Schnellpost" von Anfang 1851 f. unsch&auml;tzbares Material erkl&auml;ren. Von dieser so unendlich faden Klatscherei, Albernheit u. Gemeinheit und von der ameisenflei&szlig;igen Wichtigkeit, womit Arnold sein Guano ablagert, mu&szlig; man sich durch d. Augenschein &uuml;berzeugen. W&auml;hrend Heinzen ihn als europ&auml;ische Gro&szlig;macht darstellt, behandelt Arnold seinen Heinzen als amerikanisches Zeitungsorakel. Er teilt ihm die Geheimnisse der europ&auml;ischen Diplomatie, speziell die t&auml;glich neuesten Wendungen der Emigrations-Weltgeschichte mit. Arnold erscheint zuweilen als Londoner und Pariser anonymer <A NAME="S300"><B>&lt;300&gt;</A></B> Korrespondent, um einige fashionable movements &lt;weltm&auml;nnische Schritte&gt; des gro&szlig;en Arnold dem amerikanischen Publikum mitzuteilen.</P>
<FONT SIZE=2><P>"Arnold Ruge hat die Kommunisten wieder unter dem Messer." - "Arnold Ruge machte <I>gestern </I>(datiert von Paris, wo die Zeitrechnung den alten Schalksnarren verr&auml;t) "eine Ausflucht von Brighton nach London." Dann wieder: "Arnold Ruge an Karl Heinzen: Lieber Freund und Redakteur ... Mazzini l&auml;&szlig;t Dich gr&uuml;&szlig;en ... Ledru-Rollin <I>erlaubt </I>Dir, seine Schrift &uuml;ber den 13. Juni zu &uuml;bersetzen" u. dgl.</P>
</FONT><P>Ein Brief aus Amerika bemerkt hier&uuml;ber:</P>
<FONT SIZE=2><P>"Wie ich aus Ruges Briefen (in der 'Schnellpost') merke, schreibt Heinzen dem Ruge (privatim) allerlei drollige Geschichten &uuml;ber die amerikanische Bedeutung seines Blatts, w&auml;hrend Ruge sich ihm gegen&uuml;ber als gro&szlig;e europ&auml;ische Regierung geb&auml;rdet. Sooft Ruge an Heinzen eine neue Wichtigkeit &uuml;bermacht, unterl&auml;&szlig;t er nie beizuf&uuml;gen: Du kannst die andern Zeitungen der Union auffordern, dies abzudrucken. Als ob, wenn diese es der M&uuml;he wert f&auml;nden, sie noch lange auf Rugesche Autorisation warteten. Beil&auml;ufig gesagt, ich habe noch nie diese Wichtigkeiten irgendwo abgedruckt gesehn, trotz Herrn Ruges Rat und Genehmigung."</P>
</FONT><P>Vater Ruge benutzte dies Bl&auml;ttchen sowie die "Bremer Tages-Chronik" gleichzeitig, um die neuen Ank&ouml;mmlinge der Emigration durch Schmeicheleien zu fangen: Kinkel ist jetzt hier, der geniale Dichter und Patriot; Strodtmann, ein gro&szlig;er Schriftsteller; Schurz, ein junger Mann, ebenso liebensw&uuml;rdig wie verwegen, au&szlig;erdem noch mehrere ausgezeichnete Revolutionsfeldherrn usw.</P>
<P>Unterdessen hatte sich, im Gegensatz zum Mazzinischen, ein <I>plebejisches </I>europ&auml;isches Komitee gebildet, hinter dem die "niedere Fl&uuml;chtlingsschaft" und die emigrierte Krap&uuml;le der verschiedensten europ&auml;ischen Nationen stand. Es hatte zur Zeit der Schlacht von Bronzell ein Manifest erlassen, das von folgenden hervorragenden Deutschen mitunterzeichnet war: Gebert, Majer, Dietz, Sch&auml;rttner, Schapper, Willich. Dies in sonderbarem Franz&ouml;sisch abgefa&szlig;te Aktenst&uuml;ck teilt als Neuestes mit, da&szlig; die Heilige Allianz der Tyrannen in diesem Moment (10. Novbr. 1850) eine Million dreihundertunddrei&szlig;igtausend Soldaten versammelt habe, hinter denen noch siebenhunderttausend bewaffnete F&uuml;rstenknechte als Reserve st&auml;nden, da&szlig; "die deutschen Bl&auml;tter und die eignen Verbindungen des Komitees" ihm die geheimen Absichten der Warschauer Konferenzen mitgeteilt h&auml;tten, welche darin best&auml;nden, alle Republikaner Europas zu massakrieren, woran sich dann der unvermeidliche Ruf zu den Waffen schlie&szlig;t. Dies manifeste - Fanon - Caperon - <A NAME="S301"><B>&lt;301&gt;</A></B> Gout&eacute;, wie die "Patrie" es nannte, der sie es eingeschickt, mu&szlig;te von der kontrerevolution&auml;ren Presse bittern Spott leiden, Die "Patrie" nannte es</P>
