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<title>"Neue Rheinische Zeitung" - Der Sturz des Ministeriums der Tat</title>
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<p align="center"><a href="me05_386.htm"><font size="2">Der dänische
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Waffestillstand</font></a> <font size="2">|</font> <a href="../me_nrz48.htm"><font size=
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"2">Inhalt</font></a> <font size="2">|</font> <a href="me05_393.htm"><font size="2">Der
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dänisch-preußische Waffenstillstand</font></a></p>
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<small>Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx - Friedrich Engels - Werke, Band 5, S. 390-392<br>
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Dietz Verlag, Berlin/DDR 1959</small><br>
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<h1>Sturz des Ministeriums der Tat</font></p>
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<p><font size="2">["Neue Rheinische Zeitung" Nr. 99 vom 10. September 1848]</font></p>
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<p><b><a name="S390"><390></a></b> <b>* Köln, 8. September, 10 Uhr abends. Das
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Ministerium der Tat ist gestürzt. Nachdem es mehrere Mal "gestolpert", hielt es sich nur
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noch durch seine Unverschämtheit.</b> Endlich haben die immer steigenden Anforderungen des
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Ministeriums der Versammlung gezeigt, was das Geheimnis der Existenz des Ministeriums war.</p>
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<p>In der gestrigen Sitzung der Vereinbarungsversammlung kam der <b>Steinsche Antrag</b> zur
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Debatte. Der Antrag lautet:</p>
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<p><font size="2">"Es sei dringende Pflicht des Staatsministeriums, den am 9. August
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beschlossenen Erlaß ohne weiteres zur Beruhigung des Landes sowie zur Vermeidung eines
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Bruches mit der Versammlung ergehen zu lassen."</font></p>
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<p>Das Ministerium hatte erklärt, es werde sich auf keine Beschönigung, keine
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Vermittlung einlassen.</p>
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<p>Die Linke hatte erklärt, sie werde austreten, wenn die Versammlung ihren Beschluß
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vom 9. August fallenlasse.</p>
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<p>In der gestrigen Sitzung nun brachte nach einer nichtssagenden Rede des
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Ministerpräsidenten der Abgeordnete <i>Unruh</i> folgendes Amendement ein:</p>
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<p><font size="2">"In Erwägung, daß die Beschlüsse vom 9. August keine
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Erforschung der Gesinnung, keinen Gewissenszwang, sondern nur die im konstitutionellen Staat
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notwendige Übereinstimmung zwischen Volk und Heer herbeizuführen und reaktionäre
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Bestrebungen sowie fernere Konflikte zwischen den Bürgern, welche zum Heer, und denen,
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welche zum Zivilstande gehören, zu vermeiden bezwecken,</font></p>
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<p>erklärt die Versammlung,</p>
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<p>daß das Ministerium das Vertrauen des Landes nicht besitzt, wenn es ferner Anstand
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nimmt, einen dem Beschluß vom 9. August entsprechenden Erlaß an das Heer ergehen zu
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lassen."</p>
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<p><b><a name="S391"><391></a></b> Diesem Amendement des <b>linken Zentrums</b> wurde ein
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zweites vom <b>rechten Zentrum</b> entgegengestellt durch den Abgeordneten Tamnau.</p>
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<p>Es lautet:</p>
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<p><font size="2">"Die Nationalversammlung wolle erklären wie folgt: die
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Nationalversammlung hat bei ihrem Beschluß vom 9. August d.J. die Absicht gehabt, an die
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Befehlshaber der Armee einen ähnlichen Erlaß herbeizuführen, wie ihn die
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Ministerien der Finanzen und des Innern unter dem 15. Juli an die Regierungspräsidenten
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erlassen haben. Sie beabsichtigt nicht, die Offiziere der Armee zur Darlegung ihrer politischen
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Gesinnung zu nötigen oder dem Kriegsminister den Wortlaut des Erlasses vorzuschreiben. Sie
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erachtet einen derartigen Erlaß, in welchem die Offiziere der Armee vor reaktionären
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und republikanischen Bestrebungen gewarnt werden, im Interesse des staatsbürgerlichen
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Friedens und zur Förderung des neuen konstitutionellen Staatssystems für
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notwendig."</font></p>
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<p>Nachdem eine Zeitlang hin und her debattiert, erklärt sich der "edle"
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<i>Schreckenstein</i> im Namen des Ministeriums mit dem Amendement Tamnau <b>einverstanden</b>.
