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<title>"Neue Rheinische Zeitung" - Der Konflikt zwischen Marx und der preussischen
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Untertanenschaft</title>
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<p align="center"><a href="me05_378.htm"><font size="2">Die Antwerpner Todesurteile</font></a>
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<font size="2">|</font> <a href="../me_nrz48.htm"><font size="2">Inhalt</font></a> <font size=
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"2">|</font> <a href="me05_386.htm"><font size="2">Der dänische
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Waffenstillstand</font></a></p>
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<small>Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx - Friedrich Engels - Werke, Band 5, S. 382-385<br>
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Dietz Verlag, Berlin/DDR 1959</small><br>
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<h1>Der Konflikt zwischen Marx und der preußischen
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Untertanenschaft</font></p>
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<p><font size="2">["Neue Rheinische Zeitung" Nr. 94 vom 5. September 1848]</font></p>
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<p><b><a name="S382"><382></a></b> *<i>Köln</i>, 4. September. Der Redakteur en chef
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der "Neuen Rheinischen Zeitung", Karl Marx, ist, wie wir bereits früher erwähnten
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<Siehe <a href="me05_364.htm">"Das deutsche Reichsbürgerrecht und die preußische
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Polizei"</a>>, in einen Konflikt mit der preußischen Untertanenschaft geraten. Diese
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Angelegenheit ist ein neuer Beweis von der Art und Weise, in der man die Versprechungen des
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März zu eskamotieren sucht. Wie sich die Sache verhält, geht aus folgendem
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Aktenstück hervor, das Marx an den Minister des Innern, Herrn Kühlwetter, abgesandt
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hat:</p>
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<p>Herr Minister!</p>
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<p>Ich erlaube mir hiermit, bei Ihnen Rekurs einzulegen gegen einen Beschluß der hiesigen
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Königl[ichen] Regierung, der mich persönlich betrifft.</p>
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<p>Ich verließ im Jahre 1843 meine Heimat Rheinpreußen, um mich einstweilen in
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Paris nieder[zu]lassen. - Im Jahre 1844 erfuhr ich, daß auf Grund meiner Schriften vom
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Königl[ichen] Oberpräsidium in Koblenz ein Verhaftsbefehl gegen mich an die
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betreffenden Grenzpolizeibehörden abgegangen war. Diese Nachricht wurde auch in Berliner
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zensierten Blättern veröffentlicht. - Ich betrachtete mich von diesem Augenblicke an
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als politischer Flüchtling. Später - Januar 1845 - wurde ich auf direkte Veranlassung
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der damaligen preußischen Regierung aus Frankreich ausgewiesen und ließ mich in
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Belgien nieder. - Da auch hier von der preußischen Regierung Anträge auf meine
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Ausweisung bei dem belgischen Ministerium gestellt wurden, sah ich mich endlich genötigt,
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meine Entlassung aus dem Preußischen Staatsverbande zu fordern. - Ich mußte dies
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letzte Mittel anwenden, um mich solchen Verfolgungen zu entziehen. - Daß ich nur aus
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Notwehr meinen Aus- <a name="S383"><b><383></b></a> wanderungskonsens verlangte,
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dafür ist der beste Beweis, daß ich in keinem andern Staat das Bürgerrecht
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angenommen habe, obwohl es mir in Frankreich nach der Februarrevolution von Mitgliedern der
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provisorischen Regierung angetragen wurde.</p>
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<p>Ich bin nach der Märzrevolution in meine Heimat zurückgekehrt und habe mich in
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Köln im Monat April um das Bürgerrecht beworben, das mir auch vom hiesigen Stadtrat
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ohne Anstand bewilligt wurde. - Die Sache ging nach dem Gesetz vom 31. Dezember 1842 an die
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Königl[iche] Regierung zur Bestätigung. Ich erhielt nun vom hiesigen kommissarischen
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Polizeidirektor, Herrn Geiger, ein Schreiben folgenden Inhalts:</p>
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<p><font size="2">"Ew. Wohlgeboren benachrichtige ich, daß die Königliche Regierung
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nach Lage Ihrer bisherigen Verhältnisse von der durch § 5 des Gesetzes vom 31.