<FONT SIZE=2><P>"das Manifest der dii minorum gentium &lt;G&ouml;tter niederen Geschlechts&gt;, geschrieben ohne chic, ohne Stil, nur &uuml;ber die armseligsten Redeblumen verf&uuml;gend von serpents und sicaires und &eacute;gorgements &lt;Gew&uuml;rm und Meuchelm&ouml;rdern und Niedermetzelungen&gt;".</P>
</FONT><P>Die "Ind&eacute;pendance Belge" erz&auml;hlt, es sei von den soldats les plus obscurs de la d&eacute;mocratie &lt;unbedeutendsten Soldaten der Demokratie&gt; abgefa&szlig;t, und diese armen Teufel h&auml;tten es ihrem Korrespondenten in London zugeschickt, obgleich sie konservativ sei. So sehr sehnten sie sich danach, gedruckt zu werden; zur Strafe wolle sie die Namen der Unterzeichner nicht mitteilen. Trotz aller Bettelei bei der Reaktion gelang es den Edlen nicht, als Konspirateurs und als gef&auml;hrlich anerkannt zu werden.</P>
<P>Dies neue Konkurrenz-Etablissement feuerte Arnold zu verdoppelter T&auml;tigkeit an. Er versuchte also nun mit Struve, Kinkel, R. Schramm, Bucher usw. einen "Volksfreund" oder, wenn Gustav darauf bestehe, einen "Deutschen Zuschauer" zu begr&uuml;nden. Aber die Sache scheiterte. Teils str&auml;ubten sich die andern gegen das Protektorat Arnolds, teils verlangte der "gem&uuml;tliche" Gottfried bare Zahlung, w&auml;hrend doch Arnold der Ansicht Hansemanns war, da&szlig; in Geldsachen die Gem&uuml;tlichkeit aufh&ouml;rt. Es handelte sich f&uuml;r Arnold noch speziell bei diesem Unternehmen darum, die Lesegesellschaft, einen Klub deutscher Uhrmacher, gutbezahlter Arbeiter und Kleinb&uuml;rger, in Kontribution zu setzen, was indes auch verhindert wurde.</P>
<P>Doch bot sich bald eine neue Gelegenheit f&uuml;r Arnolds "wiederholte Erscheinung". Ledru und seine Anh&auml;nger unter der franz&ouml;sischen Emigration konnten den 24. Februar (1851) nicht vor&uuml;bergehn lassen, ohne ein "Verbr&uuml;derungsfest" der europ&auml;ischen Nationen zu feiern, das &uuml;brigens nur von Franzosen und Deutschen besucht wurde. Mazzini kam nicht und entschuldigte sich durch einen Brief; Gottfried, der anwesend war, ging entr&uuml;stet nach Hause, weil seine sprachlose Erscheinung nicht den erwarteten magischen Effekt hatte; Arnold mu&szlig;te es erleben, da&szlig; sein Freund Ledru tat, als kenne er ihn nicht, und wurde auf der Trib&uuml;ne so verwirrt, da&szlig; er seine h&ouml;heren Orts gebilligte franz&ouml;sische Rede im Sack behielt, nur ein paar deutsche Worte stammelte und sich mit dem Ausruf: "&Agrave; la restauration de la r&eacute;volution!" &lt;"Auf das Widererstehen der Revolution!"&gt; unter allgemeinem Sch&uuml;tteln des Kopfes eiligst zur&uuml;ckzog.</P>
<P>Am selben Tage fand ein Gegenbankett statt unter der Fahne des oben erw&auml;hnten Konkurrenzkomitees. Aus Verdru&szlig; dar&uuml;ber, da&szlig; das Mazzini- <A NAME="S302"><B>&lt;302&gt;</A></B> Ledrusche Komitee ihn nicht von vornherein zugezogen, schlo&szlig; sich Louis Blanc dem Fl&uuml;chtlingsmob mit der Erkl&auml;rung an, "auch die Aristokratie des Talents m&uuml;sse abgeschafft werden". Die ganze niedere Emigration war versammelt. Der ritterliche Willich pr&auml;sidierte. Der Saal war mit Fahnen dekoriert, und an den W&auml;nden prangten die Namen der gr&ouml;&szlig;ten Volksm&auml;nner: Waldeck zwischen Garibaldi und Kossuth, Jacoby zwischen Blanqui und Cabet, Robert Blum zwischen Barb&egrave;s und Robespierre. Das kokette Zier&auml;ffchen Louis Blanc verlas winselnd eine Adresse seiner alten Ia-br&uuml;der, der k&uuml;nftigen Pairs der sozialen Republik, der d&eacute;l&eacute;gu&eacute;s du Luxembourg von 1848. Willich verlas eine Adresse aus der Schweiz, deren Unterschriften zum Teil unter falschen Vorw&auml;nden zusammengeschwindelt waren und deren prahlerisch indiskrete Ver&ouml;ffentlichung sp&auml;ter massenhafte Ausweisungen der Unterzeichneten zur Folge hatte. Aus Deutschland war keine Adresse da. Dann Reden. Trotz der unendlichen Br&uuml;derlichkeit lag der Schein der Langeweile auf allen Gesichtern.</P>