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Das nach der stolzen Versicherung, keine Vermittlung annehmen zu wollen!</p>
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<p>Nachdem die Debatte noch eine Zeitlang fortgedauert, nachdem sogar Herr <i>Milde</i> die
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Versammlung gewarnt hatte, kein <b>revolutionärer Nationalkonvent</b> zu werden (die Angst
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des Herrn Milde ist ganz überflüssig!), wird unter einem ungeheuren Andrang des Volks
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gegen den Sitzungssaal abgestimmt:</p>
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<p>Namentliche Abstimmung:</p>
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<p>Das <b>Amendement Unruh</b> mit 320 gegen 38 Stimmen <b>verworfen</b>.<br>
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Das <b>Amendement Tamnau</b> mit 210 gegen 156 Stimmen <b>verworfen</b>.<br>
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Der <b>Steinsche Antrag wird mit 219 gegen 152 Stimmen angenommen. Majorität gegen die
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Minister:</b></p>
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<p align="center">67 Stimmen.</p>
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<p>Einer unserer Berliner Korrespondenten berichtet:</p>
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<p>Die Aufregung war heute groß in der Stadt; Tausende von Menschen umlagerten das
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Sitzungsgebäude der Versammlung, so daß Herr Reichensperger, als der Präsident
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die ganz loyale Adresse der Bürgerwehr verlas, den Antrag stellte, die Versammlung solle
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ihre Sitzungen nach einer andern Stadt verlegen, da Berlin gefährdet sei.</p>
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<p>Als die Nachricht von der Niederlage des Ministeriums dem versammelten Volke bekannt wurde,
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brach ein unaussprechlicher Jubel aus, und als <a name="S392"><b><392></b></a> die
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Abgeordneten der Linken heraustraten, wurden sie mit ununterbrochenen "Vivats!" bis zu den
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Linden begleitet. Als aber der Abgeordnete Stein (der Antragsteller der heutigen Abstimmung)
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erblickt wurde, da erreichte der Enthusiasmus die höchste Stufe. Einige Männer aus
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dem Volke setzten ihn sogleich auf ihre Schultern und trugen ihn so im Triumphzug nach seinem
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Hotel in der Taubenstraße. Tausende von Menschen schlossen sich diesem Zuge an, und unter
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immerwährendem Hurrarufen wälzten sich die Massen über den Opernhausplatz. Noch
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nie hat man hier einen solchen Freudenausdruck gesehen. Je größer die Besorgnis um
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den Erfolg war, desto überraschender ist der glänzende Sieg.</p>
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<p>Gegen das Ministerium stimmte: die Linke, das linke Zentrum (die Partei Rodhertus-Berg) und
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das Zentrum (Unruh, Duncker, Kosch). Der Präsident stimmte in allen drei Fragen für
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das Ministerium. Ein Ministerium Waldeck-Rodbertus hat sich hiernach einer vollständigen
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Majorität zu erfreuen.</p>
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<p>Wir werden also das Vergnügen haben, den Urheber der Zwangsanleihe, den Minister der
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Tat, den Herrn Hansemann <i>"Exzellenz"</i> in wenigen Tagen hier durchspazieren, an seine
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"bürgerliche Vergangenheit" wieder anknüpfen und über Duchâtel und Pinto
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nachdenken zu sehen.</p>
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<p>Camphausen ist auf anständige Weise gefallen. Herr Hansemann, der ihn durch seine
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Intrigen zu Fall gebracht, Herr Hansemann hat ein gar trauriges Ende genommen! Armer
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Hansemann-Pinto!</p>
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<p><font size="2">Geschrieben von Friedrich Engels.</font></p>
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