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Dezember 1842 ihr beigelegten Befugnis, einem Ausländer die Eigenschaft als
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Preußischer Untertan zu verleihen, zu Ihren Gunsten für jetzt nicht Gebrauch gemacht
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hat, Sie daher nach wie vor als Ausländer zu betrachten sind. (§§ 15 und 16 des
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angef. Gesetzes.)</font></p>
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<p>Köln, den 3. August 1848</p>
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<p align="right">Der kommis[sarischel Polizeidirektor (gez.) Geiger</p>
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<p>An<br>
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den Herrn Dr. Marx<br>
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Nro. 2678 Wohlgeboren hier."</p>
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<p>Ich halte den Bescheid der Königl[ichen] Regierung für ungesetzlich, und zwar aus
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folgenden Gründen:</p>
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<p>Nach dem Bundesbeschlusse vom 30. März d.J. sind wahlberechtigt und wählbar zur
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deutschen Nationalversammlung auch die politischen Flüchtlinge, wenn sie nach Deutschland
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zurückkehren und erklärt haben, ihr Staatsbürgerrecht wieder antreten zu
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wollen.</p>
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<p>Der Beschluß des Vorparlaments, der zwar keine direkte gesetzliche Bestimmung hat,
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aber doch für die Aussichten und Verheißungen maßgebend ist, die dem deutschen
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Volke gleich nach der Revolution gemacht wurden, gibt das aktive und passive Wahlrecht sogar
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denjenigen politischen Flüchtlingen, welche im <i>Auslande Bürger</i> geworden sind,
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aber ihr deutsches Bürgerrecht wieder antreten wollen.</p>
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<p>Jedenfalls ist aber der Bundesbeschluß und die darauf beruhende Wahlordnung des
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Ministerium Camphausen in Preußen gesetzlich gültig.</p>
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<p>Da ich durch meine Anmeldung zur Erwerbung des Niederlassungsrechtes in Köln, mein
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deutsches Bürgerrecht wieder antreten zu wollen deut- <a name=
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"S384"><b><384></b></a> lich genug erklärt habe, so steht es fest, daß ich zur
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deutschen Nationalversammlung Wähler und wählbar war, also mindestens das deutsche
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Reichsbürgerrecht besitze.</p>
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<p>Wenn ich aber das höchste Recht besitze, das ein Deutscher haben kann, so wird mir das
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niedrigere Anrecht auf das <i>Preußische</i> Staatsbürgerrecht um so viel weniger
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verweigert werden können.</p>
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<p>Die Königl[iche] Regierung in Köln beruft sich auf das Gesetz vom 31. Dezember
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<In der "Neuen Rheinischen Zeitung" irrtümlich: März> 1842. Auch dies Gesetz,
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im Zusammenhang mit dem obigen Bundesbeschluß, spricht für mich.</p>
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<p>Man verliert nach § 15,1 und 3 die Eigenschaft als Preuße durch Entlassung auf
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Antrag des Untertanen oder durch zehnjährigen Aufenthalt im Auslande. - Es sind viele
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politische Flüchtlinge nach der Revolution in ihre Heimat zurückgekehrt, die
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über zehn Jahre im Auslande waren, also nach § 15 des erwähnten Gesetzes die
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Eigenschaft als Preußen ebensogut verloren hatten wie ich. - Einige von ihnen, z.B. Herr
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J. Venedey, sitzen sogar in der deutschen Nationalversammlung. - Die preußischen
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"Landespolizeibehörden" (§ 5 des Gesetzes) könnten also diesen deutschen
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Gesetzgebern ebenfalls, wenn es ihnen beliebte, das Preußische Staatsbürgerrecht
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verweigern!</p>
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<p>Schließlich halte ich es für durchaus ungehörig, daß die hiesige
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Königliche Regierung, resp. der Herr kommis[sarische] Polizeidirektor Geiger, sich in der
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mir gemachten Anzeige des Wortes "Untertan" bedienen, wo das vorige sowohl wie das jetzige
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Ministerium diese Bezeichnung aus allen ihren offiziellen Aktenstücken verbannt haben und
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dafür nur von Staatsangehörigen sprechen. - Ebenso ungehörig ist es, selbst von
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meinem preußischen Staatsbürgerrecht abstrahiert, mich, einen deutschen
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Reichsbürger, als "Ausländer" zu bezeichnen.</p>
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<p>Wenn ferner die Königl[iche] Regierung mir "nach Lage meiner bisherigen
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Verhältnisse" die Bestätigung des Preußischen Bürgerrechts verweigert, so
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kann dies sich nicht auf meine materiellen Verhältnisse beziehen, da selbst nach dem
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Wortlaut des Gesetzes vom 31. Dezember 1842 nur der Kölnische Stadtrat darüber zu
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entscheiden hatte und zu meinen Gunsten entschieden hat. - Es kann sich nur auf meine
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Tätigkeit als Redakteur en chef der "Neuen Rheinischen Zeitung" beziehen und heißt
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dann: nach Lage meiner demokratischen Gesinnungen und meines oppositionellen Auftretens
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gegenüber der bestehenden Regierung. - Wenn aber selbst der hiesigen Bezirksregierung oder
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auch dem Ministerium des Innern in Berlin die Befugnis zustehen sollte - was ich leugne -, mir
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in diesem speziellen, unter den Bundes- <a name="S385"><b><385></b></a> beschluß
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vorn 30. März gehörenden Falle das preußische Bürgerrecht zu verweigern -
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so könnten doch derartige tendenzielle Gründe nur im alten Polizeistaat, keineswegs
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aber im revolutionierten Preußen und bei seiner verantwortlichen Regierung in Anwendung
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kommen.</p>
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<p>Endlich muß ich noch bemerken, daß der Herr Polizeidirektor Müller, dem ich
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erklärte, nicht auf das Ungewisse hin meine Familie aus Trier nach Köln
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übersiedeln zu können, mich versicherte, meine Renaturalisation werde keinen Anstand
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finden.</p>
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<p>Aus allen diesen Gründen verlange ich, daß Sie, Herr Minister, die hiesige
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Königliche Bezirksregierung anweisen, das mir vom hiesigen Stadtrat bewilligte
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Niederlassungs- (Gesuch) Recht zu bestätigen und mir dadurch die Eigenschaft als
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Preuße wieder zu verleihen.</p>
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<p>Genehmigen Sie, Herr Minister, die Versicherung meiner vollkommenen Hochachtung.</p>
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<p>Köln, den 22. August 1848</p>
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<p align="right"><i>Karl Marx</i></p>
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</body>
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</html>
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