<P>Dies Bankett gab Anla&szlig; zu einem h&ouml;chst erbaulichen Skandal, der, wie alle Heldentaten des europ&auml;ischen Zentral-Mobkomitees, in der kontrerevolution&auml;ren Presse sich abwickelte. Man hatte es n&auml;mlich schon sehr sonderbar gefunden, da&szlig; ein gewisser Barth&eacute;lemy auf diesem Bankett in Gegenwart Louis Blancs eine pomphafte Lobrede auf <I>Blanqui </I>hielt. Jetzt kl&auml;rte sich die Sache auf. Die "Patrie" brachte einen Toast, den Blanqui, dazu auf Verlangen, von Belle-&Icirc;le dem Festredner eingesandt hatte. Hier griff er derb u. schlagend die gesamte provisorische Regierung von 1848 an, und speziell Herrn Louis Blanc. D. "Patrie" stellte sich verwundert, da&szlig; dieser Toast w&auml;hrend des Banketts unterschlagen worden sei. Sofort erkl&auml;rte Louis Blanc in der "Times", Blanqui sei ein abominabler Intrigant und habe nie dem Festkomitee einen solchen Toast zugeschickt. Das Festkomitee, bestehend aus den Herrn Blanc, Willich, Landolphe, Schapper, Barth&eacute;lemy u. Vidil, erkl&auml;rte zugleich in der "Patrie", niemals den Toast erhalten zu haben. Die "Patrie" jedoch lie&szlig; die Erkl&auml;rung nicht abdrucken, bis sie sich bei Herrn Antoine, Blanquis Schwager, erkundigt, der ihr den Toast mitgeteilt hatte. Unter d. Erkl&auml;rung des Festkomitees druckte sie Herrn Antoines Antwort: Er habe den Toast an den Mitunterzeichner der Erkl&auml;rung, Barth&eacute;lemy, geschickt und von ihm auch Empfangsanzeige erhalten. Hierauf sah sich Herr Barth&eacute;lemy zur Erkl&auml;rung gezwungen, es sei wahr, er habe gelogen; er habe den Toast wirklich erhalten, aber als unpassend zur&uuml;ckgelegt, ohne dem Komitee Anzeige davon zu machen. Aber schon vorher, hinter dem R&uuml;cken Barth&eacute;lemys, hatte der ebenfalls mitunterzeichnete franz&ouml;sische Exkapit&auml;n Vidil der "Patrie" geschrieben, sein milit&auml;risches Ehrgef&uuml;hl und sein Wahr- <A NAME="S303"><B>&lt;303&gt;</A></B> heitsinstinkt dringe ihm das Gest&auml;ndnis ab, da&szlig; er selbst, Louis Blanc, Willich und alle die andern in der ersten Komitee-Erkl&auml;rung gelogen h&auml;tten. Das Komitee habe nicht aus sechs, es habe aus 13 Mitgliedern bestanden. Ihnen allen sei der Toast Blanquis vorgelegt, von ihnen allen diskutiert und nach langer Debatte von der Majorit&auml;t von 7 gegen 6 unterdr&uuml;ckt worden. Er habe sich unter den sechs befunden, die f&uuml;r seine Verlesung gestimmt.</P>
<P>Man begreift den Jubel der "Patrie", als sie, nach dem Vidilschen Brief, die Erkl&auml;rung des Herrn Barth&eacute;lemy erhielt. Sie lie&szlig; ihn mit folgendem Vorwort abdrucken:</P>
<FONT SIZE=2><P>"Wir haben uns oft gefragt, und die Frage ist schwer zu beantworten, was bei den Demagogen gr&ouml;&szlig;er sei, ihre Ruhmredigkeit oder ihre Dummheit. Ein vierter Brief von London vermehrt noch unsre Verlegenheit. Da sind ihrer, wir wissen nicht wie viele arme Teufel, in einem solchen Grade gemartert von der Wut, zu schreiben und ihre Namen in den reaktion&auml;ren Bl&auml;ttern genannt zu sehn, da&szlig; sie selbst vor einer grenzenlosen Besch&auml;mung und Selbstherabsetzung nicht zur&uuml;ckschrecken. Was liegt ihnen am Gel&auml;chter und der Indignation des Publikums - das 'Journal des D&eacute;bats', die 'Assembl&eacute;e nationale', die 'Patrie' werden ihre Stil&uuml;bungen abdrucken; um dies Gl&uuml;ck zu erreichen, ist kein Preis der kosmopolitischen Demokratie zu hoch ... Im Namen der literarischen Kommiseration nehmen wir daher den folgenden Brief des 'B&uuml;rgers' Barth&eacute;lemy auf - er ist ein neuer und wir hoffen der letzte Beweis f&uuml;r die Echtheit des nur zu ber&uuml;hmten Toastes Blanqui, die sie erst alle geleugnet und f&uuml;r deren Beteuerung sie sich jetzt untereinander in die Haare geraten." </P></FONT></BODY>
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